Anna Bethe-Kuhn
Der alte König war gestorben. Die Kammerherren streiften schwarzen Flor über ihre buntseidenen Ärmelpuffen, und die Damen drückten die Spitzentüchlein an die Augen, vor Kummer darüber, dass nun der Hofball nicht stattfinden konnte, der zum kommenden Tag angesagt worden war.
Im Krönungssaal stand der Thronsessel; er war schneeweiß und hatte vergoldete Füße, und über seine Rückenlehne herab hing der Purpurmantel mit dem Hermelinfutter; den sollte der junge Prinz umgelegt bekommen. Der Hofmarschall hielt die Krone zwischen den gespreizten Fingern und fuchtelte mit dem Zepter durch die Luft. Das war ja ein netter Regierungsantritt! Läufer liefen unablässig die Marmortreppen des Schlosses hinauf und herunter; aber der junge Prinz war nirgends zu finden.
Durch den Schlosshof schritt pfeifend der Hüterjunge. »Hier könnt ihr lange suchen«, lachte er. »Drüben hinterm Walde bei den Moorwiesen liegt der Prinz im Grase und sieht die weißen Wölklein fliegen.
Ja, nun wussten sie es. Am meisten ärgerten sich die Läufer darüber, den jetzt mussten sie in ihren spitzen Schnabelschuhen über den lehmigen Waldboden zu den Moorwiesen laufen. Schon von weitem sahen sie den Prinzen im Schilfgras liegen. Als der die drei Läufer erblickte, stand er auf, klopfte sich die Schilfhalme vom Wams und ging ihnen entgegen. »Ich weiß bereits alles«, sagte er. »Das Klügste wird sein, ich füge mich in das Unvermeidliche. Aber das dürft ihr mir schon glauben: ich hätte lieber mein Lebtag an den Moorwiesen Schweine gehütet, als nach meines Vaters Tod den Thron bestiegen.« Wahrhaftig, das sagte er.
Drinnen im Schlosse bekam der junge Prinz vom Hofmarschall die Krone aufgesetzt. »Das Ding wird mir den Verstand zerquetschen«, sprach er und schüttelte seinen Kopf, dass die Locken flogen. Aber der Hofmarschall ließ keine Einwendungen gelten; er hing dem Prinzen den Purpurmantel um die Schultern und drückte ihm das Zepter in die Hand. Hiermit war die Krönung vollbracht. Der junge König beugte das Haupt unter der Last seiner Krone und ließ den Arm sinken. »Jetzt verstehe ich erst, wie schwer das Regieren ist!« meinte er und seufzte tief.
Allabendlich, wenn die Sonne sich rot im Moorteich spiegelte, warf der junge König Purpurmantel und Zepter beiseite und wanderte einsam durch den grünen Wald zu den Moorwiesen hinaus. Dort legte er sich ins Schilfgras und starrte zum Abendhimmel empor, bis die Sterne glitzerten.
Das ging so eine gute Weile, bis man im Schloss über die sonderbare Gewohnheit des jungen Königs zu reden begann und allerhand schlechtes und unrechtes dahinter vermutete.
Eines schönen Tages zog der Hofmarschall den jungen König beiseite. »Majestät verzeihen,« flüsterte er ihm ins Ohr, »aber so darf es nicht weitergehen. Das Volk murrt; die Regierungsgeschäfte kriechen einen Krebsgang; in unserer Schatzkammer vermag bald ein Blinder die Dukaten zu zählen. Kurz und gut, ich sehe nur einen Ausweg, wie dem abzuhelfen sei: Majestät müssen heiraten!«
Der junge König runzelte die Brauen. Doch so leicht ließ sich der Hofmarschall nicht aus dem Konzept bringen. »Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben dürfte,« fuhr er fort, »so käme da in erster Linie Prinzessin Lilienblatt in Betracht« –
Jetzt wurde es dem jungen König aber zu bunt. »Bleibt mir mit Euren künstlichen Prinzessinnen vom Leibe!« schrie er und stampfte mit dem Fuß auf. »Wenn ich heirate, will ich mir meine Frau selber aussuchen.«
»Wahrhaftig, das fehlte mir gerade noch, zu heiraten!« sagte der junge König als er abends bei den Moorwiesen im Schilfgrase lag. »Lieber spränge ich in den Moorteich, dort, wo er am tiefsten ist. Da weiß man wenigstens, was einem bevorsteht.«
»Hoho, das ist auch eine Ansicht!« quakte es plötzlich neben ihm. Der junge König hob erstaunt den Kopf und sah einen dicken, grünen Frosch im Schilfe sitzen, der ihn mit runden Augen anglotzte und vergnüglich mit dem Kopfe wackelte. »Ihr scheint schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, guter Freund«, sagte der Frosch, und dann lachte er, dass er ordentlich Wasser prustete.
»Ich habe gar keine Erfahrungen gemacht,« erwiderte der junge König, »aber ich verspüre keine Lust, mit einem jener Reifrockgestelle, die ich auf den Hofbällen herumschwenken musste, eine Ehe einzugehen. Das kann niemand verwundern, der Prinzessinnen kennt.«
»Ich kenne sie zwar nicht,« sagte der Frosch, »aber ich kann mir vorstellen, das sie alt und vertrocknet sind. Sie müssten einmal in frisches Wasser gesetzt und ordentlich untergetunkt werden.«
»Das ist ein vortrefflicher Gedanke«, meinte der junge König und lachte.
»Ich habe immer vortreffliche Gedanken,« antwortete der Frosch und blies sich auf, »aber meines Äußeren wegen werden sie nicht beachtet; und zwar nur aus dem Grunde, weil ich so grasgrün bin. Das Grün ist doch nun einmal meine Leibfarbe.«
»Wenn du so vortreffliche Gedanken hast,« sagte der junge König, »so kannst du mir gewiss zu einer Frau verhelfen. Es soll aber keine Froschkönigin sein, sondern ein schönes, warmblütiges Menschenkind. Diese Bedingung stelle ich.«
»Nichts leichter als das«, sagte der Frosch. »Komm heute Nacht, wenn der Vollmond scheint an den Moorteich, da kannst du das holdeste Mädchen der Welt die Enten hüten sehen. Sie ist so hübsch, dass ich eine Zeitlang selber daran dachte, sie zu heiraten. Aber sie vermag sich nicht ordentlich aufzublasen und hat eine melodische Stimme. Mit diesen Mängeln könnte sie nie bei uns zu Hof erscheinen, und darauf sehe ich.«
»Das wäre für mich kein Hinderungsgrund«, sprach der junge König. »Gefällt mir die schöne Entenhüterin ebenso gut wie dir, so soll nichts auf Erden mich daran hindern, sie zur Frau zu nehmen.«
Sobald der Vollmond hinterm Waldrand aufzusteigen begann, zog sich der junge König in seine Gemächer zurück, warf einen schwarzen Mantel um, stülpte die Kapuze über den Kopf und schlich unerkannt durch eine Hinterpforte zum Schloss hinaus. Schon von fern sah er die Moorwiesen im Mondschein glänzen. Irrlichter liefen vor seinen Füßen hin und her und wiesen ihm den Weg.
Da war auch sein Freund, der Frosch. Breitspurig saß er mitten auf der Landstraße und erwartete ihn. »Da bist du ja!« quakte er. »Potz Moorschlamm und Fliegenbein, du scheinst es eilig zu haben!« Und er lachte, bis er sich verschluckte.
»Spare jetzt deine Scherze,« sagte der junge König, dem doch ein wenig ängstlich ums Herz war, »zeige mir lieber diejenige, derentwillen ich durch Nacht und Nebel hier hergekommen bin.«
»Hättest du Augen im Kopfe, hätt’st du sie längst erblickt«, versetzte der Frosch. »Drüben am Teichrand sitzt sie und lässt die Füße ins Wasser hängen. Aber euch Menschenkindern muss man die Nase auf alles stoßen, sonst merkt ihr es nicht.«
Der junge König blickte zum Teichrand hinüber. Da saß ein Mädchen, das hatte ein Gesicht weißer als die Mondstrahlen, Augen dunkelblauer als der Nachthimmel und Haare goldgelber und weicher als der zarteste Entenflaum.
»Sie ist wirklich wunderschön«, sagte der junge König, der keinen Blick von dem Mädchen wenden konnte. »Ich gäbe mein Königreich darum, wenn sie meine Frau werden wollte.«
»Das Königreich kannst du ruhig behalten,« sagte der Frosch, das wird sie nicht genieren. Aber zu ihr hinüberhüpfen laß uns, eh‘ es zu spät wird; denn Glockenschlag Eins muss die schöne Entenhüterin wieder nach Hause.«
Sie gingen nun zusammen um den Moorteich herum zu dem Platze, wo das Mädchen saß. Das stieß beim Anblick der beiden einen leisen Schrei aus und zog sein aufgeschürtzes Gewand so tief hinab, das der Saum das Wasser berührte.
»Schönen guten Abend mein Fräulein«, quakte der Frosch. »Hier bringe ich Euch einen Freund, der ein waschechter Prinz und König ist und Euch zur Frau haben möchte.«
Das schöne Mädchen betrachtete den jungen König und senkte verwirrt die nachthimmelblauen Augen zu Boden. »Das kann Euer Ernst nicht sein«, sprach es zum Frosch. »Wer sollte künftig bei Vollmond meine Enten hüten?«
»Ausflüchte – Ausflüchte –« quakte der Frosch.
Aber das Mädchen schüttelte traurig den Kopf. »So leid es mir tut, ich kann Euch nicht heiraten«, sagte es zu dem jungen König. Der wollte gerade zu einer Liebeserklärung den Mund öffnen, als ihm der nasse Frosch auf die Hand sprang und ihm einen gelinden Schauer über den Rücken jagte.
»Immer kalt Blut,« beschwichtigte der Frosch den jungen König, »sie wird schon ihre Gründe haben, weshalb sie dich nicht heiraten will.« Und er drängte zum Aufbruch. Schweren Herzens nahm der junge König von der Schönen Abschied. »Grün ist die Hoffnung«, sprach er seufzend zum Frosch, als sie zusammen um den Moorteich herumgingen. »Grün ist meine Leibfarbe«, quakte der Frosch und lachte, dass es gluckste. Plantsch! da sprang er mit einem Satz in den Moorteich hinein und ließ den armen jungen König am Ufer stehen. Ja, nun wusste er so viel wie vorher.
Von dieser Stunde an wurde es mit seiner Traurigkeit noch schlimmer. Zwar wanderte er nicht mehr allabendlich zu den Moorwiesen hinaus, allein in jeder Vollmondnacht erhob er sich von seinem Lager, kleidete sich an und schlich heimlich zum Moorteich. Der Moorteich aber lag schwarz und reglos, und der Platz auf dem die Schöne ihre Enten gehütet hatte, war leer. Nicht einmal der Frosch ließ sich mehr sehen. Nur manchmal wollte es dem jungen König scheinen, als höre er aus der schwärzlichen Tiefe heraus ein schadenfrohes Quaken. Doch das konnte auch eine Täuschung sein. Und bleich und verhärmt kehrte er ins Schloss zurück.
Eines Tages zog der Hofmarschall den jungen König wieder beiseite. »Majestät,« sprach er, »Majestät ertragen die Einsamkeit nicht. Ich erlaube mir nochmals zu wiederholen: Majestät sollten heiraten!«
Diesmal stampfte der junge König nicht mit dem Fuß auf; müde und gleichgültig betrachtete er seine Fingerspitzen. »Wenn es sein muss, warum nicht?« sagte er und zuckte die Achseln. Mochten sie mit ihm anfangen, was sie wollten; ihm war alles einerlei.
Der Hofmarschall rieb sich freudestrahlend die Hände. Und schon am nächsten Tag begann in dem stillen Schlosse ein Leben und Treiben, dass es eine Lust war. Droben in den Gemächern häuften sich Samte und Brokate, Gold- und Silberborten, Pelze und wallende Straußenfedern. Und auf den Stühlen ringsherum saßen hundert Schneider, die stichelten mit den Nadeln und klapperten mit den Scheren und nahmen dem jungen König Maß für seine Hochzeitskleider. Das war eine Arbeit!
Endlich hingen Mäntel, Wämse, Hosen und Barette fix und fertig im Schrank. Der Hofmarschall ließ die Hofkutsche bespannen, setzte den jungen König hinein und sich an seine Seite, und fort ratterten sie ins Land hinaus.
Natürlich wurden sie überall mit Freuden und den gebührenden Ehren empfangen. Sämtliche Prinzessinnen der Welt waren mit Vergnügen bereit, die Frau des hübschen jungen Königs zu werden. Aber was den jungen König betraf, so konnte er zu keiner von ihnen ein Herz fassen. Unwillkürlich verglich er die Blonden und Schwarzen, Großen und Kleinen, Dicken und Dünnen, Klugen und Dummen mit seiner schönen Entenhüterin. Und den Vergleich konnten sie alle nicht aushalten.
Schließlich hatten die beiden alle Königsschlösser der Welt besucht bis auf eins. Das lag auf einem verrufenen Erlenhügel und gehörte einem mächtigen alten König, von dem man sich die seltsamsten Dinge erzählte. Auch der Hofmarschall wusste davon zu berichten. So sollte des alten Königs Mutter böse Künste getrieben haben, und was schlimmer war als das: über die Herkunft der frühverstorbenen Königin gingen allerhand dunkle Gerüchte um. Ja manche Leute behaupteten steif und fest, dass sie nichts weiter gewesen wäre als eine ganz gewöhnliche Gänsemagd! Der Hofmarschall schauderte bei dem bloßen Gedanken, dass der junge König dieses Schloss besuchen könnte.
Der aber rieb sich schadenfroh die Hände. »Nun gerade!« sagte er. Und dann klopfte er an das Kutschenfenster und befahl dem Kutscher, schnurstracks zu diesem Schlosse hinzufahren. Das machte ihm einmal ganz besonderen Spaß.
Der alte König empfing ihn in höchsteigener Person auf der Treppe. »Große Ehre!« sagte er und tätschelte dem jungen König die glatten Wangen. Auf Etikette gab er nicht viel.
Er geleitete seine beiden Gäste in den Thronsaal und bat sie, Platz zu nehmen; sodann schickte er einen kleinen Pagen, der gerade mit Abbürsten des Thronsessels beschäftigt war, hinauf, seine Tochter zu holen.
»Ich glaube wohl, dass sie Euch gefallen wird«, sagte der alte König zum jungen. Da ging auch schon die Tür auf, und herein trat niemand anders als – die schöne Entenhüterin selber! Ihr Gesicht war weißer als die Mondstrahlen, ihre Augen dunkelblauer als der Nachthimmel und ihre Haare goldgelber und weicher als der zarteste Entenflaum. Sie trug ein hellfarben Schleppgewand und schritt leicht wiegenden Ganges auf den alten König zu. »Ihr habt befohlen, Vater«; sprach sie und küsste des Alten Hand.
Der alte König strich ihr wohlgefällig über das goldgelbe Haar. »Hier ist einer, der dich zur Frau haben möchte«, sagte er und wies auf den jungen König, der vor Freude und Schreck abwechselnd rot und blass wurde.
Das Mädchen blickte den jungen König an, verfärbte sich und barg sein Antlitz in den Händen.
»Seid ohne Sorge,« sagte der alte König zum jungen, »sie ist noch etwas schüchtern.« Da senkte die schöne Entenhüterin den Kopf und ging langsam wieder zur Tür hinaus; und ihr hellfarben Gewand schleppte rauschend hinterdrein.
»Ich sehe, Ihr liebt sie,« sprach der alte König zum jungen, »und da Ihr ein angenehmer junger Mann seid, gegen den nichts einzuwenden ist, will ich sie Euch zur Frau geben.«
Nun wurde der Hofküchenmeister herbeigerufen und ihm befohlen, das Verlobungsmahl herzurichten. In weniger als einer Viertelstunde war die Tafel bereit, und die leckersten Bratengerüche erfüllten die Luft. Und siehe! Kaum hatte man den letzten Stuhl an den Tisch gerückt, als sich auch schon die Türen öffneten und Kavaliere und Damen erschienen. Sie machten dem alten König ihre Reverenz, gratulierten und nahmen in feierlichem Zuge ihre Plätze an der Tafel ein.
Und wiederum tat sich die Tür auf, und die schöne Königstochter trat in den Saal. Sie war ganz in weiße Seide gekleidet, aber ihr Angesicht war tausendmal weißer als die Seide, und in ihren Augen standen Tränen. Sie setzte sich an des jungen Königs Seite und sprach kein Wort. Der arme junge König wusste zuletzt gar nicht mehr, was er denken sollte.
Als das Mahl zu Ende ging, erhob sich die schöne Königstochter und verschwand. Der alte König schlug seinen Gästen zum Nachtisch ein Würfelspiel vor. Aber der junge König dankte. Er wolle lieber im Garten spazieren gehen, meinte er. Ihm war nicht nach Würfelspielen zumute.
Er schritt die Marmorstufen zum Garten hinunter und wanderte zwischen den Buchsbaumhecken auf und nieder. Rechts und links vom Weg saßen bunte Papageien auf silbernen Stangen, die hackten mit den Schnäbeln nach ihm und lachten ihn aus. Der junge König drehte den boshaften Vögeln den Rücken, verließ den Garten und wanderte in den nahen Wald.
Da war es kühl und still. Die Tannen rauschten über seinem Haupt, und murmelnde Wässerlein sickerten zwischen Buschwerk und Farnen dahin. Der junge König legte sich ins Moos, stützte den Kopf in die Hände und träumte. Weil er aber traurig und müde war, dauerte es nicht lange, da war er eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte, stand der Vollmond am Himmel und leuchtete ihm ins Gesicht. Da erschrak er, denn er merkte, dass er eine gute Weile hier gelegen haben musste und dass sie ihn im Schloss wohl vermisst haben mochten. Er stand eilig auf, schüttelte Zweiglein und Moos von seinen Kleidern und trat den Rückweg an. Weil er aber noch nie zuvor in dieser Gegend gewesen war, konnte er den Weg nicht wieder finden, sondern geriet immer tiefer in den Wald hinein. Endlich sah er durch die Bäume eine Lichtung schimmern; er wand sich zwischen Hecken und Gestrüpp hindurch und gelangte zu einem Weiher, der inmitten des Waldes lag und im Mondschein wie Silber glänzte.
Wie er nun so am Ufer stand, hörte er plötzlich Flügel über sich rauschen. Er hob den Kopf und sah eine Schar wilder Enten, die flog geradewegs über ihn hin und mitten in den Weiher hinein. Und siehe! Es dauerte nicht lange, da trat aus dem Baumdickicht die schöne Entenhüterin hervor, setzte sich auf einen Stein an des Weihers Rand und ließ die Füße ins Wasser hängen.
»Schnatter – Schnatter«, sagten die wilden Enten, schwammen auf die Prinzessin zu und rieben die Schnäbel an ihrem Gewand.
Die Prinzessin streichelte mit ihren weißen Händen der wilden Vögel Gefieder. »Ach meine lieben Enten,« sprach sie, »ich bin sehr unglücklich!« Und sie seufzte.
Die Enten drängten sich dicht an sie heran. »Was hast du – was hast du?« fragten sie und steckten die Köpfe zusammen.
»Mein Vater will, dass ich die Frau des jungen Königs werde«; klagte die Prinzessin. »Aber wie kann ich die Frau des schönen jungen Königs werden, da ich doch Entenfüße habe?« Und bei diesen Worten fing die Prinzessin an bitterlich zu weinen.
Die Enten schlugen mit den Flügeln. »Das ist gerade das Allerhübscheste an dir«, schnatterten sie und sträubten die Federn. Aber die Prinzessin schüttelte trübselig den Kopf. »Ja, das findet ihr«, sagte sie, »aber wüsste der junge König um mein Gebrechen, er würde mich auf der Stelle verstoßen.« Bei diesen Worten erhob sich die Prinzessin von ihrem Sitz und watschelte mit richtigen gelben Entenfüßen ein Stück Wegs am Ufer lang und gerade auf den Baum zu, hinter welchem der junge König stand.
Der jedoch sprang geschwinde aus seinem Versteck hervor und warf sich der erschrockenen Jungfrau zu Füßen. »Ich habe alles gehört,« sprach er, »und wenn’s weiter nichts ist, so könnt ihr ruhig meine Frau werden. Denn ich liebe Euch noch ebenso wie vorher.«
Da fiel die schöne Prinzessin dem jungen König um den Hals und küsste ihn mitten auf den Mund. »Ich danke dir«, sagte sie und war sehr glücklich. Und dann gingen sie zusammen zu dem alten König.
Der alte König schmunzelte, als er die beiden so glückstrahlend miteinander daherkommen sah. »Ich dachte mir wohl, dass sie nicht reinen Mund halten könnte,« sprach er. »Aber weil ihr es nun doch einmal wisst, dass sie Entenfüße hat, so will ich Euch auch erzählen, wie sie dazu gekommen ist.
Die hat sie niemand anders zu verdanken als ihrer leibhaftigen Großmutter. Und das ging nämlich folgendermaßen zu: Als vor Zeiten mein alter Vater starb und die Reihe an mich kam, mir eine Königin zu nehmen, da wählte ich zum Zorn meiner Mutter ein Mädchen, das zwar schön wie der Tag war, aber auf meines Vaters Meierei die Enten hütete. Meine Mutter, die das arme Mädchen um seines niederen Standes willen hasste, gab uns die Verwünschung in die Ehe mit, dass unsere Kinder dereinst mit Entenfüßen zur Welt kommen und darauf herumwatscheln sollten.
Die junge Königin starb vor Gram, als sie beim Anblick ihres ersten Kindleins gewahrte, dass der böse Wunsch in Erfüllung gegangen war. Das Kindlein jedoch wuchs heran, ward eine schöne Prinzessin und trug von klein auf Schleppkleider, damit die boshaften Menschen nicht sehen sollten, was darunter steckte. Das ist die ganze Geschichte. Auf dass Ihr mir jedoch keinen Hass gegen die verstorbene Urschwieger hegt, will ich Euch morgen zu Eurem Hochzeitsfest ein Geschenk aus deren Nachlass machen. So unscheinbar es aussieht, hat es doch seinen Wert und wird Euch und Eurem Volke von großem Nutzen sein.«
Alsbald wurden die Einladungen verschickt. »Vergesst auch nicht den Frosch vom Moorteich zu bitten,« mahnte der junge König seine Braut, »denn, wäre er nicht gewesen, wer weiß, ob ich je Eure Bekanntschaft gemacht hätte!«
»Seid unbesorgt,« antwortete sie, »er soll nicht nur eingeladen werden, sondern auch den Ehrenplatz an meiner rechten Seite erhalten.«
Und richtig fuhr den anderen Tag die königliche Prunkkarosse zuallererst beim Moorteich vor, um den Frosch abzuholen. »Eigentlich hüpfte ich rascher zu Fuß hinüber,« quakte der Frosch, »aber der schönen Entenhüterin zuliebe will ich meinetwegen in der Staatskutsche Platz nehmen, wenngleich ich ungern auf dem Trocknen sitze.« Und platsch! sprang er quatschnaß, wie er war, auf die samtenen Wagenpolster.
»Meinen besten Glückwunsch!« quakte der Frosch, als der junge König ihn am Wagen empfing. »Du bekommst eine Prinzessin, die hübsch ist, das Wasser nicht scheut und schwimmen kann; du hast allen Grund zufrieden zu sein..«
Ja, den hatte er auch.
Wie nun alle an der Hochzeitstafel versammelt saßen, reichte der alte König dem Bräutigam ein elfenbeinernes Kästchen über den Tisch hinüber. Der Junge König öffnete es und fand darin zu seinem Erstaunen nichts anderes als eine ganz gewöhnliche Hornbrille. Neugierig zog er sie heraus und setzte sie auf die Nase.
Himmel, welche Sonderbarkeiten musste er da erblicken! Die ganze Hochzeitsgesellschaft war mit einem Schlage verändert, und zwar durchaus nicht zu ihrem Vorteile! Drüben bei seinem Hofmarschall fing es an. Dem baumelte ein Fuchsschwanz hinten zum Rockschoß heraus, und in seinen Taschen steckten sämtliche Kronschätze des Reiches. Des Marschalls Nachbarin zur Linken hatte Krallen an den zierlichen Fingern, und der zur rechten züngelte eine Schlange aus dem Munde. Viele von den Kavalieren trugen Strohköpfe, andere wieder statt des Menschenherzens ein Hasenherz, einen Mühlstein oder ein Stück Torfmoor unter der Weste.
Nur des jungen Königs Braut war unverändert geblieben, und wenn auch ihre gelben Entenfüße durch das Atlaskleid hindurch schimmerten, ihr Herz in der Brust war weiß wie Schnee und klar wie Bergkristall.
Da Schloss der junge König die Prinzessin in seine Arme und freute sich sehr, dass sie weiter nichts hatte als Entenfüße. Seinem Hofmarschall aber ließ er sogleich die Taschen leeren und jagte ihn aus dem Königreich hinaus. Bloß den Fuchsschwanz musste er ihm lassen, denn der war festgewachsen.
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