eine Märchenballade von Klaudia Diekmann
Ein gutes Mädchen soll sich regen
und fleißig ihre Arbeit tun,
soll saubermachen, putzen, fegen
und erst des Nachts im Bette ruhn.
Nun gab es einst in einem Städtchen
mit vielen Menschen, brav und schlicht,
ein schönes, aber faules Mädchen,
das mochte solche Sachen nicht.
Vor allem wollte sie nicht spinnen,
ihr war das Spinnhandwerk ein Graus,
sie mochte gar nicht erst beginnen,
sie ruhte sich viel lieber aus.
Und mocht die Mutter sie auch rügen,
das prallte einfach an ihr ab,
sie wollt beileibe sich nicht fügen
und tat entkräftet, matt und schlapp.
Ja, mit der Zeit wurd es noch schlimmer,
da tat sie keinen Handschlag mehr,
sie saß nur unbewegt im Zimmer
und überlegte hin und her.
So wurd die Mutter bitterböse
und schlug sie voller Ungeduld,
und durch das Keifen und Getöse
entstand am Fenster ein Tumult.
Dort hielt sogar die Equipage
der neugierigen Königin,
die, angelockt von dieser Rage
und dem Geschrei, dort gleich erschien.
Sie wollte alles sich besehen
und trat entschlossen in den Flur
und rief entsetzt: „Was ist geschehen?
Was tust du mit dem Mädchen nur?“
Die Mutter konnt ihr doch nicht sagen,
warum sie ihre Tochter schlug!
Sie fing stattdessen an zu klagen,
das Mädchen spinne wie im Flug.
„Sie stürzt mich nochmals ins Verderben,
denn all den Flachs, der nötig ist,
kann ich doch, Arme, nicht erwerben,
so haben wir zuweilen Zwist.
Ja, sie will immerzu nur spinnen,
ihr ist das Spinnhandwerk ein Drang,
nichts anderes will sie beginnen
und spinnt die ganzen Tage lang!“
Die Königin rief ohne Zagen:
„Gib sie mir mit, ich brauche sie!
Ich werd mich sicher nicht beklagen
ob der kuriosen Spinnmanie!
Ich habe schönen Flachs in Mengen,
den muss sie spinnen unbedingt!
Ach, ist doch nicht von all den Klängen
der schönste, wenn das Spinnrad singt?“
Die Mutter wollt nichts mehr erklären,
denn ihre Lüge wog zu schwer,
sie ließ die Königin gewähren
und gab die faule Tochter her.
Das Mädchen stieg in die Karosse
und freute sich an all der Pracht,
doch angekommen in dem Schlosse,
wurd sie zum Werkraum gleich gebracht.
Die Königin sprach zu dem Mädchen:
„Setz dich ans Spinnrad nun schnurstracks
und spinne mir die feinsten Fädchen
aus all dem schönen, fahlen Flachs!
Drei Kammern sind hier vollgeschichtet,
doch mit Geschick und Lust und Fleiß
hast du die Arbeit bald verrichtet,
und dann erhältst du deinen Preis.
Denn hast du deinen Dienst versehen,
kriegst du als Gatten meinen Sohn,
und werd ich einmal von euch gehen,
steigt ihr dann auf den Königsthron.
Bist du auch nicht von blauem Blute,
ist mir dein Fleiß Ersatz genug,
den halt ich dir dafür zugute.
Und nun fang an! Spinn wie im Flug!“
So sprach die Königin mit Strenge,
und sie verließ den Arbeitsraum,
das Mädchen wusste, diese Menge
spann sie in tausend Jahren kaum.
Da fing die Faule an zu jammern
und machte keinen Finger krumm,
drei Tage saß sie in den Kammern
bequem und müßig nur herum.
Und als am dritten frühen Morgen
die Königin nach oben kam,
rief ‘s Mädchen: „Ich bin voller Sorgen,
seit ich von Mutter Abschied nahm!
Ich kann die Hände nicht bewegen,
weil ich so schrecklich traurig bin,
auf diesem Abschied ruht kein Segen!
Was soll ich tun, oh Königin?“
„Nun gut, ich will dich noch nicht schelten,
doch lange warten werd ich nicht,
und lass ich heut den Grund noch gelten
bleibt Spinnen trotzdem deine Pflicht!“
So sprach die Königin mit Strenge,
und sie verließ den Arbeitsraum,
das Mädchen wusst ja, diese Menge
spann sie in tausend Jahren kaum.
Entmutigt blickte sie durchs Fenster
und sah drei Weiber nah am Haus,
sie waren hässlich wie Gespenster,
dass es sie schüttelte vor Graus.
Die Tracht der Ersten war recht schäbig,
und alles schien an ihr verquer,
sie latschte träge und behäbig
auf einem Plattfuß so daher.
Und eine Riesenunterlippe
besaß das zweite alte Weib
und einen Bart wie eine Hippe
und einem knochendürren Leib.
Das Auffällige bei der Dritten
war rechts der Daumen, breit und groß,
als wär die Kuppe abgeschnitten,
sie hustete auch pausenlos.
Und als sie grad am Fenster waren,
verlangsamten sie ihren Lauf
und schauten weise und erfahren
zu dieser jungen Frau hinauf.
„Was hast du denn? Was fehlt dir Mädchen?“,
so fragten voller Mitleid sie.
„Den Flachs soll spinnen ich zu Fädchen,
doch weiß ich überhaupt nicht wie!“
Und sie erzählte voll Vertrauen,
weshalb sie in der Kammer saß,
da riefen diese alten Frauen:
„Uns macht das Spinnen immer Spaß!
Die Arbeit könnten wir verrichten,
und zwar sehr gerne, liebes Kind,
doch dann sollst du allseits berichten,
dass wir drei deine Basen sind.
Wirst du dich nämlich einst vermählen,
so sollst du vor dem Hochzeitsfest
dem Bräutigam von uns erzählen,
damit er uns zur Feier lässt.
Denn wenn wir als Verwandtschaft kämen,
dann säßen wir an deinem Tisch!
Doch darfst du unser dich nicht schämen!“,
verlangten sie gebieterisch.
„Das will ich gerne euch geloben,
ihr guten, alten Mütterlein!“
Die Alten kraxelten nach oben
und richteten sich häuslich ein.
Und kam die Königin mal schauen,
dann wurden sie sofort versteckt,
die arbeitsamen, alten Frauen,
und wurden nicht von ihr entdeckt.
Die Alten spannen sehr behände,
und all der Flachs aus jedem Raum
war feinstes Leinengarn am Ende,
so schön und herrlich wie ein Traum.
Und als es Zeit war dann zu scheiden,
gemahnten sie die Weiber nur:
„Willst du im Leben nie mehr leiden
denk allezeit an deinen Schwur!“
Die Faule sah sich um im Zimmer,
zufrieden mit dem Resultat,
als schon die Königin wie immer
am Morgen in den Werkraum trat.
„Das hast du wunderbar gemeistert
mit Eifer, Fleiß und Strebsamkeit!“
rief unsre Königin begeistert.
„Mach für die Hochzeit dich bereit!“
Und auch der Prinz konnt nur frohlocken
denn wunderschön war seine Braut,
schlank die Gestalt, das Haupt voll Locken,
das Antlitz fein mit zarter Haut!
„Die Mutter hat es recht entschieden“,
rief er, von Liebe übermannt,
„ich bin mit ihrer Wahl zufrieden,
denn du bist… fleißig und gewandt!“
Da musste doch das Mädchen lachen.
Ach, dieser Prinz war gut und lieb,
er würde sicher alles machen,
damit sie froh und glücklich blieb.
„Ich brauche unbedingt drei Plätze,
ganz nah bei uns am Hochzeitstisch,
für meine Basen, die ich schätze“,
bat sie ihn gleich verführerisch.
Nun, damit war er einverstanden
und lud zum Fest die Alten ein,
doch als sie dann im Saale standen,
sah unser Prinz entgeistert drein.
„Auf diese garstig alten Frauen
verwachsen, missförmig und krumm,
kann jeder nur mit Abscheu schauen!“,
dacht unser Prinz, vor Sorge stumm.
Die Braut jedoch ging ohne Zwänge
und frisch und frei zu dem Gespann
und holte sie durch das Gedränge
ganz nah zu sich und ihrem Mann.
„Wie schön ist doch mein Weib dagegen,
so lieblich, reizend und perfekt!
Mög sie so bleiben allerwegen!“,
dacht sich der Prinz, noch ganz verschreckt.
Da frug die Erste er beklommen:
„Warum ist Euer Fuß entstellt?“
„Vom Treten hab ich ihn bekommen,
weil mir das Spinnen so gefällt!“
Dann frug die Zweite er erschrocken:
„Weshalb hängt Eure Lippe so?“
„Vom Lecken, denn der Flachs am Rocken
ist immer spröde so wie Stroh!“
Und schließlich fragte er die Dritte:
„Wieso ist Euer Daumen breit?“
„Ich schlag den Flachs nach alter Sitte
beim Spinnen platt die ganze Zeit!“
Drauf sprach zur Braut der Prinz mit Grauen:
„Ans Spinnrad setzt du dich nie mehr,
du schönste aller schönen Frauen,
fällt der Verzicht dir noch so schwer!“
Doch sie war insgeheim zufrieden
mit ihrem zukünftigen Los!
So wurde beiden Glück beschieden,
und ihre Liebe wurde groß!
Diese Märchenballade wurde mir von Klaudia Diekmann zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt ausschliesslich bei © Klaudia Diekmann
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