Johann Andreas Christian Löhr
Es gab eben keine Kriege in Afrika und Asien mehr, wo der Hauptmann Felsenschneider sengen, brennen, stechen, hauen und nach Herzenslust essen und trinken konnte.
Auf seinen Streifzügen kommt er in einer Wüste zu der Grotte eines Derwisches, und sagt: „Heiliger Mann, hast du nicht etwa ein Paar hundert Nüsse für einen hungrigen Magen?“
„Die Ratten haben mit ihren guten Zähnen alle meine Nüsse gefressen und die Schalen übrig gelassen. Doch liegt noch ein großes Stück Zwieback vor meiner Tür.“ Damit zeigte er auf einen Stein, der über sechs Fuß lang war.
„Ist das deine Speise? sagte der Hauptmann, so kenn ich dies Backwerk wohl, und die Pyramiden sind davon zusammengebacken. Es ist freilich ein wenig schwer verdaulich; indes Hunger tut weh.“ Somit hieb er sich mittelst seines Säbels eine drei Finger starke Scheibe mit einem einzigen Hieb ab, zerbröckelt sie mit den Händen und zermalmt sie mit den Zähnen.
Der Derwisch bewunderte den Mann und seinen Säbel und dachte, den müsse er sich zum Freunde machen, ruft den Hauptmann herein und teilt einige große Ziegenkäse und den Schiffszwieback mit ihm, den er noch besaß. Man trägt beides in großen Stößen auf den Steintisch in der Grotte auf und setzt einige ungeheure Krüge dazu auf, worin Wasser mit Honig vermischt war.
Die Mahlzeit war mäßig, denn es hätten schwerlich über zwölf Personen davon gesättigt werden können, und der Derwisch ergreift nun den Krug und leert ihn auf einen Zug aus.
„Bruder, sagt der Hauptmann, du musst bis auf die große Fußzehe hohl sein, und hast auch nicht ein einziges Mal abgesetzt!“
„Ach ich habe mich schon viel gebessert, versetzte der Derwisch. Ich hieße Trinkhaus, und hätte sonst wohl Ströme ausgetrunken, hätte ich das Wasser nur eben so sehr geliebt, als den Wein. Das Trinken hat mich aber eben zum frommen Manne gemacht. Ich war bei einem Freunde in Georgien, aus dessen Keller es mir so lieblich entgegen roch, dass ich hinabstieg. Da liegen etwa ein Dutzend kleine Fässer voll Wein, nicht größer als die Orhofte. Ich fange davon an zu kosten, und trinke in Gedanken den Wein aus. Darüber kommt der Wirt herbei und behandelt mich wie einen Saufaus. Meine dumme Hitze überläuft mich und ich schlage den Mann tot. Hinterher tat mir das sehr leid, und um den Totschlag abzubüßen bin ich in die Wüste gegangen und ein Derwisch geworden, und treibe nebenbei ein Bisschen Pflanzen und Sternkunde.“
Nun erzählte der Hauptmann auch Einiges von seinen taten. Einmal, sagt er, habe er sogar die Hauptstadt eines ganzen Landes erobert, und das Land obendrein, aber Er selbst und sein Degen ganz allein, denn die feigen Hunde von Soldaten wären nur immer dann zur Hand gewesen, wo es zu Fressen und Saufen gegeben, allein niemals beim Fechten. „Als ich nun aber König geworden war, fuhr er fort, fand sich’s, dass ich über keinen einzigen Menschen zu herrschen hatte.“
„Wie? fragte Trinkaus, du wirst doch nicht Weiber und Kinder vertilgt haben?“
„Bei Gott ja!“ sagte der Hauptmann, „ich vertilgte sie von Grund aus, denn sie fluchten und schimpften mir, warfen Steine auf mich und hetzten die Hunde gegen mich an. Da hab ich im rasenden Grimm Alles niedergemacht.“
„Du bist gewiss bei einigen von unsern jungen Helden in der Schule gewesen, versetzte der Derwisch, die, wenn sie erst gesiegt haben, im allzu großen Heldeneifer zu morden, zu sengen und brennen nicht aufhören können, weil sie einmal im Zuge sind. Oftmals lodert schon dann ihr Heldenmut in Mord und Feuerflammen auf, wenn noch gar kein Feind da ist. Aber, mein Bruder, für einen Helden wie du bist, ziemt sich solche Sitze nicht mehr. Ich wüsste ein Stück Arbeit für dich, wo sich diese Hitze sehr abkühlen und viel Ehre gewinnen ließe.“
„Was ist’s für eine Arbeit?“ fragte der Hauptmann, und der Derwisch antwortete: „Es gilt ohne Armee eine Festung zu erobern, die weder Thore noch Mauren noch Gräben hat. Die Mühe, welche du dabei haben würdest, würde die Hitze ziemlich mildern.“
„Höre, mein heiliger Bruder, versetzte der Hauptmann, wenn du Wein in deinem Kruge gehabt hättest, so wüsste ich wohl, was ich denken sollte. – Ein Feldherr ohne Armee? – eine Festung ohne Thore, Mauern und Graben?“
„Ja doch, ja!“ sagte der Derwisch; „zehn Stunden von hier ist die Festung Kikelalah. Sie liegt auf einem sechzig Fuß hohen Felsen, der rund um ganz glatt behauen, und ganz senkrecht ist. Die Einwohner sind lauter Soldaten und lassen sich in Körben, deren jeder zehn Mann fasst, von den Mauern herab, um auf zwanzig Stunden umher den Tribut einzutreiben. Die Festung steht unter dem Tyrannen Dickstab, den alle Welt fürchtet, und wenn du den wirst vertrieben haben, kannst du selbst nach deinem Belieben herrschen; so gut wie der, ohne dass dir Jemand darf drein reden.“
„Bruder, sagte der Hauptmann, das will ich auch, – auf meine Ehre, ich will regieren, denn die Kunst scheint mir gar nicht schwer, und der Bursche, der Dickstab, muss von dem Neste herunter und du sollst sehen, wie ich arbeiten will. Nur etwas Armee möchte ich doch haben. lass uns eine werben, es gibt ja des verlaufenen Gesindels noch genug in der Welt.“
„Ist nicht Not, erwiderte der Derwisch. Du sollst eine Armee von acht Marschällen haben, deren Jeder allein ein Reich umkehren könnte, und ich bin der geringste unter ihnen. Du siehst wohl ein, dass acht große Generale mehr sind denn acht große Heere. Du weißt ja, wo eine Schlacht ist gewonnen oder eine Festung erobert worden, so spricht alle Welt von der Einsicht und Tapferkeit des Obergenerals und kein Mensch von den Soldaten, aus welchen die Armee besteht. Du siehst also ein, dass diese ganz überflüssig ist.“
„Wohl denn, sagte der Hauptmann, so mache mich nur mit den Generalen bekannt.“
Der Derwisch vertröstete ihn auf den andern Morgen, und sagte, dass sie viel Geschick und Naturgabe hätten, nur den Verstand müsse ihnen der Anführer leihen. Felsenschneider meinte, dass sie um so tauglichere Soldaten sein würden, je dümmer sie wären, denn sie würden desto besser blindlings gehorchen. Er erkundigte sich aber nun auch, was für eine Art Mensch Dickstab sei!
„Der ist ein etwas riesiger Mann, antwortete der Derwisch, und ist von Kopf bis zu den Füßen in Stahl geharnischt, wobei er sich aber so leicht und schnell bewegt als ein Vogel. Er führt keine Waffe als eine hundertsfündige Keule von Erz, mit welcher er so leicht spielt, als sei es ein dünnes Bambusrohr. Mit diesem verdammten Dinge hat er uns zwei unserer Besten tot geschlagen, den Eisenarm, der mit jedem Faustschlag einen Mann niederstreckte, und den Stahlzahn, der mit seinen Hauern die Menschen wie Lerchen aufspießte.“
„Die sollen gerächt werden, sagte der Hauptmann; aber jetzt lass uns schlafen gehen.“
Als sie am andern Morgen spazieren gehen wollten, kamen drei Männer. „Die sind von unsern Leuten, sagte der Derwisch, und heißt der Eine Schauescharf, denn auf vierzig Stunden weit sieht er die kleinste Nadel auf der Erde; der Andere heißt Zieltreffer, und wird in gleicher Entfernung einen Apfel nicht mit seinem Pfeile verfehlen; und der dritte, Spalteluft genannt, würde den Pfeil in fünf Minuten zurückbringen.“
Der Derwisch hatte das kaum ausgesagt, so waren die Drei schon da, und er rühmte ihnen den herrlichen Anführer, welchen sie gefunden hätten, um an ihrem Feind Dickstab volle Rache zu nehmen. – „Aber, setzte er hinzu, kommt Ihr denn ohne Proviant?“
Da antwortete Zieltreffer; „Großbuckel bringt etwas Weniges mit. Er hat ein jähriges Kalb auf dem Rücken und unter dem Armen ein Paar Ohmen Wein. Er ist nur erst in einen Garten gegangen, um Gemüse und Salat mitzunehmen und wird bald da sein.“
Kaum war das Wort ausgesagt, so war Großbuckel mit seiner Last da, die er so leicht trug, als wäre es ein Säckchen Federn gewesen.
„Sieh General, sagte der Derwisch, das ist unser Packwagen, der Großbuckel, uns Proviant zuzubringen, und die gemachte Beute fortzutragen, wäre sie auch noch so schwer.“
Der General bekam einen Gelüste nach dem Kälbchen, und der Derwisch sagte: „Schauescharf, wo bleibt denn unser Koch?“
Schauescharf sah sich umher. „Sieh da! sprach er, er ist hier ganz nahe, aber er vertreibt sich die Zeit, Wachteln zu fangen, die in großen Zügen über seinen Kopf hinfliegen, rupft sie und bratet sie mit seinem Atem.
Dass dich den Schuft! rief Trinkaus, so ungebührlich an einem Musterungstage an sein Vergnügen zu denken! dass dich! An einem solchen Tage muss der Soldat höchst ordentlich sein. Darnach mag er Bürgern und Bauern nach seinem Belieben tun, und schlemmen und zechen. Aber es ist wahrhaftig an der Zeit, dass wieder Mannszucht hergestellt werde, denn auch das Faultier Immerschlaf ist nicht da, um Vergatterung zu schlagen.“
„Ha! sagte Schauescharf, der schnarcht dort im Schatten, dass die Bäume beben.“
Spalteluft bekam Befehl die Beiden eiligst herbeizubringen. Sie waren fast im Augenblicke da. Der Koch, Blasefeuer genannt, musste nun das Kalb braten, welches Gutbuckel an den Spieß gesteckt hatte. Dazu hatte er nichts weiter nötig als sanft mit seinem Munde zu blasen. Wenn er gewollt, hätte er auf diese Weise einen ganzen Erzgang in Fluss bringen können. Immerschlaf musste Vergatterung schlagen. Er trommelte nur ganz sanft mit den Fingern auf seinen Bauch, und es war, als ob zehntausend Trommeln im Gange wären.
Es fehlte an einer Schüssel, die Bratenbrühe aufzufassen. Da haut der Hauptmann oder Obergeneral mit seinem Sonnensäbel von dem Steinzwieback vor des Derwisches Grotte eine tüchtige Scheibe ab, und bringt auch eine Vertiefung darin an. Ein Stück Granitfelsen mitten in der Grotte hinderte mit Bequemlichkeit Tafel zu halten, aber der Hauptmann hieb den Vorsprung des Felsens Stück für Stück ab, und jedes Stück glich einer marmornen Tischplatte, der nichts fehlte als die Politur.
Der Braten wurde indessen durch das linde sinnige Blasen des Kochs gleichsam wie vergoldet. Hätte er stärker geblasen, so wäre derselbe verkohlt, aber Blasefeuer verstand die Kunst einen guten Bissen zu bereiten, und hatte sich schon vorgenommen, wenn es ihm einmal an einem Unterkommen fehle, Mundkoch in einem vornehmen Hause zu werden, wo er sich gewiss dreimal so gut stände, als der Lehrer der jungen Familie, zumal da er das Holz ersparte.
Die Tafel wurde angerichtet und Immerschlaf strich sich, sein Vergnügen auszudrücken, ganz sanft den Bauch, aber das machte so einen fürchterlichen Lärm, dass man ihn bitten musste aufzuhören. „Hm! sagte er, was habt Ihr denn? Aller Spektakel in der Welt, und alles Treiben, Rennen, Laufen, Rasseln und Prasseln kommen ja von Magen und Bauch her.“
Man aß und trank, und Trinkaus, eingedenk des Gelübdes ein frommer Mann zu werden, blieb bei seinem Honigwasser, bis nach der Mahlzeit, wo er, gleichsam den Mund auszuspülen, so ein kleines Schlückchen Wein von etwa dreißig Kannen aus dem Kruge nahm.
Während man tafelte, fanden sich noch zwei Vermisste ein, nämlich Greifwolke und Weitmacher. Trinkaus las ihnen den Text nicht schlecht, indessen aus alter Kameradschaft bekamen sie doch noch zu essen und zu trinken, nur mit der Verwarnung, künftig besser Ordnung zu halten, denn der neue Hauptmann werde nicht Alles nur so hingehen lassen.
Als man aufgestanden war, sagte Trinkaus: „Wohlan, Kameraden, es ist nun wohl an der Zeit, dass wir uns über unsern gemeinschaftlichen Zweck ernstlich beraten, und vor allen Dingen darüber, was wir zum Abendessen werden nötig haben. Denn was kann man für Rat halten mit ausgehungerten Magen.
Schauescharf, Zieltreffer, Spalteluft, habt Acht. Sieh dich um, Schauescharf, wir müssen vierhundert Pfund Wildpret haben, denn wir haben diesen Mittag eine Hungermahlzeit gehalten, und zwar Wildpret von viererlei Sorten; aber zartes, liebster Freund, sehr zartes, meines schwachen Magens wegen.“
Schauescharf hatte bald erspäht, was verlangt wurde; Zieltreffer musste eine Pike aufpflanzen und grade dahin zielen, wohin ihn Schauescharf anwies. „Wie weit?“ fragte Zieltreffer. „Fünfzehn Stunden und dreißig Schritt“ war die Antwort. – Der Pfeil flog ab. – „Der Damhirsch liegt!“ rief Schauedurch.
„Nun, hieß es, Spalteluft, leg deine Babuschen an und bring uns das Wild.“ – Das geschah auf der Stelle, und auf gleiche Weise wurde noch dreierlei Wild erlegt, eingebracht und von Gutbuckel abgestreift, ausgewirkt und an den Spieß gesteckt.
Trinkaus sieht indessen den Brodsack nach, und findet nur noch hundert und siebzig Pfund Brot. „Da wären wir schön angekommen, sagt er, wenn ich nicht nachgesehen hätte. – Schauescharf, sieh, wo frisches Brot ist?“
„Dreißig Stunden von hier, zu Wasser, ist ein ganzer Backofen voll, der noch vor Wärme raucht, und eben ist der Bäcker fortgegangen, um das Brot abkühlen zu lassen;“ sagt Schauescharf.
„Spalteluft, hieß es, mache dich auf und schließe den Handel.“ Dieser war bald geschlossen. Das Brot war in der Grotte, ehe es der Bäcker vermisste.
Die Gesellschaft hatte Durst. „Greifwolke, sagte der Derwisch, greif die oben hinziehende Wolke, nötige sie ihren Vorrat herzugeben, obschon sie vielleicht etwas hageln möchte. Gefrornes ist ja ein Leckerbissen.“
Greifwolke nimmt einen Knäuel Seide aus der Tasche, und wirft es gegen die Wolke hinauf. Ein Faden davon fällt wieder aus der Wolke herunter, an welchem sich Greifwolke hinaufhaspelt, welchen ohnedies noch der Wolkendunst sichtlich hinaufzuziehen scheint. Als er oben ist, quetscht und schnürt er die Wolke zusammen und nötigt sie ihren ganzen Vorrat herzugeben, der in einem dichten und milden Regen zur Erde herabfällt und in Krügen aufgefangen wird.
Man löschte den Durst, aber Wasser erkältet den Magen und Regenwasser obenein ist so weich und üblich. Der Hauptmann wünschte, man möchte das Wasser mit einigen Flaschen starken Dattelbranntweins verbessern können.
Schauedurch hatte bald einige ziemlich weite Flaschen entdeckt, die in der Entfernung von zehn Stunden auf den Altan hingesetzt waren, um an der Sonne den darin enthaltenen Lebensgeist recht destillieren zu können, und Spalteluft holte sie sogleich. – „Ha! sagte Trinkaus, hätte der nur die Kräfte von Gutbuckel, so wäre er der nützlichste Kamerad unter uns Allen.“ Auch der General Felsenschneider war in guten Appetit gekommen, und wünschte zum Abendnachtisch einige Feigen von der besten Sorte aus Afrika. Spalteluft musste sich sogleich aufmachen, um Afrikas Garten ein wenig zu durchstöbern, erhielt aber zugleich Befehl, in einer halben Stunde wieder da zu sein, indem man seiner vielleicht noch weiter bedürfen möchte.
Noch ein Mann aus der hohen Generalität war dem Obergeneral unbekannt. Dies war Weitmacher, der eben mit kreuzweis übereinander geschlagenen Armen da saß, gleichsam tief sinnend.
Der Obergeneral begehrte Auskunft über das Thun dieses Mannes, aber der Derwisch vertröstete ihn auf heute Abend, wo er denselben werde arbeiten sehen.
Die Braten waren im besten Braten, aber Spalteluft war noch nicht wieder da: Schauescharf musste sich umhersehen, und rief auf einmal: „Seht den Schlingel; er hat mehr Feigen in den Magen als in den Korb gesammelt, und ist auf dem Korbe eingeschlafen. Die Araber der Wüste streifen eben in der Nähe umher, und werden ihn nicht nur den Korb nehmen, sondern auch die Babuschen, in welchen seine Schnellläufigkeit steckt. Dann haben wir ihn gehabt. – Zieltreff, oben auf dem Aste des Baumes, unter dem er schläft, sitzt ein Vogel. Schieß ihn herab, damit er durch den Fall des Vogels aufgeweckt werde.“
Zieltreffer ließ sich Richtung und Entfernung angeben. Die letzte betrug fünf und siebenzig Meilen. Schauescharf sieht dem Schusse nach und sagte: „Der Vogel ist herab, und der Schläfer ist erwacht.“ Zwei Minuten drauf war derselbe mit den Feigen da.
Nachdem man zu Abend gegessen hatte, wurde Weitmacher gerufen das Zelt aufzuschlagen, weil es sich für Kriegsleute, die in einer Unternehmung begriffen wären, nicht zieme in der Grotte zu schlafen.
Weitmacher hatte einen kleinen Beutel an dem Gürtel hängen, von der Größe eines Hühnereies. Er war mit vier dünnen Schnuren zusammengeschnürt, an deren Ende ganz feine Stahlnadeln hingen. Jetzt schnürt er den Beutel auf und bläst hinein, worauf derselbe sogleich die Größe einer ziemlichen Melone erhält. Nachdem er noch einmal hineingeblasen, kann er schon den Kopf hineinstecken, und indem er fortbläst, erweitert sich der Raum so sehr, dass der ganze Körper hineingeht. Endlich steht, durch fortgesetztes Blasen, ein Zelt da, welches Platz für zwanzig Mann hat. Die Stahlnadeln waren zu starken eisernen Zeltpflöcken geworden, und das Zelt wurde mit Piken unterstützt.
Der Hauptmann verwunderte sich sehr, aber wie stieg seine Verwunderung, als er erfuhr, dass Weitmacher sein Zelt so weit ausdehnen könne, dass dreißigtausend Menschen darunter Platz hätten.
In dem Augenblick, als das Zelt aufgeschlagen war, hört man einen Lärm wie von tausend Trommeln, den Immerschlaf hervorbrachte, indem er seine Backen ganz leise strich. Dies war der Zapfenstreich.
Nachdem man Alles aufgezehrt hatte, wurde Rat gehalten. Man kam überein, den Dickstab dadurch aus seinem Felsenneste hervorzulocken, dass man das Land rings umher verheeren und ihn mit seinen Soldaten in Hungersnot bringen wolle. – Man stellte hierauf Wache aus, und schlief unter dem Zelte ein. Immerschlaf schlief einige tausend Schritte weit davon, denn sein bloßes Atmen tönte wie ein rollender Donner, und wenn er etwa nur mit zurückgezogenem Atem einige Töne angab, so waren es Trompetentöne von solcher Stärke, dass Jeder davor erbebte.
Am andern Morgen hielt der General Musterung und fand Alles in schönster Ordnung. Hierauf musste sich Schauescharf umsehen, und entdeckte Mancherlei, was aber dem Herrn General eben nicht anstand, indem er keinen Gebrauch davon zu machen wusste. Weil man den Vormittag fasten musste und auf dem Zuge sich nicht aufhalten konnte, so war sein Hauptabsehen auf eine schon fertige Mittagsmahlzeit für ihn selbst und seine Mannschaft gerichtet.
Das Glück wollte dem General wohl. Schauescharf entdeckte in einem zehn Stunden entfernten volkreichen Flecken die Zurüstungen zu einem gewaltig großen Hochzeitmahl. – „Gut,“ sagte der General, „sie sollen es zurüsten, wir aber wollen es schmausen. Blasefeuer soll auf gut soldatisch den Flecken, mit Ausnahme des Hochzeithauses, nach den Regeln der neuen Kriegskunst in Brand stecken, obwohl uns das eigentlich zu nichts helfen kann; aber man muss doch sehen lassen, welche Helden wir sind, und wenn der Schrecken erst vor uns her geht, haben wir desto leichteres Spiel. Übrigens treiben wir unsere Kurzweil, wie es sich fügen will. – Ich, für meinen Spaß, werde mich der Braut bemächtigen und werde den Leutchen mein Recht dazu mit meinem Degen schon hinlänglich beweisen. Ihr Übrigen ergötzt Euch nach Belieben. Es soll mir eine Hauptlust sein, wenn sie nun Alle wimmern, jammern und heulen.“
Man setzte sich in Marsch. Zwei Stunden vor dem Flecken musste Spalteluft noch einmal Umschau im Hochzeithause halten. Er brachte im Augenblicke die Nachricht, dass man es hier nur mit Götzendienern zu tun haben werde, die in diesem Augenblicke vor ihren Götzenbildern einen jungen Stier mit vergoldeten Hörnern schlachteten, dessen Fleisch erst in einigen Stunden gar sein könne.
„Tausend,“ sagte der General, „da haben wir desto mehr Fug und Recht nach Herzenslust zu wüsten, denn wir müssen doch unsern Eifer gegen die Götzendienerei an den Tag legen. Nicht so, Derwisch?“
Als man bei dem Hochzeithause angelangt war, geht Felsenschneider hinein. „Was,“ sagt er, „man richtet hier Hochzeit aus; man setzt sich zu Tische ohne mein Wissen?“
Die Leute entsetzten sich. „Himmel,“ riefen sie, „wir sind verloren! Das ist der Tyrann! das ist der Dickstab.“
„Ihr Lumpenpack,“ rief Felsenschneider; „Ihr lügt! Was heißt da Tyrann. Ich bin ja der Bräutigam des schönen Kindes da, und es soll keinen andern Mann haben als mich.“ Damit wollte er sich der Braut bemeistern.
Jetzt fängt ein tüchtiger Faustkampf an. Man ergreift Beile, Messer, Prügel, Stühle und anderes Geräte und fällt über den Räuber her, der tüchtige Püffe und Ohrfeigen austeilt, jedoch sein Sonnenschwert aus Schonung noch nicht ziehen will. – Mit einemmal fing Immerschlaf an zu niesen, und warf durch Gewalt dieses Niesens, von welchem selbst das Haus schwankte, Alles zu Boden, oder zum Hause hinaus und die Braut selbst war mit davon geflogen und hatte sich alsdann versteckt. Der General lachte.
Indessen hatte Blasefeuer so gut gearbeitet, dass man im ganzen Orte Feuerlärm machte. Immerschlaf musste nun Vergatterung schlagen und Alle setzten sich zu Tische.
Die Leute im Orte hatten ein Kommando von Dickstabs Soldaten geholt, welches in der Nähe stand. Es betrug fünfzehn wehrhafte Mann. Da dieses hörte, dass diese Räuber gar nicht furchtbar wären, und nur Einer davon ein Schwert habe, auch von den Leuten des Orts gewiss würden bewältigt worden sein, hätte nicht Einer darunter eine so maliziöse Niese gehabt, so bekam es einen großen Mut, und brach ins Hochzeithaus mit gezogenen Säbeln ein. Der Anführer will auf Immerschlaf einhauen, der aber niest bloß noch einmal, und der Anführer vergaß: „wohl bekomms!“ zu sagen, denn er überschlug sich wie ein Purzelmann von Holunder Mark, und als er wieder auf seinen Füßen stand, spaltet ihm der General den Kopf. Ein Anderer wurde in der Mitte durchgehauen; der Dritte verlor die Achsel mit dem Arm, ein Vierter ein Paar Beine, u.s.w. Da nahmen die übrigen mit viel Kriegslist und Gegenwart des Geistes Reißaus, und vertrauten ihren Beinen, weil die Arme zu ihrem Heil nicht hatten zureichen wollen.
Als nun die Feinde tapfer auf der Flucht waren, wurden sie auch eben so tapfer verfolgt. Greifwolke lässt hageln; Blasefeuer bläst ihnen nach und hätte sie alle zu Asche gebrannt, wären sie nur still gehalten; Immerschlaf niest ihnen nach, und von den acht oder neun, die entkommen waren, überschlugen sich die Meisten erst, ehe sie weiter laufen konnten. Selbst der Derwisch Trinkaus, der immer sein heiliges Buch, den Koran, in der Hand führte, schlägt mit diesem Heiligtum Einigen kühnes Mutes hinter die Ohren, denn er wusste wohl, dass sie sich nicht zur Wehre setzen würden. Die armen Flüchtlinge blieben am Ende doch allesamt auf dem Platze, denn Felsenschneiders Klinge verschonte keinen Einzigen.
Nun erst konnten sie recht vergnügliches Mahl halten, in Fisch, Braten und Wein, zumal da sie dasselbe mit der Erzählung ihrer ruhmwürdigen taten würzen konnten, die der kluge General mit großer Belobung anerkannte. Um sich für ihre Verdienste zu belohnen, tranken sie des Weins so viel, dass sie neben dem Tisch in süßen Schlaf versanken. – Der Heldentaten waren für diesen Tag genug!
In den nächsten Tagen wüteten und tobten, verheerten und zerstörten, lärmten und schwärmten, und schwelgten sie essend und trinkend, gar hoch und sehr, und trafen sie etwa auf ein kleines Kommando Soldaten, so ging’s demselben wie dem ersten. Immerschlaf nieste und trompetete die Soldaten um und um, und der General und die nun auch mit Säbeln bewehrte Armee, brauchten den ohnmächtig zu Boden liegenden Feinden nur die Köpfe abzuhauen. Im Lande war Alles in Verzweiflung, aber die Siegreichen waren es beinahe auch. Sie hatten zu viel und sehr gesiegt, und fanden Niemand mehr, den sie sieden, kochen und braten konnten, damit er ihnen Gesottenes und Gebratenes zurichtete, denn alle Welt war mit den Verrätern davon geflohen.
Dickstab achtete indes der Klaglieder wenig, die ihm von seinen Untertanen in die Ohren geschrieen wurden, denn er, Er, der mildgnädige Herr, wie er sich nennen ließ, hatte ja noch Alles, was sein Herz erfreute. Indessen hatte jedoch ein erfinderischer Kopf ein Mittel ausgesonnen, solch einen grimmen Feind mit Vorteil zu bekämpfen. Er hatte nämlich die längst vergessenen Turn und Gymnasien – nein! gymnastischen Anstalten wieder hervorgesucht, und insonderheit die Kunst der Balearen oder die edle Schleuderkunst, in welcher er Unterricht gab; eine Kunst, die er nebst manchen Balg- und Raufkünsten den Knaben abgesehen, und nun in seiner Anstalt geimpft und veredelt hatte.
Zum Unglück entdeckte Schauescharf die Unternehmungen des erfinderischen Kopfes, und in eben dem Augenblicke, da er den Mund auftat, seinen Schülern die hohen Vorzüge und den mannigfaltigen Gebrauch, dieser Kunst anzupreisen, flog ein Pfeil von Zieltreffers Bogen ihm in den geöffneten Mund, und Mann und Kunst waren miteinander zugleich tot.
Nun wollte es doch dem Tyrannen selbst zuletzt an die Kehle gehen, und er berief einen alten schlauen Sterndeuter zu sich, der einzig und allein seinen geheimen Rat ausmachte. Dickstab dachte, ein einziger guter Kopf sei besser, als hundert hirnlose. Er setzte demselben Alles auseinander, was geschehen war und was zu besorgen stand.
Der Sterndeuter antwortete: „Ich weiß bereits Alles und habe an Abhülfe gedacht. Die seltsamen Kräfte dieser Menschen sind magisch, und können nur durch recht kleine Mittel entkräftet werden, die um so besser sind, je natürlicher sie sind. Gegen Immerschlafs Gelärm ist Baumwolle in den Ohren recht gut. Blasefeuern muss man ins Maul spritzen, um sein Feuer auszulöschen. Schauescharfs Talent kann in der Nähe nichts mehr schaden; Zieltreffers Pfeil geht nicht durch Stahl; der Läufer Spalteluft ist wenig schädlich und kann leicht aufgefangen werden; Greifwolkens Kunst hängt an einen Faden, den man zerschneiden kann; Trinkaus ist gar nicht zu fürchten, wo es nichts zu saufen gibt, und eben so wenig Weitmacher und Starkbuckel, die Beide nur zum Gepäcke gehören. Aber zu fürchten ist Felsschneider mit seinem Sonnenschwert – ein gräulicher Mensch, der niemals Gutes getan hat, weil die Gestirne ihm übel mitgespielt haben. Er würde selbst deine Keule von Erz zerhauen. Das soll ihm aber nichts helfen, denn ich kenne das Mittel ihn zu Schanden zu machen, wenn du mit deinen Leuten dich nach meiner Angabe bewaffnen und mir folgen willst.“
„Das versteht sich, sagte Dickstab; lass Alles einrichten, wie es dir gut scheint; ich billige es, wie seltsam es auch aussehen möge.“
In wenigen Tagen war Dickstabs Armee, aus dreihundert Mann bestehend, in Stand gesetzt; und da Alles fertig ist, lassen sich diese in Körben aus der Festung herunter. Sie waren allesamt in Stahl geharnischt und stellen sich in drei Reihen auf, Dickstab als Anführer voran.
Schauescharf berichtet Alles und sagt aus, dass Dickstab mit einem Dinge behelmt sei, das wie ein Küchentopf aussähe, und sein Schild sei fünf Finger dick. Felsschneider freut sich den Feind in der Ebene zu haben, und beide Heere stehen einander bald nahe genug entgegen. Dickstabs Leute im ersten Gliede haben blanke Schwerter; im andern Gliede sind sie mit Scheren, im dritten mit Spritzen bewaffnet.
„Als sie einander nahe genug sind, hält Felsschneider erst nach Art der uralten Helden eine Anrede an den König Dickstab, worin er ihn des Küchentopfs wegen, mit vieler Höflichkeit einen Prinzen der Küchenjungen nennt, und ihn auffordert den ersten Streich zu führen.“ Dickstab nennt seinen Gegner einen Fleischerjungen und Straßenräuber, lehnt großmütig die Ehre des ersten Streichs ab, und fordert ihn auf selbst denselben zu wagen. Dazu lässt sich Felsschneider nicht zweimal auffordern, holt aus und führt einen gewaltigen Hieb auf den Kopf; aber der Hieb prallt so entsetzlich von dem Topfhelm ab, dass des Generals Faust heftig erschüttert wird. Er führt den zweiten Hieb gegen das Schild, und die Klinge des Sonnenschwertes zerspringt. Felsschneider sieht, dass er auf einen hohlen Kürbis und auf ein Schild von Käse gehauen hat. Nun soll Blasefeuer helfen, aber alle Spritzen sind auf seinen Mund gerichtet; sein Feuer erlöscht und er gibt bloß einen erstickenden Dampf von sich. Zieltreffers Pfeile knicken an den Stahlharnischen ab; Greifwolke hat ein ganzes Heer von Wolken mit Hagel zusammen geballt, aber man schneidet den Faden seines Knäuels entzwei, und der Hagel stürzt in großen Maßen auf des Generals Leute herab. Nun soll Immerschlaf helfen, und macht auch ein furchtbares Gelärm, aber der Feind mit der Baumwolle in den Ohren höret wenig davon, aber Felsschneiders Leute ergreifen vor Schrecken die Flucht. Er selbst wird umzingelt, und fällt unter einigen Keulenstreichen Dickstabs; Blasefeuer erstickt in seinem eigenen Rauche; Immerschlafs Bauch platzte vor großer Anstrengung; die Übrigen aber kamen alle wohlbehalten davon; am ersten Spalteluft, der die schnellsten Füße hatte.
Comments are closed