Märchen aus Ungarn

Wo war’s, wo war’s nicht, siebenmal sieben Königreiche weit, auch jenseits des Operenzmeeres, aber auch noch jenseits meiner Großmutter Haus, da lebte auf der Welt ein König. Der hatte drei Söhne.

Er war schon sehr alt, man musste seine Augen mit Eisenstäben stützen; einstmals sprach er zu seinen Söhnen also:

»Meine Söhne, wenn ihr mir vom Wasser der Jugend und des Todes brächtet und auch den Finken mit der goldenen Stimme herbeischafftet, so gäbe ich euch mein ganzes Reich.«

Mehr bedurfte es für die drei Prinzen nicht; sie gingen und sattelten alle drei sogleich. Die beiden älteren auf schönen Rossen, der jüngste nur auf einem garstigen Schimmel. Als sie ihn erblickten, begannen sie zu spotten, dass er sich unterfange, also, auf so einem Rechen auszuziehen. Doch der kleine Königssohn auszuschießender sich nicht irre machen, ritt immer der Nase lang.

Er ritt und ritt, zog durch siebenmal sieben Königreiche. Seine Brüder wollten ihn verlocken, er sollte mit ihnen ziehen, doch da sie, kaum erst ausgezogen, ihn auch schon verspottet hatten, so zog er allein. Unterwegs fand er eine schlechte Hütte, darin wohnte eine alte Frau.

»Gott zum Gruß, guten Morgen, Großmutter,« grüßte der Königssohn.

»Schönen Dank, lieber Sohn! Was führt dich her?«

Und da erzählte er der Reihe nach, weshalb er in die Welt gezogen.

Sprach die alte Frau:

»Ich weiß nichts davon; doch mache dich auf, jenseits des Waldes wohnt eine andere alte Frau, die kann dir vielleicht etwas sagen.«

Damit holte sie einen Krug vor, drückte ihn dem Königssohn in die Hand.

»Mein lieber Sohn, wenn du zurückkommst, fülle mir diesen Krug mit dem Wasser des Lebens und bringe ihn mir; für deine gute Tat erwarte Gutes!«

Der Königssohn zog fürbass. Jenseits des Waldes fand er wirklich die andere Alte, doch auch die verstand von seiner Sache gerade so viel wie die Henne vom Abc, sie drückte ihm nur den Krug in die Hand. Aber sie erzählte, dass nicht weit von dort eine Frau wohne, die sei noch älter als sie, zu der solle er gehen, dann wird’s schon gut gehen.

Er zog weiter, fand auch die uralte Frau, sie war noch älter als die Milchstraße, des Lahmen Mädchens Bein war damals noch heil, als sie geboren wurde. Der Königssohn grüßte sie:

»Gott zum Gruße, guten Tag, Großmutter!«

»Schönen Dank, mein lieber Sohn,« hätte die Alte gesagt, wenn sie gekonnt hätte, aber sie stammelte nur. »Und was führt dich her?«

Der Königssohn erzählte nun von Anfang bis zu Ende, dass er vom Wasser der Jugend und des Todes holen wolle und auch den Finken mit der goldenen Stimme entwenden, wenn das möglich wäre, denn sein Vater wünsche das. Doch allein würde er nicht weit kommen, also bitte er sie um Rat. Sprach zu ihm die Alte:

»In einen großen Baum hast du deine Axt geschlagen, mein lieber Sohn! Doch versuche es nur, vielleicht gelingt es dir. Wenn du von hier fortziehst, gelangst du in einen großen Wald. Mitten darin findest du eine Goldburg; ein Fenster ist immer offen. Dann binde deines Pferdes Schweif auf, dass auch nicht ein Haar stehen bleibt, und springe durchs Fenster hinein. Gleich dort wirst du die Zauberschöne Ilona finden, doch küsse sie nicht, denn dann wär’s aus mit dir, sondern reiß ihr ein Haar aus, damit binde des goldstimmigen Finken Schnabel zu, der dort gleich neben der Zauberschönen Ilona in einem Käfig steht. Zur Linken fließt das Wasser der Jugend, zur Rechten das des Todes, fülle deine Krüge; und dann mache dich auf; doch gib Acht, dass deines Pferdes Schweif aufgebunden ist, denn sonst merken sie etwas, und du weißt schon, was danach kommt. Sieh hier diese Bürste und dieses Ei und dieses Handtuch; wenn du in Not kommst, kannst du dir mit diesen noch helfen.«

Damit holte auch die dritte Alte einen Krug, gab ihn dem Königssohn zusammen mit der Bürste, dem Ei und dem Handtuch. Jener indessen machte sich auf; bald war er auch in der Waldesmitte angelangt, bei der Goldburg.

Just Mittag war’s; die Sonne brannte, dass der Königssohn schier geblendet wurde von dem Glanz, den er erblickte. Auf die Goldburg strahlte die Sonne, das war dieser strahlende Glanz. Er sprang vom Pferd herunter; sein erstes war, den Schwanz aufzubinden. Dann schwang er sich auf und sprang durch das offene Fenster hinein. Dort sperrte er wirklich Mund und Augen auf, denn so etwas hatte er sein Lebtag noch nicht gesehen. In einem Sessel saß die Zauberschöne Ilona, noch schöner wohl als man sie hätte malen können, neben ihr in einem Käfig der Fink mit der goldenen Stimme. Schon neigte er sich über der Zauberschönen Ilona Antlitz, es zu küssen, doch gerade fiel ihm noch der Alten Rede ein. Er zog ein Goldhaar aus ihrem Haupt, band damit des goldstimmigen Finken Schnabel. Dann schöpfte er vom Wasser der Jugend und des Todes; soviel Krüge er gebracht, alle tauchte er ein, nahm den Käfig mitsamt dem Finken mit der goldenen Stimme auf den Sattel, und damit heidi! ging’s zum Fenster hinaus.

Ja, aber er hatte vergessen des Pferdes Schweif nochmals zu binden, ein Haar hing heraus, rührte au die Burg, die erscholl aber so, dass die Feen alle von dem Schall erwachten. Sogleich wussten sie, dass dort jemand gewesen war. So viele ihrer waren, allesamt hinter dem Königssohn her! Fast hatten sie ihn schon erreicht, da schleuderte der Königssohn die Bürste fort, die ihm die Alte gegeben hatte. Auf der Stelle wurde ein großer Wald aus ihr.

Na, da waren die Feen geleimt; denn wenn man ihnen ein Hindernis in den Weg legt, können sie nicht drüber weg fliegen; sie mussten sich durch den Wald durchschlagen. Unterdessen war der Königssohn weit fortgeeilt. Doch die Feen brauchen nicht viel, wenn sie erst einmal ihre Flügel benutzen können; wie sie aus dem Wald heraus waren, da waren sie sogleich dem Finken mit der goldenen Stimme auf der Spur. Schon brannte der Boden unter des Pferdes Hufen, als der Königssohn das Ei hinschleuderte. Draus wurde plötzlich ein großer Berg, den mussten die Feen zu Fuß überschreiten, wenn sie den Finken mit der goldenen Stimme noch einmal sehen wollten. Doch der Königssohn warf, als er sie zum andern male dicht hinter sich sah, das Handtuch von sich; daraus wurde ein Meer, so dass nicht einmal die Feen es durchwaten konnten.

Bald darauf traf er auf seinem Weg die Hütte der Alten, von der er den Rat bekommen hatte. Er brachte ihr einen Krug mit dem Wasser der Jugend. Dann ging er der Reihe nach mit den Krügen zu den alten Frauen.

Jetzt wäre schon alles gut gewesen, da war der Fink mit der goldenen Stimme und auch das Wasser der Jugend und des Todes, nur eins war schlimm. Auf dem Heimwege traf er mit seinen Brüdern zusammen, die ganz umsonst ausgezogen waren; und sie sahen dort an seinem Halse die beiden Krüge und in seinen Händen den Käfig mit dem goldstimmigen Finken. Kurz entschlossen nahmen sie ihm alles fort und befahlen ihm, dass er sich als Knecht ankleide, bei seinem Vater als Kutscher verdinge und von all dem niemandem etwas sage, denn sonst würden sie ihn töten. Was blieb dem Königssohn anderes übrig? Er tat, wie seine Brüder ihn hießen, und versprach, nichts zu sagen. Damit zogen sie heimwärts.

Zu Hause freute sich der alte König, dass seine beiden ältesten Söhne solch wackere Männer waren, übergab ihnen sogleich ein Drittel seines Reiches. Und seinen jüngsten Sohn, der als Knecht gekleidet war, nahm er als Kutscher an.

Sie lebten glücklich. Die beiden Königssöhne spielten die Herren und waren gut dran; der jüngste striegelte Pferde und ackerte.

Einstmals wie sie erwachen, sehen sie, dass vor dem Palast eine goldene Brücke steht, eine schöne, herrliche Goldbrücke; auf der Mitte steht die Zauberschöne Ilona und ruft:

»König, König, alter König! Schicke den von deinen Söhnen heraus, der mich in meiner Burg beraubt hat!«

Zuerst staunten sie, wer das sein mag, was sie wohl herführe, doch dann fiel ihnen ein, wer es sei und warum sie gekommen. Geht der älteste hinaus, sitzt auch zu Pferde, so wie die Zauberschöne Ilona gekommen war, und tritt vor auf die Brücke. Fragt ihn die Zauberschöne Ilona:

»Königssohn, sag mir an, auszuschnäuzenden das Wasser des Todes mir zur Rechten oder zur Linken?« Da konnte jener nicht mucksen.

»Wenn du’s nicht weißt, schicke deinen jüngeren Bruder heraus, vielleicht weiß der’s zu sagen.«

Geht der zweite Königssohn hinaus; die Zauberschöne Ilona fragt auch ihn nach dem Wasser des Todes; aber auch dessen Antwort war keinen Groschen wert.

Jetzt sprach die Zauberschöne Ilona also:

»König, König, alter König! Wenn niemand aus deinem Hause sagen kann, was ich frage, ziehe ich zum Kampf gegen dich!«

Da ging der Kutscher hinein zum König, sprach zu ihm:

»Erlauchter König, Gnade meinem Haupt, erlaube, dass ich auf die Goldbrücke hinausgehen darf; vielleicht kann ich dich vor dem Krieg bewahren!«

Der König griff zu.

»Geh nur, doch sprich klug!«

Schwang sich der Königssohn auf ein Pferd, sprengte geradewegs auf die Brücke vor die Zauberschöne Ilona.

»Sag mir an, Königssohn, auszuschnäuzenden das Wasser des Todes mir zur Rechten oder zur Linken?«

»Zur Linken das Wasser der Jugend, zur Rechten das des Todes!«

»Das ist richtig,« sagte die Zauberschöne Ilona. »Und was geschah dem Finken mit der goldenen Stimme?«

»Ich nahm ein Goldhaar von deinem Haupt, damit band ich seinen Schnabel, und so trug ich ihn fort mitsamt dem Käfig.«

Der alte König und seine beiden Söhne machten da drinnen große Augen, doch besonders die beiden Königssöhne. Sie wussten, dass es jetzt ein Ende hatte mit ihrem Pfingst-Königreich.

Nun fragte die Zauberschöne Ilona den jüngsten noch:

»Und ich, wer bin ich?«

»Du bist die Zauberschöne Ilona! Aus deiner Burg holte ich das Wasser der Jugend und des Todes und den kleinen Finken mit der goldenen Stimme!«

»Nun, wenn ich das bin, so bist du mein schönes Herzlieb, Grabscheit und Hacke scheide uns nur!«

Sie umarmten sich, küssten sich, gingen hinein in den königlichen Palast. Von den beiden ältesten Königssöhnen war nur noch die leere Stätte da; sie waren von dannen gezogen, wer weiß wohin! Der alte König gab dem jungen Paar das ganze Reich, und sie wurden getraut, hielten eine Hochzeit, von der man siebenmal sieben Königreiche weit hörte, und sie leben jetzt noch, wenn sie nicht gestorben sind.

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