Ein Schmied hatte einen Prediger aus der Stadt zum Mittagessen eingeladen. Zu seiner Tochter sagte er: „Höre, Emely‘ ich gehe jetzt den Prediger vom Bahnhof abholen. Du brätst inzwischen in der Röhre zwei Enten goldbraun. Aber dass du mir nicht davon isst!“ „Wie sollte ich“, sagte Emely, „ich habe ohnehin keinen Appetit auf Entenfleisch.“
Der Schmied ging also dem Prediger entgegen, und das Mädchen bereitete den Entenbraten zu. Aus der Backröhre duftete es. Der Duft stieg Emely angenehm in die Nase. So angenehm, dass sie sich sagte: ,Ich will doch ein ganz kleines Stückchen kosten.‘
Und sie brach einen Flügel ab.
,Wenn dem Vogel schon ein Flügel fehlt‘, dachte sie nach einer Weile, ,kann er sich auch ohne den anderen begnügen.‘ Danach kam die Keule an die Reihe, und bald waren von der Ente nur noch die Knochen übriggeblieben.
,Eine Ente allein ist in der Bratpfanne zu einsam‘, sagte sich Emely‘ als sie die Knochen dem Hund hingeworfen hatte, und sie verzehrte auch die andere Ente.
Es dauerte nicht lange, und der Vater kam mit dem Prediger nach Hause.
„Emely, deck den Tisch, ich will inzwischen das Messer schleifen“, sagte der Schmied, und er ging an den Schleifstein im Hof.
Emely wusste, dass gleich ein Gewitter heraufziehen würde. Aber um eine Ausrede war sie noch nie verlegen, und so begann sie um nichts und wieder nichts laut zu schluchzen.
„Was fehlt dir denn, Töchterchen?“ fragte der Prediger.
„Ach, mein Vater ist ein schrecklicher Mensch. Jeden Sonntag bringt er einen Gast zum Mittagessen, und dann geht er hinaus, das lange Messer zu schleifen.“
„Wozu braucht er denn das lange Messer, Töchterchen?“
„Um den Gast zu erstechen“, schluchzte Emely.
Der Prediger erblasste und sprach, am ganzen Leibe zitternd:
„Ach, Töchterchen, reich mir doch meinen Hut!“
Gleich darauf sah man den Prediger mit dem Hut in der Hand aus dem Haus laufen.
Als der Schmied in die Stube zurückkam, um mit dem geschliffenen Messer den Entenbraten zu tranchieren, sagte Emely: „Sieh nur, Vater, der Prediger hat beide Enten aufgegessen, fast wäre er daran erstickt. Und wie er sie hinuntergewürgt hat, ist er, ohne ein Wort zu sagen, vom Tisch aufgestanden und davongelaufen.“
Der Schmied rannte auf den Hof und rief dem Gast nach: „He, lieber Freund, wohin denn so eilig? Wartet doch ein Weilchen!“
Der Prediger wandte sich im Laufen um und schrie zurück:
„Das könnte Euch so passen! Aber merkt es Euch: Mit mir braucht Ihr niemals mehr zu rechnen.“
Da ging der Schmied ins Haus zurück und sagte: „Was ist dieser Prediger doch für ein undankbarer Mensch.“
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