Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne und einen großen Garten, der an sein Schloss anstieß; darin stand ein Apfelbaum, auf dem jedes Jahr drei goldene Äpfel wuchsen, sowie sie aber reif waren, verschwanden sie.

Als die drei Prinzen herangewachsen waren und die Äpfel wieder einmal reif wurden, da sprach der älteste: »Heute Nacht werde ich bei dem Baum Wache halten und sehen, ob ich den Apfeldieb erhaschen kann. « Sobald es Nacht wurde, nahm er also seine Waffen und stellte sich zu dem Baum, und wie er so stand, da begann auf einmal die Erde zu zittern, und eine Wolke senkte sich unter furchtbarem Donnern und Blitzen auf den Apfelbaum, und daraus reichte etwas wie eine Hand – und fort war der eine Apfel. Der älteste aber zitterte vor Schrecken und lief zum Vater und zu den Brüdern, und als sie ihn fragten, was er gesehen, sagte er, dass sich ein Sturm erhoben und den Apfel weggeführt habe.

Die andere Nacht wollte es der zweite Sohn versuchen, und was der älteste gesehen hatte, das sah auch der zweite. Die dritte Nacht wollte nun auch :er jüngste Wache halten, weil er aber noch so jung war, so wollte es ihm sein Vater nicht erlauben. Doch dieser sprach: »Wenn du mir nicht die Erlaubnis erteilst, so wirst du mich nie mehr zu sehen bekommen. Gib mir meinen Bogen, mein Schwert, mein Buch und eine Leuchte, damit ich mir die Zeit mit Lesen vertreibe.,< Und als der Vater sah, dass er von seinem Willen nicht abstand, erlaubte er endlich auch ihm, Wache zu halten.

Während er nun unter dem Baume saß und las, hörte er auf einmal ein entsetzliches Getöse und erblickte eine schwarze Wolke, die sich nach dem letzten Apfel ausstreckte. Er aber griff rasch nach seinem Bogen und schoss in die Wolke; da verschwand diese, und der Apfel blieb am Baum.

Am anderen Morgen ging der jüngste zum Vater und sagte: »Vater, ich habe den Dieb verwundet, und ich will fort und ihn suchen, darum gib mir mein Ross und meine Waffen.« Der Vater sprach: »Lieber Sohn, bleibe bei mir, ich will dich auch dafür segnen;­ ich habe mein ganzes Reich vernachlässigt um dieser Äpfel willen und nichts ausgerichtet, wie solltest du allein glücklicher sein?« Er aber sagte: »Lass mich gehen, sonst ist es mein Tod.« Als der Vater sah, dass er von seinem Vorhaben nicht abzubringen war, wollte er ihm ein Heer zur Begleitung geben. Doch er sprach: »Ich will keine Begleitung, meine Hilfe ist in meiner Stärke, wenn aber meine Brüder zur Unterhaltung mitkommen wollen, so mag es sein. « Es machten sich also die drei Brüder auf, um den Verwundeten zu suchen, der König aber war darüber so bekümmert, dass er sein Schloss schwarz anstreichen ließ.

Als die Brüder eine Zeitlang gegangen waren, fanden sie Blutstropfen auf dem Wege. Sie folgten dieser Spur und gingen einen ganzen Monat lang den Blutstropfen nach. Endlich kamen sie an einen Dreiweg, und an jedem Weg stand ein Stein, und auf dem einen stand geschrieben: »Wer diesen Weg geht, der kommt davon«; auf dem zweiten: »Wer diesen Weg geht, der kommt vielleicht davon, vielleicht auch nicht«; und auf dem dritten: »Wer diesen Weg geht, der kommt nicht davon«. Da sprach der jüngste: »Wir müssen den Weg einschlagen, auf dem man nicht davonkommt.« Die Brüder fürchteten sich anfangs, dass sie auf ihm von reißenden Tieren gefressen werden könnten, aber der jüngste redete ihnen so lange zu, bis sie ihm folgten. Auf diesem Weg fanden sie bald die Blutspuren wieder und kamen, indem sie ihnen nachgingen, auf einen hohen Berg, auf dessen Spitze sie einen mächtigen Marmorstein fanden, der in der Mitte einen eisernen Ring hatte. Da sprach der Jüngste: »Darunter steckt der Dieb; wir müssen den Stein abheben und hinabsteigen, um ihn zu finden. Seht zu, ob ihr den Stein abheben könnt.« Da versuchte sich der älteste und der Mittlere vergeblich an dem Stein, denn der war so ungeheuer, dass ihn hunderttausend Menschen nicht hätten heben können. Endlich machte sich der jüngste daran und sagte zu seinen Brüdern: ~>Tretet auf die Seite und seht euch vor, dass ihr keinen Schaden nehmt, wenn die Erde zu zittern beginnt. « Und als ihn die Stärke ankam, da erzitterte die Erde, und nun ergriff er den Eisenring und hob den Stein ab, und darunter sah er einen dunklen Brunnen, aus dem ein brennend heißer Dampf aufstieg. Das war der Atem jenes Verwundeten. Da f ragte der jüngste: »Nun, ihr Brüder, wer von uns steigt hinunter?« Diese aber waren auf seine Stärke neidisch und wünschten sein Verderben. Doch erklärte sich der älteste bereit, hinabzusteigen; sie banden ihn also an ein Seil, und als er bis zur Hälfte hinabgelassen war, schrie er: »Feuer, Feuer, ich verbrenne, zieht mich hinauf!« Und ebenso ging es auch dem zweiten. Als es nun auch der jüngste versuchen wollte, sagte er zu seinen Brüdern: »Wenn ich euch zurufe, dass ihr mich hinaufziehen sollt, so hört nicht darauf, sondern lasst mich nur immer tiefer hinab. « Die Brüder hörten also nicht auf sein Schreien und Ruf en, sondern ließen ihn bis zum Boden hinab.

Dort fand er ein prächtiges Schloss mit großem Garten, in dem der schönste Frühling war. Er suchte aber das ganze Schloss durch, ohne irgend jemand zu finden, und wunderte sich, wie so ein schöner Palast unbewohnt sein könne. Endlich kam er zu einer Tür, und als er diese öffnete, erblickte er eine wunderschöne Prinzessin, welche mit einem goldenen Apfel spielte, und sowie den der jüngste sah, erkannte er, dass er auf seines Vaters Baum gewachsen sei. Die Prinzessin aber sprach zu ihm: »Sage mir, du Hund, wie bist du hierhergekommen, wohin kein fliegender Vogel kommt? Denn hier haust ein schrecklicher Drache, den haben sie zwar verwundet, aber er verschlingt dich doch, sowie er dich gewahr wird.« Da sprach der Prinz: »Den Drachen habe ich verwundet und bin auf seiner Spur bis hierher gekommen, tue mir also die Liebe und sage mir, wo er ist.« Sie antwortete: »Ich weiß es nicht, gehe aber in jene Kammer, dort findest du meine Schwester, die weiß es. « Da ging er dorthin und fand eine Königstochter, die auch mit einem Goldapfel spielte und so schön war, dass er ausrief: »Glänze, Sonne, damit ich erglänze.« Sie fragte ihn: »Sage mir, du Hund, wie bist du hierhergekommen, wo kein fliegender Vogel hinkommt?« Er aber antwortete: »Ich bin nur wegen des Drachens gekommen, sage mir also, wo er ist«, und sie sagte: »Ich weiß es nicht, aber gehe zu meiner jüngsten Schwester, die ist die Schönste von uns und muss ihn daher bedienen.« Diese jüngste war aber eine Herzenskundige. Er ging also in ihre Kammer und fand dort ein Mädchen, wie kein schöneres auf der Welt war, doch sie war traurig, weil sie keinen Apfel hatte. Sowie er sie erblickte, kam ihn seine Stärke an, und davon erzitterte das ganze Schloss. Das Mädchen aber fiel ihm um den Hals und küsste ihn und sprach: »Sage mir, du Hund, wie bist du hierhergekommen, wohin kein fliegender Vogel kommt? Denn hier haust ein Drache, und wenn er dich gewahr wird, so sind wir allesamt verloren.« Er aber sprach: »Seinetwegen bin ich hierhergekommen, sage mir also, wo ich ihn finden und wie ich ihn erlegen kann.« Sie antwortete: »Er liegt in jener Kammer, und wenn er die Augen auf hat, so schläft er, und wenn er sie zu hat, so ist er wach. Bei seinem Kopfkissen steht ein Fläschchen Wasser und bei seinen Füßen ein anderes, und diese Fläschchen musst du vertauschen. In der Kammer aber hängen viele Schwerter, und die werden dir zurufen: >Lieber Herr, nimm mich mit!‘ Du darfst aber keines von diesen nehmen, sondern musst das rostige hervorholen, welches hinter der Tür steht. Sobald du dieses Schwert in der Hand hast, musst du ihm sogleich einen Faustschlag versetzen, von dem er aufwachen wird. Darauf wird er zu dir sagen: >Komm her, du Schuft, wir wollen eins zusammen trinken!<, und du musst das Fläschchen ergreifen, das zu seinen Füßen steht, er aber wird das nehmen, was ihm zu Häupten steht, und dann musst du mit ihm trinken.«

Er tat genau so, wie ihm das Mädchen gesagt hatte, und wie der Drache das Fläschchen ausgetrunken hatte, rief er: »Ach, ihr Hündinnen, ihr habt mich geliefert! « Und darauf gab ihm der Jüngling einen einzigen Schwertschlag. Da bat ihn der Drache: »Gib mir noch einen Schlag, damit ich rasch verende.« Er aber sprach: »Meine Mutter hat, mich nur einmal geboren.« Da zerplatzte der Drache, weil ihm der Jüngling keinen weiteren Schwertschlag gab.

Nun ging der Prinz zu den drei Jungfrauen zurück und führte sie zu der Stelle, wo er herabgekommen war, um sich von seinen Brüdern hinaufziehen zu lassen. Unterwegs sagte ihm die jüngste, die eine Herzenskundige war: »Du musst dich zuerst hinaufziehen lassen, denn wenn du zuletzt unten bleibst, so werden dich deine Brüder töten. « Er aber wollte nicht glauben, dass sie so undankbar seien, da er sie doch von dem Drachen befreit hatte. Da sagte sie ihm: »Geh an jenen Schrank, darin wirst du eine Mandel, eine Nuss, eine Haselnuss und ein härenes Seil finden; das alles musst du wohl aufheben, denn du wirst es nötig haben.<~ Und dann sprach sie seufzend: »Wenn dich deine Brüder nicht auf die Oberwelt ziehen, so will ich dir noch etwas zum Trost sagen: Da, wo du hinkommen wirst, wirst du viel Mühsal erdulden, aber zuletzt doch Sieger bleiben. Du wirst zu einer Tenne kommen, auf der drei Lämmer miteinander spielen, zwei schwarze und ein weißes, und du musst das weiße Lamm fangen; denn wenn du die schwarzen fängst, so musst du noch einmal so tief in die Unterwelt hinab.«

Als sie zu dem Brunnen gekommen waren, rief er seinen Brüdern zu, sie sollten ihm das Seil herablassen, und als dies geschehen war, band er die älteste Prinzessin daran und rief hinauf: »Ho, ältester, die ist für dich!« Und als diese oben war, band er die zweite an das Seil und rief hinauf: »Ho, Mittlerer, die ist für dich!« Und zuletzt ließ er die jüngste hinaufziehen und rief: »Ho, ihr Brüder! Die ist für mich.« Das war aber die allerschönste, und beim Abschied sagte er zu ihr: »Dort, wo du hinkommst, wirst du meinen Vater finden, und der wird dich zu freien begehren, weil er Witwer ist, du sollst aber ein Jahr, drei Tage und drei Stunden auf mich warten, und wenn ich dann noch nicht gekommen bin, so ist es dir erlaubt, ihn zu nehmen.«

Sowie aber die dritte Prinzessin hinauf gezogen war, nahmen die bei–‚ den Brüder die drei Schwestern und kehrten heim und ließen den jüngsten in der Unterwelt. Sie schickten Nachricht an ihren Vater.` dass sie kämen, und dieser legte die Trauerkleider ab und hieß sie mit großer Freude willkommen; als er aber nach dem jüngsten fragte, sagten sie ihm, dass er umgekommen sei. Da begann der König über den Verlust seines jüngsten Sohnes zu weinen, doch die beiden älteren verboten ihm das und sagten, dass er sich über ihre glückliche Rückkehr und ihre Großtaten freuen solle, denn sie hätten den Drachen erlegt und die drei Prinzessinnen erlangt, die jener geraubt und denen er die goldenen Äpfel ihres Apfelbaumes zum Spielen gegeben habe. jeder von ihnen wolle nun eine davon heiraten, und der Vater solle die jüngste zur Frau nehmen. Da war der König zufrieden und stellte zur Heirat seiner beiden Söhne eine große Hochzeit an, und vier Monate später wollte er selbst mit der jüngsten Hochzeit halten; diese aber sagte: »Es ist dir noch nicht erlaubt, denn nur wenn dein Sohn nicht in einem Jahr, drei Tagen und drei Stunden gefunden wird, darfst du mich zur Frau nehmen«, und weil sie so hartnäckig bei diesem Vorsatz blieb, so hielten sie das Mädchen wie eine Magd, und sie musste ihre Schwestern bedienen.

Doch lassen wir nun vorerst die Prinzessin und kehren wir zu dem jüngsten Königssohn zurück. Als dieser eine Weile vergebens seinen Brüdern zugeschrien, ihm das Seil herabzulassen, merkte er, dass die Prinzessin recht gehabt und sie ihn im Stich gelassen hatten. Er machte sich also auf, um die Tenne zu finden, von der sie ihm gesprochen hatte, und als er dort hinkam und das weiße Lamm zu haschen suchte, fing er statt dessen ein schwarzes, und sofort sank er noch einmal so tief in die Unterwelt.

Dort kam er in eine Stadt und nahm bei einer Alten Herberge; als diese aber Brot backen sollte, sah er, wie sie in das Mehl spie und mit ihrem Speichel den Teig knetete. Da fragte er sie: »Warum speist du ins Mehl und machst nicht den Teig mit Wasser an?« Sie antwortete: »Unsere Stadt hat nur einen Wasserquell, und daran wohnt eine Schlange, die frisst jede Woche einen Menschen und lässt uns dann Wasser schöpfen, und heute wurde die eine Tochter des Königs hinausgeführt, während die andere im Schlosse Hochzeit hält. « Da bat sie der Jüngling, sie solle ihm einen Krug geben und den Weg zum Brunnen zeigen. Er konnte aber die Alte nicht dazu bewegen, weil sie für sein Leben fürchtete, und als er sah, dass sein Bitten vergeblich war, ging er allein und fand sich zum Brunnen, bei dem er ein weinendes Mädchen an einen Felsen gebunden erblickte. Die sagte ihm, dass sie die Tochter des Königs sei, und weil auf sie das Los gefallen wäre, so sei sie hierhergebracht worden, damit sie die Schlange verschlinge und die Stadt Wasser schöpfen könne.

Der Jüngling aber band sie los und sprach: »Fürchte dich nicht, ich Werde dich schützen, aber komm und lause mich ein wenig, weil ich vom Wege müde bin«, und während sie ihn lauste, schlief er ein, und sie nahm ihren Fingerring und band ihn dem Jüngling auf den Scheitel. Währenddem kam die Schlange heran, und das Mädchen erschrak so, dass es den Jüngling nicht zu wecken, sondern nur zu weinen vermochte; aber eine ihrer Tränen fiel auf des Jünglings Wange, und davon erwachte er. Als nun die Schlange die beiden erblickte, rief sie: »Ei, ei, früher gab man mir immer nur einen Braten, heute aber bekomme ich zwei.« Da zog der Jüngling sein Schwert und schlug der Schlange das Haupt ab. Diese aber rief: »Hoho, du Schandbube! Für dich habe ich auch noch andere Köpfe«, und diese Schlange hatte wirklich zwölf Köpfe, und der Jüngling musste mit ihr vom Morgen bis zum Abend kämpfen, bis er sie endlich alle abgeschlagen hatte. Darauf schnitt er aus den zwölf Köpfen die Zungen heraus, füllte seinen Krug mit Wasser und kehrte zu der Alten zurück. Die fragte ihn: »Wo hast du das Wasser her?« und er sagte ihr: »Ich habe die Schlange getötet, aber wenn du es verrätst, so schlage ich dich tot.«

Darauf kam der Erste Leibwächter des Königs, der ein Mohr war, zum Brunnen, um zu sehen, was aus der Prinzessin geworden, und als er sah, dass diese heil und die Schlange tot war, sprach er zu ihr: »Wenn dir dein Leben lieb ist, so sage nicht, wer die Schlange getötet hat.« Er nahm nun die zwölf Köpfe der Schlange, ging damit vor den König und sagte, dass er dieselbe erlegt habe.

Darauf sprach der König: »Wenn du die Schlange erlegt hast, so sollst du meine Tochter haben und mein Schwiegersohn werden.« Die Prinzessin aber rief: »Er hat die Schlange nicht erlegt, sondern ein Königssohn.« Und als der Mohr bei seinen Worten blieb, sagte sie ihm ins Gesicht, dass er ein Lügner Sei, und verlangte von ihrem Vater, dass er ein großes Fest anstellen solle, bei dem alle Welt barhäuptig erscheinen müsse, »und ich will oben am Fenster stehen und einen Apfel auf den werfen, den ich zum Manne haben will.«

Wie sie gewollt hatte, so geschah es, und der Jüngling, welcher bei der Alten versteckt war, wurde neugierig, was das Menschengedränge bedeute. Er zog also Hirtenkleider an und ging so zum Palast, ohne dass er etwas von dem Ring wusste, den er auf dem Scheitel trug. Die Prinzessin aber erkannte ihn daran und warf den Apfel auf ihn, und sogleich wurde er ergriffen und vor den König gebracht. Der aber berief die zwölf Räte und ließ auch seine Tochter und den Mohren kommen; aber weder der König noch die Räte wollten glauben, dass so ein gemeiner Hirt das Ungeheuer erlegt habe, und dies um so weniger, als der Jüngling selbst es leugnete. Der König wurde daher sehr zornig auf seine Tochter und verstieß sie aus dem Hause und ließ sie misshandeln. Als das der Jüngling hörte, bekam er Mitleid mit ihr und ging zum König und sagte die volle Wahrheit; aber der verlangte, dass sowohl er als der Mohr seine Behauptung beweisen solle. Da brachte der Mohr die zwölf Schlangenköpfe; der Jüngling aber fragte ihn: »Wie geht das zu, dass diese Köpfe keine Zungen haben?« Der Mohr antwortete: »Die Schlange hat sich gefürchtet und ihre Zungen eingezogen.« Da verlangte der Jüngling, dass man ein Lamm bringen solle, und als das kam, schlug er ihm mit dem Schwert den Kopf ab; dieses aber biss sich währenddem auf die Zunge, und er fragte den Mohren: »Hatte die Schlange mehr Furcht als das Lamm, dass sie ihre Zungen einzog?« Darauf zog er die Zungen der Schlange hervor und zeigte, dass sie in die Köpfe passten. Da sprach der König zu den Zwölfen: »Was sollen wir mit dem Mohren anfangen?« Und sie beschlossen, dass er an vier Pferde gebunden und von diesen in vier Stücke zerrissen werden solle.

Als dem Mohren sein Recht geschehen, sprach der König zu dem Jüngling.- »Was willst du, dass ich dir für die Wohltat gebe, die du mir und dem Lande erwiesen hast? Willst du meine Tochter zur Frau haben, oder soll ich dir Schätze geben?« Er aber sagte: »Ich verlange nur eins von dir, nämlich, dass du mich auf die Oberwelt bringen lässt. « Da sagte der König: »Du verlangst ein schweres Ding von mir, weil du aber so tapfer bist, so wirst du auch das tun, was ich dir sage. Geh auf jenen Berg, dort steht ein großer Baum, auf dem haben die Adler ihr Nest, und dort ist auch eine Schlange mit achtzehn Köpfen, welche den Adlern feind ist; wenn du diese erlegst, so werden dich die Adler auf die Oberwelt bringen. « Da ging der Jüngling auf jenen Berg, und um die Mittagszeit sah er die Schlange, wie sie sich uni den Baum wand, um die Adlerjungen zu fressen. Der Jüngling aber riss sie vom Baum herunter; doch hatte er vierundzwanzig Stunden zu kämpfen, bis er sie völlig erlegt hatte; und darauf war er so ermüdet, dass er sich unter den Baum legte und einschlief. Da flogen die jungen Adler aus ihrem Nest und wehten ihm mit ihren Flügeln frische Luft zu. Während er so schlief, kamen die alten Adler, und als sie ihn sahen, ergriffen sie Felsstücke, um ihn damit totzuschlagen. Die jungen Adler aber riefen: »Um Gottes willen nicht, denn er hat die Schlange erlegt und uns von ihr befreit.« Da breiteten auch die Alten ihre Flügel aus und wehten ihm Luft zu. Als er erwachte, fragten ihn die Adler: »Was willst du) dass wir dir tun für das Gute, das du uns getan hast?« Er aber sagte: »Ich verlange von euch nichts weiter, als dass ihr mich auf die Oberwelt bringt.« Da riefen die Adler -. »Ein schweres Stück verlangst du von uns, aber du hast uns von der Schlange befreit, und so müssen wir dich auch auf die Oberwelt bringen.« Darauf sprach der König der Adler: »Du musst vierzig Schläuche mit Wasser anschaffen und vierzig Büffel schlachten und ein silbernes Joch machen lassen. « Der Jüngling ging nun zum König und bat um das Erforderliche, und der ließ alles machen, was er verlangte.

Darauf sprachen die Adler zu dem Prinzen: »Du musst uns nun fest anschirren und dich an das Joch binden, und wenn wir >kra!< schreien, so wollen wir Fleisch, und wenn wir >glu!“ schreien, so wollen wir Wasser.« Als alles in Ordnung war, breiteten sie ihre Flügel aus und flogen, und der Jüngling gab ihnen von Zeit zu Zeit, was sie verlangten. Sie mussten aber so lange fliegen, dass, bevor sie auf die Oberwelt kamen, das Fleisch ausging. Da rief ein Adler: »kra!«, und weil er kein Fleisch mehr hatte, so schnitt er sich ein Bein ab und gab es ihm. Als sie endlich auf die Oberwelt kamen, sagten ihm die Adler: »So, nun geh zu deinem Vater!« Und als er von ihnen Abschied genommen und fortwollte, bemerkten sie, dass er nicht laufen konnte. Sie fragten ihn nach der Ursache, und er erwiderte, dass er, weil er kein Fleisch mehr gehabt, dem einen Adler sein Bein zu fressen gegeben habe. Da befahl sogleich der Adlerkönig: »Wer das Bein gefressen hat, der soll es wieder ausspeien!« und schickte einen Adler, um Lebenswasser zu holen. Damit bestrich er das angesetzte Bein, und sogleich wuchs dieses wieder an und war so gut wie vorher.

Wie nun der Jüngling zur Stadt ging, begegnete er auf dem Weg einem Hirten und sagte ihm: »Höre, Freund, gibst du mir nicht deine Kleider für die meinigen?« Da lachte der Hirt und meinte, dass er scherze; als er aber sah, dass es Ernst sei, ließ er sich den Tausch gefallen. Der Jüngling ging darauf weiter und fand ein Lamm auf dem Weg, das schlachtete er und legte sich sein Fell um den Kopf nach Art derjenigen, welche einen Grindkopf haben. Darauf ging er in die Stadt, in welcher sein Vater König war, und bat dort dessen ersten Schneidermeister, ihn in den Dienst zu nehmen. Der Meister machte anfangs Schwierigkeiten, weil er grindköpfig sei, seine Gesellen aber hatten Mitleid mit ihm und baten den Meister, ihn anzunehmen, damit er ihnen Trinkwasser hole. Er blieb also dort, und sein einziges Vergnügen war, in der Asche zu sitzen und sich damit zu beschmieren.

Allmählich kam aber die Frist heran, welche die Jungfrau dem Vater des Jünglings gesetzt hatte, und dieser sagte daher zu ihr, dass sie sich zur Hochzeit bereiten solle. Sie antwortete: »Wohl, ich stelle dir aber die Aufgabe, dass du mir ein Kleid machen lassen sollst, auf dem die Erde mit ihren Blumen gewirkt ist und das weder mit der Schere geschnitten noch mit der Nadel genäht ist, das in einer Nuss steckt und wieder in sie hineingeht, und in drei Tagen muss es fertig sein.«

Da befahl der König sofort dem Schneider, bei welchem der Grindköpfige diente, dass er ihm bei Todesstrafe binnen drei Tagen ein solches Kleid liefern solle. Der Schneider kam weinend und jammernd nach Hause, und seine Gesellen fragten ihn, warum er so betrübt sei. Er antwortete: »Warum soll ich nicht klagen, wenn ich in drei Tagen um mein Leben komme?« Da fragte ihn auch der Grindköpfige nach seinem Kummer, der Meister aber schimpfte und schlug ihn und rief: »Das fehlte noch, dass auch du Grindkopf mir zusetzt.« Doch der ließ nicht ab, den Meister so lange zu fragen und zu quälen, bis dieser ihm endlich die Ursache seines Leidens erzählte, und als er damit zu Ende war, sagte der Grindköpfige: »Und über so eine Kleinigkeit schlägst du solchen Lärm? Gib dich zufrieden, das nehme ich auf mich«; und er sagte das mit solcher Zuversicht, dass der Meister bei all seinem Kummer lachen musste. Der Grindige aber sprach: »Lass mir ein Seidel Branntwein und ein Pfund Nüsse holen, und lass mich dann allein in der Werkstatt«, und das wiederholte er so lange, bis ihm der Meister seinen Willen tat. Der Grindige blieb also allein in der Werkstatt, aß und trank und tat sich gütlich, und am anderen Morgen öffnete er die Nuss, welche ihm die Jungfrau gegeben hatte, und zog daraus ein Kleid mit der Erde und ihren Blumen hervor. Wie das der Meister sah, beugte er sich vor dem Grindigen zur Erde und küsste ihm die Hand. Dann aber brachte er das Kleid zum König, und wie es die Jungfrau sah, so wusste sie, dass der Jüngling gekommen sei.

An diesem Tage ritt der König mit seinen Söhnen aus und stellte Reitspiele an. Da brannte der Grindige auch das Rosshaar an, das ihm die Jungfrau gegeben, und da kam ein goldenes Pferd hervor und ein Anzug mit der Erde und ihren Blumen; er zog den Anzug an, bestieg das Pferd, begab sich auf den Spielplatz und ritt mit jenen; sein Pferd aber war so schnell wie ein Vogel und tat es allen anderen zuvor, und als das Spiel zu Ende ging, sprengte er in das Königsschloss und stellte dort großen Schaden mit seinem Rosse an. Da bemühten sich die anderen, ihn zu fangen, aber er entkam ihnen glücklich.

Am anderen Morgen sagte der König zu der Jungfrau: »Das Kleid ist fertig, gib mir nun den Bescheid.« Die aber sprach: »Du musst mir in drei Tagen noch ein Kleid mit dem Himmel und seinen Sternen machen lassen, das weder mit einer Schere geschnitten noch mit einer Nadel genäht ist, das in einer Mandel steckt und wieder in sie hineingeht, und in drei Tagen muss es fertig sein.« Da bestellte der König dieses Kleid bei demselben Schneider und befahl ihm bei Todesstrafe, damit in drei Tagen fertig zu sein. Als der Schneider nach Hause kam, klagte er dem Grindigen sein Leid, und dieser tröstete ihn und sagte, dass er auch das auf sich nehme; doch ließ er sich diesmal statt der Nüsse Mandeln bringen und tat sich gütlich, bis er betrunken war und einschlief, ohne die Mandel der Jungfrau zu öffnen. Als ihn der Meister am Morgen noch schlafend fand und nirgends das versprochene Kleid sah, geriet er in große Verzweiflung und weckte ihn. Er aber nahm die Mandel der Jungfrau aus seiner Tasche, knackte sie auf und zog daraus das bestellte Kleid hervor.

Als der König am Nachmittag wieder Reiterspiele anstellte, brannte der Grindige sein Pferdehaar an, und hervor kam ein goldenes Ross und ein Anzug mit dem Himmel und seinen Sternen. Den zog er an, ritt wieder in das Königsschloss und richtete dort wieder großen Schaden an und entkam abermals glücklich, ohne gefangen zu wer den.

Am anderen Morgen sprach der König zur Jungfrau, dass sie nur endlich den Tag der Hochzeit bestimmen solle. Da sagte diese: »Ich will zuvor noch ein drittes Kleid haben mit dem Meere und seinen Fischen, das soll in einer Haselnuss stecken und wieder in eine Haselnuss hineingehen, und in drei Tagen muss es fertig sein.« Damit ging es wie die beiden ersten Male; nur bedingte sich diesmal de Grindige vom Meister aus, das Kleid selbst zum König tragen zu dürfen, und als er vor diesem erschien, bat er, ihn als Küchenjungen anzustellen, und der König gewährte ihm diese Gnade.

Am Abend kamen die zwölf Räte zu dem König, um ihm die Zeit zu vertreiben. Zu jener Zeit liebte man es sehr, Märchen zu hören‘ und der König sprach daher: »Weiß keiner ein schönes Märchen, damit die Zeit vergehe?« Die Räte aber antworteten: »Von uns weiß keiner mehr ein neues Märchen«, und auch alle Diener des Königs erklärten, dass sie alle Märchen bereits erzählt hätten, die sie wussten. Da gedachte der König des neuen Küchenjungen und ließ ihn vorrufen und befahl ihm, ein Märchen zu erzählen. Der sagte darauf: »Ich will euch ein Märchen erzählen, aber unter der Bedingung, dass keiner dabei weggeht. Der Saal muss verschlossen werden und ich den Schlüssel bekommen; wer also pissen will, der gehe jetzt.« Als das der König hörte, kam ihm der Verdacht, dass dies sein Sohn sein möge; er tat ihm also den Willen. Darauf begann der Küchenjunge sein Märchen: »Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne und einen Goldapfelbaum«, und erzählte nun alles, was ihm begegnet war. Wie aber der König das hörte, da kamen ihm die Tränen in die Augen, und er sprach: »Erzähle, mein Söhnchen, erzähle, denn diese Geschichte ist meiner eigenen sehr ähnlich.« Doch als er in dem Märchen an die Stelle kam, wo die beiden älteren Königssöhne übel wegkommen, da rief der älteste: »Mich pissert, macht die Tür auf!« Und auch der zweite schrie, dass man die Tür öffnen solle. Der Küchenjunge aber sagte: »Bevor nicht das Märchen aus ist, darf auch keiner zur Tür hinaus, und wenn ihr nicht glaubt, dass es wahr ist, so werdet ihr doch mir selber glauben, denn ich bin selbst dein Sohn«, und dabei riss er sich das Schafsfell vom Kopfe und beugte sich vor seinem Vater und küsste ihm die Hand, und da schloss ihn dieser in die Arme und küsste und herzte ihn. Am anderen Morgen aber schickte er seine beiden älteren Söhne in die Verbannung und verheiratete den jüngsten mit der Jungfrau. Da hielten sie Hochzeit und lebten herrlich und in Freuden.

Ich war nicht dabei, darum brauchst du es auch nicht zu glauben.

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