Märchen aus dem Harz

Es war einmal ein junger Holzhauer, der hieß Zacharias. Dieser ging eines Tages in den Wald an sein Geschäft. Als er nun einen dicken Baum Anhieb, hörte er eine feine, klagende Stimme, die recht bittend klang.

Er hörte auf zu hauen und fragte: »Wo bist du denn? «

Die Stimme antwortete: »Hier im Baum bin ich. Haue nur da oben, wo der weiße Strich am Baum ist, ein Loch hinein. «

Er tat es, und nach einigen Hieben hatte er eine Öffnung im Baume. jetzt sah er, dass es ein hohler Baum war, und bald darauf guckte ein wunderhübsches Mädchengesicht aus dem Loche und lachte ihn recht freundlich an.

Er fragte -. »Wo bist du denn da hineingekommen? «

Da erzählte ihm das Mädchen, es sei von einem Riesen hierher gebracht, und müsse so lange dableiben, bis der Baum umgehauen würde. Der Holzhauer machte nun die Öffnung* so groß, dass das Mädchen herauskommen konnte. Als es nun vor ihm stand, hatte es ein kleines Fläschchen in der Hand und fragte, ob er nicht zu dem Riesen gehen und ihm die Flöte holen wolle, die er ihm gestohlen hätte und ohne die es nicht von der Stelle hier gehen und sein Schloss beziehen könne. Der Riese aber wohne in einer großen Höhle hinter jenem großen Berge und habe die Flöte beständig bei sich, auch wenn er schlafe.

Augenblicklich war der Holzhauer dazu bereit und machte sich mit seiner Axt auf den Weg zu dem Riesen.

Es dauerte nicht lange, so kam er zu einem großen Berg, in dem der Riese hauste. Auch fand er bald die Höhle, vor welcher der Riese, in ein Bärenfell gekleidet, saß. Mit Angst im Herzen ging der Holzhauer auf den Riesen zu und grüßte ihn freundlich. Doch dieser fuhr ärgerlich auf ihn zu und fragte ihn, was so ein Zwerg wie er hier wolle. Der aber sagte, er habe sich hier im Walde verirrt und bitte ihn, ob er wohl nicht diese Nacht bei ihm bleiben dürfe. Darauf wurde der Riese wieder ruhiger und sagte, er könne dableiben, müsse aber das Holz kleinmachen, das vor der Höhle läge. Das tat der junge Mensch denn auch. Darauf wies ihm der Riese einen Winkel in der Höhle an, wo er schlafen sollte. Der Holzhauer legte sich nun hin und tat, als wäre er fest eingeschlafen. Er schlief aber nicht. Als nun der Riese eingeschlafen war, stand der Holzhauer leise auf, nahm seine Axt, schlich sich zu dem Ungeheuer hin und gab ihm einen solchen Schlag auf den Kopf, dass er das Aufstehen vergaß. Dann hackte er ihm den Kopf ab und nahm ihm die Flöte weg, die er auf der Brust unter dem Bärenfell stecken hatte. Danach machte er sich mit seiner Beute wieder auf den Weg zu dem Baum, wo das Mädchen noch immer stand und das Fläschchen in der Hand hielt. Als es ihn sah, freute es sich, und er musste ihm erzählen, wie er die Flöte gekriegt hätte. Da er auch sagte, er habe den Riesen erst totgeschlagen und so die Flöte von seiner Brust genommen, war die Freude des Mädchens unbeschreiblich. Es setzte das Fläschchen auf die Erde, nahm die Flöte und spielte ein wundersames Lied darauf. Mit dem Ende des letzten Tones tat das Fläschchen einen Knall, so laut, dass der Holzhauer bewusstlos zur Erde stürzte.

Beim Erwachen lag Zacharias in einem schönen Garten, und das schöne Mädchen stand vor ihm und trocknete ihm den Schweiß ab, ließ ihn an dem Fläschchen riechen, und dadurch wurde er wieder so gesund, wie er vorher gewesen war.

Dann fasste sie ihn an der Hand und sprach mit lieblicher Stimme: »Du hast mich erlöst, und du sollst von jetzt a n mein Gemahl und Herr dieser Güter sein. «

Daraufhin führte sie ihn in das Schloss, und es wurde Hochzeit gefeiert. So war aus dem armen Holzhauer ein großer und reicher Mann geworden. Und er lebte glücklich mit seiner schönen Frau bis an sein Lebensende.

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