Marion Wolf
Halli-hallo ihr lieben Leute, was sind denn das für Zeiten heute?
Beinah 20 Grad – ist das ein Wetter für Ende November? Da hätt’ ich doch glatt meinen Ruf als grundehrlicher Lügenbaron verwettet, dass der Nikolaus seine Saison verpennt. Aber so weit wollte ich es gar nicht kommen lassen. Wozu bin ich sonst unsterblich geworden? Fragte sich bloß, wie ich auf die Schnelle zu ihm fände…
Kein Problem dank moderner Technik:
Sofort schwang ich mich in meinen rasanten Sportwagen, düste zu einem Aktionskünstler und ließ mich – einen Gleitschirm auf dem Rücken – per Hyper-Laser in die Luft beamen. Oben öffnete ich die selbst aufblasenden Ventile meines Astronauten-Anzugs, hüpfte vom Laserstrahl und glitt auf eine Schneewolke. Die Luftschichten meiner Spezialbekleidung hielten mich nicht nur warm, sie ließen mich auf dem weißen Puder schwimmen wie ein Luftkissenboot. Mit meinem Laserfernrohr
schmolz ich nun ein Loch durch die Schneedecke und beobachtete die Erde. Als ich den Berg mit der Nikolaushütte gewahrte, hechtete ich durch mein Guckloch und schoss pfeilgerade hinunter.
900m über dem Landeplatz entfaltete ich den Gleitschirm und landete sanft auf einer Rentierweide. Um die Nikolaus-Hütte herum lag ewiger Schnee: Über dem Erker der Essküche erhob sich ein schmaler Glockenturm, in dem eine Schnee-Eule saß
und unentwegt die Welt im Tale durch ein Riesenfernrohr beobachtete. Aber dort unten grünte es, als wenn noch September wäre. Ich rief hinauf, aber das Tier schien taub. Kurzerhand bewarf ich das Ende des Fernrohres mit Schnee aus meiner Wolke – und schon kam Bewegung in das Federkleid.
Die Eule schlug mit den Flügeln, packte das über ihrem Kopf hängende Seil mit dem Krummschnabel und zog daran. Die Glocke läutete, der Himmel öffnete sich, herab schwebte eine Engels- Schar in goldgesäumten Kleidern. In der Hütte knarzte der Boden, ein Licht wurde entfacht und der Nikolaus schaute erstaunt aus dem Fenster: Dort stand ich und winkte ihm zu.
Erstaunt öffnete er die Tür und sah mich an. Ich stieg aus meinem Raumanzug und brachte noch gleich einen Arm Brennholz mit, das vor der Hütte aufgestapelt war, ehe ich eintrat.
Der Nikolaus war überaus dankbar für mein Kommen. Kaum prasselte das Feuer im Kamin, schlüpften auch schon die Engel zur Tür herein und schürten den Herd in der Küche. Während die himmlische Heerschar Plätzchen buk, saßen wir beim Glühwein in der guten Stube. „Gut, dass du uns geweckt hast“, überlegte Nikolaus, aber es wird schwer werden, mit dem Schlitten voran zu kommen, wenn unten kein Schnee liegt.“ „Das Problem lösen wir morgen“ entgegnete ich, denn gerade kam das allerkleinste Engelchen zur Tür herein mit einer Schale Plätzchenbruch, die wir uns munden ließen.
Die Nacht verbrachte ich auf der Ofenbank in der guten Stube. Im Traum kam mir dann eine Idee, die ich sofort ausführte: Noch bevor der Morgen graute, trugen mich vier Engel am Gleitschirm zurück in die himmlischen Sphären. Über der Burg von Frau Holle ließen sie los und ich schwebte stracks in ihren Garten. Dort schüttelte ich den ächzenden Apfelbaum, holte das knusprige Brot aus dem Ofen und klingelte, den Obstkorb auf dem Kopf und die Palette über der Schulter, am Tor. Die alte Zauberin wunderte sich nicht schlecht, plötzlich Besuch von einem so stattlichen Kerl, wie mir, zu bekommen. Während ich die Betten schüttelte, dass es nur so stob, schmierte sie Butterstullen, machte Bratäpfel mit Mandeln, Zimt und Rumrosinen und kochte kräftigen Ostfriesentee, den sie mit Klunkern und Sahne servierte.
Gesättigt und ausgeruht verabschiedete ich mich und als ich durchs Tor ging, regnete es goldenes Lametta. Das hab ich mitgebracht, um den Weihnachtsbaum am Christkindles-Markt zu schmücken.
Der Nikolaus hat dank meiner nun einen vollen Schlitten und genügend Schnee, um demnächst vorbei zu kommen.
Und wer’s nicht glaubt, dem fliegen auch keine Bratwürste in den Mund.
© Marion Wolf http://dichterseele.beepworld.de
Marion Wolf, Birkenstraße 11, 26524 Berumbur, 04936-917347
Comments are closed