Indianermärchen

Einmal begegneten sich ein Waldwolf und ein Steppenwolf, sie wurden Freunde und beschlossen, miteinander durch das Land zu streifen. Aber gerade in jener Zeit gab es wenig Wild, und beide blieben viele Tage hungrig. Als sie schon ganz schwach waren, kamen sie am Wigwam einer Indianerfamilie vorüber. Drinnen briet man am Feuer eineHirschkeule. » Wir wollen hingehen und die Menschen um Nahrung bitten«, sagten sie zueinander. »Vielleicht werden sie uns töten wollen, aber, wenn wir noch länger ohne Nahrung bleiben, werden wir verhungern.«

Sie schlichen zur Hütte und baten um ein paar Bissen Hirschfleisch.

Die Indianer riefen sie hinein, waren freundlich zu ihnen, und sie durften fressen, so viel sie wollten. Am Morgen sagte der Steppenwolf: »Wir haben hier eine Heimatgefunden. Laß uns bei unseren Freunden bleiben, sie sind gut zu uns.«

Als die Indianer dies hörten, freuten sie sich und fingen an, eine geräumige Hütte für ihre Gäste zu bauen. Als nun alle damit beschäftigt waren, lief der Waldwolf zu allen Hütten und stahl alles Fleisch, das er finden konnte. Er verbarg es in einer Felsspalte und sagte zu seinem Gefährten: »Wir wollen warten, bis es Nacht wird. Dann nehmen wirall dieses Fleisch und laufen damit in die Wälder. Und sobald wir wieder hungrig sind,
können wir zurückkehren und uns wieder Fleisch holen.«

Der Steppenwolf wurde traurig, als er seinen Freund so reden hörte. »Waren nicht die Indianer gut zu uns?« fragte er ihn. »Trage das Fleisch wieder zurück, denn wir dürfen ihre Freundlichkeit nicht mit Undank vergelten.« Der Waldwolf aber verspottete den Steppenwolf.

Der Steppenwolf ging nun betrübt zu den Indianern und erzählte ihnen, was sein Gefährte tun wollte. Die Indianer nahmen ihre Waffen, umringten den Waldwolf und sagten:»Willst du so unsere Gastfreundschaft vergelten? Um deines Freundes willen wollen wir dich am Leben lassen. Fort mit dir, und wage dich nicht mehr in unser Lager!«

Der Waldwolf floh in die Wälder, der Steppenwolf aber blieb bei den Indianern. Sie fütterten ihn, ließen ihn an ihren Feuern schlafen, und er bewachte dafür ihren Wigwam.Und allmählich wurde aus dem Steppenwolf der Hund.

Zwischen dem Waldwolf und den Indianern aber besteht seit jener Zeit Feindschaft.

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