Märchen aus der Türkei

Drei Jünglinge waren einmal Freunde. Einer von ihnen war Zimmermann, der andere Schneider und der dritte Ackerknecht. Sie sparten, was sie tagsüber verdient hatten, und legten es zusammen. Eines Tages gingen sie in eine ferne Stadt. Dort mieteten sie ein Haus. Der Schneider und der Zimmermann fanden schnell Arbeit. Aber der Ackerknecht blieb arbeitslos. Nach einigen Tagen begann er den beiden anderen zur Last zu fallen.

Der Ackerknecht füllte einmal das Wassergefäß und brachte es nach Hause. Sie hatten aber dieTür verriegelt. Er klopft. Wie sehr er auch ruft, seine Freunde geben keinen Laut von sich. Da wird dem Ackerknecht klar, dass sie es gemacht haben, um ihn loszuwerden. So geht er zum Markt und beginnt in Gedanken versunken umherzuwandeln. Als ein Bäcker ihn sieht, fragt er ihn:

„Mein Sohn, woher kommst du? Was für eine Arbeit tust du?“

Nun erzählt der Jüngling, was seine Freunde ihm angetan haben und dass er jetzt ohne Geld und Mittel umhergehe und im Freien übernachte. Daraufhin nahm ihn der Bäcker als Gehilfen. So begann er im Laden zu übernachten und bei dem Bäcker zu arbeiten. An einem Tag im Jahr pflegten die Jünglinge dieses Dorfes im Bach zu fischen. Der Jüngling bat seinen Meister um die Erlaubnis, mit ihnen fischen zu gehen, und ging zum Bach. Mit den Worten: „Das ist für den Meister!“ warf er die Angel aus. Auf einmal fing er einen etwa zehn Okka schweren Fisch. Als das ein Jude sah, rief er dem Jüngling zu: „Komm, verkauf mir diesen Fisch!“

Aber der Jüngling entgegnete: „Die Angel habe ich für meinen Meister ausgeworfen. Daher will ich ihm den Fisch bringen“, und machte sich auf den Weg zum Laden.

Der Jude lief ihm nach und bestand beharrlich darauf: „Ich will dir tausend Goldstücke für den Fisch geben.“ Aber der Jüngling drehte sich nicht um und blickte ihm nicht ins Gesicht.

Nun, der Jüngling kam zum Laden und zeigte seinem Meister den Fisch. Der sagte: „Geh und wasch ihn!“

Der Jüngling ging nun zum Ufer des Baches und öffnete den Leib des Fisches. Da kam eine kleine goldene Schale aus dem Innern zum Vorschein. Als der Jüngling Wasser darauf goss, um den Schmutz, der sich in der Schale befand, zu waschen – was sollte er da sehen? – das Wasser wurde zu Gold. Sogleich steckte er die Schale in seine Tasche. Nachdem er nun in aller Eile den Fisch gereinigt hatte, ging er geradenwegs zum Laden. Alles, was im Laden an Trinkgläsern und Bechern vorhanden war, füllte er an jenem Abend mit Wasser, berührte alles mit der Schale und alle Platten, Kessel und Kisten waren mit Gold gefüllt. Am folgenden Tag sagte er zu seinem Meister: „Gib mir nun die Erlaubnis. Ich möchte in die Stadt des Padischahs gehen.“

Darauf sagte der Meister:

„Mein Sohn, habe ich dich denn so sehr beansprucht? Habe ich dich nicht in Ruhe gelassen? Weshalb willst du denn nicht bleiben?“

Der Jüngling hörte aber nicht darauf und verließ den Laden. Als er gegangen war, schaute sein Meister in die Schubladen und Kisten: alles war voll mit Gold.

Der Jüngling war also fortgegangen. In der Stadt des Padischahs hatte er ein großes Schloss errichten lassen und begonnen, in Freude zu leben.

Eines Tages hatte der Jüngling Lust, in dem Rosengarten der Tochter des Padischahs spazieren zu gehen. In Begleitung von drei Freunden trat er in den Garten. Während sie an dem Wasserbecken saßen, da sah ihn die Königstochter, die mit ihren Dienerinnen dort lustwandelte. Da ruft und schreit sie und beginnt, mit diesen zu schimpfen; er nimmt nun mit seiner Schale eine Schale Wasser aus dem Becken, spritzt es über das Mädchen, so dass Gold über den Boden gestreut wird, da jagt das Mädchen die Dienerinnen, der Jüngling seine Kameraden fort. Wie sie nun allein sind, fragt das Mädchen den Jüngling nach der Schale, die Wasser zu Gold macht, und nach dem Talisman. Der Jüngling gibt zur Antwort:

„Wenn du dich mir hingibst, will ich es dir sagen!“ Nun, kurz und gut, das Mädchen gibt sich hin. Darauf gibt er ihr die Schale. Der Jüngling kehrt zum Schloss zurück. Dort ist das Geld in kurzer Zeit vollständig aufgebraucht. So verkauft er sein Schloss, auch das Geld bringt er durch. Der Arme ist nun ganz ohne Geld.

Kurze Zeit darauf wird die Schwangerschaft des Mädchens offenbar. Der Padischah ist rasend vor Wut und befiehlt: „Ich will ihr blutiges Hemd sehen.“

Da überlegen die Leute des Schlosses, wer das Mädchen töten solle. Man meint: Wenn überhaupt jemand es tötet, kann es der Hodscha des Padischahs sein.

Der Hodscha bringt nun das Mädchen zum Ufer des Meeres.

Dort fleht das Mädchen den Hodscha an:

„Da du mich nun töten wirst, will ich noch zwei Gebetsübungen verrichten. Dann töte mich!“

Während der Hodscha die Gebetsübung verrichtet, schüttet das Mädchen mit der Schale einen Haufen Gold am Ufer des Meeres aus. Als der Hodscha das Gebet beendet hat und die Goldmassen sieht, ist er erstaunt. Da sagt das Mädchen:

„Hodscha, töte mich nicht! Dann gebe ich dir alles dieses Gold. Wir wollen eine Schildkröte töten und mein Hemd in ihr Blut tauchen. Du sollst zu meinem Vater gehen und es ihm zeigen: Das ist das blutige Hemd der Tochter!“

Damit war der Hodscha einverstanden. Sie finden eine
Schildkröte, töten sie und tauchen das Hemd des Mädchens in
ihr Blut. Mit dem Hemd geht der Hodscha zum Palast.

Das Mädchen beginnt nun am Meeresufer umherzugehen.

Während es überall umherschaut, sieht es, dass aus der Ferne ein Reiter mit vollem Galopp herangeritten kommt. Dieser Reiter war der berühmte Arnavut Aga. Als er das Mädchen gesehen hatte, dachte er:

„Da haben wir Glück gehabt“, und als er zu ihm gekommen war, fragte er: „Wer bist du? Was machst du hier?“

Das Mädchen erzählte ihm, was es erlebt hatte. Darauf sagte der Arnavut: „Ich nehme dich zu mir.“ Das Mädchen antwortete: „Ja, einverstanden, aber wasche dich erst eine Stunde im Meer!“

Der Arnavut geht zum Meer, und als er sich ausgezogen hat, zieht das Mädchen seine Kleider an, steigt auf sein Pferd und flieht davon.

Nach langem Ritt kommt sie in eine Stadt und steigt in einer Herberge ab. Die Bediensteten dieser Herberge erweisen dem Arnavut Aga immer große Ehrerbietung; sie nehmen das Pferd und weisen dem Mädchen ein Zimmer an. Das Mädchen lässt ein Bild von sich anfertigen und es an die Tür der Herberge hängen. Davor stellt es einen Wächter, dem es die Weisung gibt:

„Wenn einer hier vorübergeht, das Bild anschaut und seufzt, den halte fest, bring ihn zu einem Zimmer und erweise ihm Ehren!“

Da die Zeit der Geburt herangekommen war, geht es zum Haus einer Hebamme und gibt ihr viel Geld, wobei es ihr einschärft, keinem sein Geheimnis zu verraten. Für das Kind bestellt sie eine Milchamme. Es selbst kehrt am Abend wieder in die Herberge zurück.

In der Zwischenzeit hatte der Padischah sich Wanderkleidung angelegt und wanderte hier und dort durch die Gegend. Als er vor der Haustür dieses Bild, das seiner Tochter sehr ähnlich war, gesehen hat, tut er einen tiefen Seufzer. Man ergreift ihn und bringt ihn in ein Zimmer.

Später kommt auch der Ackerknecht, der erste Liebhaber des Mädchens. Als er das Bild sieht, seufzt er und man bringt auch ihn auf ein Zimmer, und dann auch den Arnavut.

Das Mädchen lässt zunächst den zuerst Gekommenen rufen und fragt ihn, weshalb er geseufzt habe. Der antwortet, dass er seinerzeit seine Tochter habe töten lassen und dass er, weil dieses Bild seiner Tochter ähnlich sei, geseufzt habe. Das Mädchen holt die Schale und zeigt dem Padischah ihre Wunderkraft. Wie nun der Padischah die Schale von ihr wünscht, sagt
sie: „Wenn du dich mir hingibst, gebe ich sie dir.“ Da dachte der Padischah bei sich:

„Woher sollen die Leute wissen, dass ich ein Padischah bin“, und will sich hingeben. Um aber nichts Böses zu tun, eröffnet die Tochter ihrem Vater:

„Ich bin deine Tochter. Da siehst du also! Auch ich habe mich einem für diese Schale hingegeben.“

Der Vater verzeiht seiner Tochter und beide umarmen sich. Darauf lässt die Tochter den Zweitgekommenen rufen und erklärt, dass er der Vater des Kindes sei. Dem Arnavut geben sie viel Geld und dann gehen der Padischah, die Tochter und der Ackerknecht in ihre Heimatstadt. Dort feiern sie vierzig Tage und vierzig Nächte Hochzeit und heiraten. Nun haben sie eine Familie gegründet. Ich komme gerade von ihnen und überbringe ihre Grüße.

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