Märchen aus Georgien
Einst begegneten sich ein Bär, ein Wolf und ein Fuchs. Sie grüßten einander und klagten sich ihr Leid, wie das Leben doch so schwer sei, vor allem, wie schlimm es sei, oft tagelang mit knurrendem Magen herumzulaufen. Sie beweinten gemeinsam ihr Los und schlossen dann Brüderschaft. Sie schworen sich, von nun an alles brüderlich zuteilen, was sie in Zukunft auch erbeuten sollten. Gemeinsam zogen sie auf Fang aus und schnüffelten überall herum, ob es nicht irgendwas zu fressen gäbe.
Nach langem Suchen fanden sie ein krankes Reh, das sie leicht erbeuten konnten. Im Schatten wollten sie nun die Beute brüderlich teilen. Dem Wolf knirschten vor Hunger schon die Zähne. „Teile du!“ sagte der Bär zum Wolf. „Den Kopf kriegst du“, sagte da der Wolf zum Bären, „denn du bist unser Herr und Meister, den Rumpf nehme ich mir, und die Beine kriegt der Fuchs, der so viel auf den Beinen ist.“
Der Wolf kam mit diesem Satz gar nicht zu Ende, denn der Bär hieb ihm mit der Tatze derart auf den Kopf, dass es von den Bergen widerhallte. Der Wolf brüllte auf und sprang mit einem Riesensatz in die Büsche. Da drehte sich der Bär zum Fuchs um und sagte: „So, lieber Fuchs, jetzt darfst du einmal teilen.“ Der schlaue Fuchs tänzelte heran und begann die Teilung mit schmeichelnder Stimme: „Unser Herr und Meister bekomme den Kopf und den Rumpf dazu, weil er immer so väterlich und gütig zu uns ist – und die Beine soll er auch haben, weil er auf allen Wegen stets um unser Wohl besorgt ist.“ Gerührt fragte da der Bär: „Ach, mein gescheites Füchschen, von wem hast du nur so klug und so gerecht zu teilen gelernt?“ „Von dir, Herr und Meister“, flüsterte der Fuchs ihm ins Ohr, „als ich sah, wie du den Wolf belehrtest.“
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