Es waren einmal drei Nachbarn, und alle drei waren arm, aber der eine war ein sehr gottesfürchtiger Mensch. Eines Tages sagten die beiden andern: »Wir bleiben nach wie vor so arm, wie wir sind. Lasst uns unsern Nachbarn mitnehmen und den König unter Tränen und kniefällig bitten, dass er uns etwas zum Lebensunterhalt gebe!« Die gehen, rufen ihren Nachbarn und sagen zu ihm: »Wir wollen zum König gehen und ihn um Geld zum Lebensunterhalt bitten.« Dieser antwortete: »Ich soll nicht Gott bitten, mir Geld zu schenken, sondern zum König gehen und den bitten?« Sagen die andern: »Komm nur, auch ohne dass du bittest!« – »Ich kann nicht“, sagt er, »dorthin wandern; ich habe meine Arbeit.« – »Geh«, sagten wieder die andern, »geh wenigstens für Tagelohn mit!« – »Wenn es für Tagelohn ist, dann gehe ich mit. « So nahmen die beiden je einen Reisesack und machten sich auf den Weg. Der dritte nahm keinen Reisesack, sondern wanderte so hinter ihnen.

Als sie zum König kamen, schilderten sie ihre Armut. Der König bemitleidete sie und sprach: »Ich will euch Geld zum Leben geben, aber wo werdet ihr es hintun?« – »Da«, sagten die beiden, »wir haben ja unsere Reisesäcke.« Der König befiehlt sogleich, die Reisesäcke zu nehmen und mit Dukaten zu füllen. Dann sagt er zum dritten: »Wo ist dein Reisesack, dass ich ihn dir füllen lasse?« – »Ich«, antwortete der Mann, »will nichts, sondern erwarte es von Gott.« Als die sich auf den Weg gemacht hatten und wanderten, ärgerte sich der König, je mehr die Zeit verging, über die Worte des dritten und schickte schnell einen Diener mit einem Gewehr nach, der sie einholen und den erschießen sollte, der keinen Reisesack trug. Der nahm sein Gewehr und ging. Auf dem Wege nun ermüdete der eine von den drei Männern und gab seinen Reisesack dem Tagelöhner zu tragen. Der Diener, der hinter ihnen herlief, sah den, der keinen Reisesack trug, zielte auf ihn, schoss und tötete ihn. Die andern beiden ließen ihn zurück und gingen weiter.

Auf dem Wege war ein großer Fluss. Sagt der Tagelöhner zum andern: »Warte, bis es Abend wird und das Wasser sich vermindert, dass wir hindurch können!« Der andere aber hörte nicht auf ihn, sondern machte sich daran, den Fluss zu überschreiten: der Strom riss ihn mit; auch sein Reisesack ging unter. Der andere blieb dort sitzen und saß, bis es schon Abend wurde und die Nacht heranbrach. Dann nahm er einen Stab, stützte sich auf ihn und kam so aus dem Fluss wieder heraus. Als er aufs Trockene gelangt war, versuchte er den Stab an den Strick des Reisesackes zu bringen, der im Fluss untergegangen war. Er zog an dem Stab, zog kräftig und holte auch den zweiten Reisesack heraus. jetzt saß er und überlegte, wie er es machen sollte, da er zwei Reisesäcke zugleich nicht tragen konnte. Als er noch überlegte, siehe, da reitet einer zu Pferde vorüber. »Ist das Pferd vielleicht zu verkaufen?« – »Wenn ich einen Käufer finde«, antwortete der, »verkaufe ich es.« Sie einigten sich, und der Mann kaufte das Pferd. Er lud die Reisesäcke auf und ritt im Galopp zu seiner Frau.

Als die Frau ihn sah, fragte sie ihn: »Was gibt’s Neues?« – »Unsere Neuigkeiten sind gut, aber unsere Nachbarn sind umgekommen, und wir werden vor ihren Frauen keine Ruhe finden. Wähle also unsere besten Sachen aus, wir wollen nach Konstantinopel ziehen. « Sie nahmen ihre guten Sachen mit, ritten auf ihren Tieren, begaben sich zum Hafen; er nahm ein Kaik und sie fuhren nach Konstantinopel. Den Abend, als sie ankamen, suchten sie eine Wohnung, fanden aber keine. Erst in der Zeit, wo die Querpfeife gespielt wird, fand der Mann ein Chan (Herberge) und aß dort, um danach mit seiner Frau dort die Nacht zuzubringen. Der Inhaber des Chans sagte zu ihm, dass er nachts keinen Menschen mehr in das Chan lasse, weil Jeder, der hineingehe, nachher nicht mehr zu finden sei. Da sagte jener: »Gibt es einen Gott?« Der andere antwortete: »Es gibt einen.« »Nun, dann öffne und lass uns ein!« sagte der Mann. Er bezog mit seiner Frau ein Zimmer. Seine Frau fegte es aus. Darauf sagte sie: »Hast du schon ein so schönes Zimmer gesehen wie dieses? Da sind wir umhergeirrt und haben so lange eine Wohnung gesucht.« Um Mitternacht, als sie gegessen und sich niedergelegt hatten, hörte der Mann eine Stimme, die durch das ganze Chan hallte. Er steht schnell auf und macht sein Kreuz; dann öffnet er die Tür des Zimmers ganz sacht, damit er seine Frau nicht wecke, und sieht einen riesigen Mohren vor sich – bis dahin so groß. Der sagte: »Du bist es? So lange habe ich dich schon gesucht und nicht gefunden. jetzt komm mit mir!« Der Unglückliche folgte ihm. Sie gehen und gehen und kommen zu einer Hütte: dort war ein Marmorstein. Der Mohr hob den Marmor auf, stieg unter die Erde hinab und sagte zu dem andern, er solle auch hinabsteigen. Der Mann schlug wieder sein Kreuz und sagte: »Was wird der uns hier drinnen antun?« Er steigt herunter und sieht eine Reihe Krüge. Da sagt der Mohr: »Wohlan, öffne die alle! « Der ging und öffnete sie. Was sollte er sehen? Alle voll Dukaten. Sprach wieder der Mohr zu ihm: »Alle diese Krüge will ich dir schenken, aber verwende sie so, wie es sich ziemt.« Darauf ging der Mann und legte sich schlafen.

Gegen Morgen klopfte der Inhaber des Chans an die Tür und rief: »He, ihr da drinnen, seid ihr noch am Leben?« – »Aber«, erwiderte der von innen, »warum sollten wir gestorben sein, oder -?« Als der Mann dann herauskam, sagte der Chanwirt zu ihm: »Es ist ein Uhr, und es hat dir niemand etwas angetan? Komm, ich will dir das Chan verkaufen.« Sie einigten sich: der kaufte das Chan. Als der Mann das Chan gekauft hatte, reißt er es ab und errichtet auf der einen Seite eine Bäckerei und auf der andern ein Gasthaus und ließ ausrufen, wer arm sei, solle kommen und unentgeltlich bei ihm essen und wohnen, und er wolle ihm noch Geld dazuschenken.

Als der König dies hörte, sagte er zum Wesir: »Wohlan, wir wollen auch diesen braven Mann besuchen! « Sie nahmen jeder ein Pferd und ritten hin. Der aber geht schnell, kauft ein Pferd, schöner als das des Königs, lässt goldenes Zaumzeug machen und stellt das Pferd an die Krippe. Dann sagt er zum König: »Zu alledem bist du die Ursache. «

»Wieso?« fragt der König. »Erinnerst du dich«, sagte der, »dass einst drei Männer zu dir kamen und dich um Geld baten, und du schicktest jemanden nach, den einen zu töten? Der, den du töten lassen wolltest, bin ich.« Und er erzählte nun dem König, auf welche Weise er reich geworden sei. Da freute sich der König sehr, und er ermahnte ihn, es mit seinem Gelde immer so zu halten, dass er ein rechtliches Leben führe. Dann nahm er das Pferd mit den goldenen Zäumen, das der Mann ihm schenkte, und ritt mit dem Wesir weg. Der Mann aber hatte sein Geld und lebte glücklich – und wir noch glücklicher.

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