Es gibt so viele Märchen. Manchmal hat man keinen Mut, neue zu machen. Aber hört zu, heute ist mir etwas eingefallen, das ist sonderbar. Vielleicht lohnt es sich doch, das zu erzählen, Und wenn nicht? – O, es gibt viele Papierkörbe, oder, es gibt viele Mäuse, die kriechen in die Schublade hinein und fressen alle Märchen auf.

Nun, soweit ist es noch nicht. – Es war einmal ein König, dem war seine Krone zu schwer, ja so etwas gibt es. Besonders, wenn er in den Gerichtssaal ging, bekam er Kopfschmerzen. Vielleicht war er auch zu gut, er brachte es nicht fertig, jemanden zu erhängen. Aber der König hatte eine Frau, und die war klug. Die Frau ging auf den Speicher und durchsuchte alle Kisten und Truhen. „Lieber Mann“, sagte sie am Abend, „ich habe in der himmelblauen Schachtel meiner Urgroßmutter eine goldene Mütze gefunden. Sie ist so leicht wie eine Feder und ganz aus Brokat, sie ist herrlich anzusehen, und das Futter ist aus roter Seide.“ Der König freute sich, er probiert die Mütze an, sie sah großartig aus, und der König gab seiner Frau einen Kuss. „Ich kann sie zwar nicht immer tragen, aber für den Gerichtssaal ist sie richtig!“ „Ach, Unsinn“, meinte die Frau, „ein König kann tragen, was er will.“ Und da hatte sie wieder recht. – Also legte der König die Krone in die himmelblaue Schachtel und trug die goldene Mütze.

Am nächsten Tag fragte die Königin: „Was sollen wir kochen?“ „Ach, es ist gleich“, sagte der König, „meinetwegen Klöße.“ Als die Klöße auf den Tisch kamen, schrie der König: „Was ist das für ein Essen?“ „Klöße“, sagte die Königin. „Zum Teufel!“ rief der König, „das ist kein Essen für ein Schloss!“ und er stand auf und ging. Die Königin weinte und ging in ihre Kammer. Am nächsten Tag fragte die Königin: „Was sollen wir kochen?“ „Erbsensuppe“, sagte der König. Aber als die Erbsensuppe auf den Tisch kam, schrie der König: „Ist das eine Speise für uns?“

„Warum denn nicht?“ sagte die Königin. Da schlug der König mit der flachen Hand in den Teller hinein, und die Königin lief hinaus. Aber das war trotz allem nicht das Schlimmste. Im Gerichtssaal ging es plötzlich ganz anders zu. Jeder, der etwas gestohlen hatte, sollte erhängt werden. Jeder, der ein bisschen eigenartig aussah und böse Träume hatte, der sollte verbrannt werden.

„Der König muss eine Krankheit haben“, sagte der Minister.

„Wir können diese Befehle nicht ausführen.“ Man fertigte also Puppen aus Holz an, die man je nach Gebrauch erhängte oder verbrannte. Das Volk durfte nicht zusehen, und der König betrachtete alles vom Fenster aus. Nein, niemand bemerkte, was in Wirklichkeit vorging. Niemand? O, das wäre zuviel gesagt. Die Köchin hatte einen kleinen Sohn, der hieß Peter. Dieser kam jeden Tag, um die Kessel auszukratzen. Der kleine Peter wurde satt davon, das war nicht zu verwundern. Welche Köchin lässt ihren Sohn verhungern? Der kleine Peter war sehr neugierig, er war einmal hier und einmal dort, ein richtiger Wirbelwind. So stand er dann eines Tages vor der Kammer der Königin. „Ach‘ lieber Mann, was machst du nur?“ rief die Frau, „heute gab es Sauerbraten, und du warfst das ganze Fleisch dem Diener an den Kopf.“ „Das ist meine Sache“, rief der König, „wieso ist das ein Essen für uns, das ist ein Essen für arme Leute!“ „Es ist ein Jammer, wie du dich veränderst“, sagte die Königin, „ich weiß mir nicht mehr zu helfen“.

„Schweige“, schrie der König, „das ist meine Sache. Bisher war ich ein Trottel und kein König.“ „O nein, du warst kein Trottel!“ „Doch, ich war ein Trottel.“ „Nein, du warst kein Trottel.“ „So widersprich mir doch nicht!“ „Doch,“ rief die Königin, „ich muss dir widersprechen!“ Da tat der König etwas Furchtbares, er gab seiner Frau eine Ohrfeige. Das war jedoch der Königin zuviel, und sie gab ebenfalls dem König eine Ohrfeige. Dabei fiel die Mütze von seinem Kopf. Da erschrak der König. „Mein Gott“, sagte er, „was machen wir?“ „Uns schlagen“, rief die Königin und fing an, jämmerlich zu weinen. „Nein, das tut mir leid“, flüsterte der König, „das wollte ich nicht!“ Der kleine Peter sah alles, er sah durch das Schlüsselloch. „Mein Gott“, dachte er, „wenn diese Bosheit nicht mit der Mütze zusammenhängt?“ Als das Königspaar schlief, schlich der Peter sich in die Kammer und stahl die goldene Mütze. Er trug sie nach Hause, wickelte sie in ein Tuch und vergrub sie im Garten. Nun wäre alles gut gegangen, wenn der kleine Junge nicht einen schwarzen Hund gehabt hätte. Dieser Hund war jung, er scharrte überall Löcher in die Erde und fand so eines Tages die kostbare Mütze. Nun traf es sich, dass der König seinen Spaziergang machte, er sah, wie der Hund mit der Mütze zwischen den Zähnen hin und hersprang. „Das ist der Hund des kleinen Peter“, sagte der Diener. „Welcher Peter?“ fragte der König. „Ei, der Sohn der Köchin.“

„So“, sagte der König, er lachte und war eigentlich gar nicht böse. Als aber der König die goldene Mütze anzog schrie er: „In den Kerker mit dem kleinen Peter!“ So geschah es. Der Knabe saß nun Tag und Nacht bei Wasser und Brot, und das Schlimmste war, dass man ihn nicht reden ließ. Der kleine Peter grübelte,. er weinte nicht. – „Solange ich atme, geht es noch“, dachte er, und das ist wahr. Der Kerker war nicht gerade hässlich, trockenes sauberes Stroh lag auf dem Boden, und wenn der Knabe sich auf die Holzbank stellte, sah er zum Fenster hinaus. Da erblickte er den wunderschönen Garten der Königin. Niemand in der Stadt wusste, wie er aussah. Wie freute der kleine Peter sich. So ein königlicher Garten ist ja etwas Besonderes. Es gibt da Blumen aus fremden Ländern und eben solche Vögel, die auf goldenen Stangen sitzen. Ihre Flügel, wenn sie ausgebreitet sind, haben den Glanz von Edelsteinen. Und die Gesänge solcher paradisischer Geschöpfe klingen seltsam. Doch zuweilen sind sie traurig, sie steigen wie die Sprossen einer unendlichen Leiter hinauf in den Himmel. „Nein, geht nicht fort, ihr schönen Lieder“, dachte der kleine Peter, und da er nicht sprechen durfte, fing er an zu singen, die Vögel erhoben ihre Köpfe und wandten sich ganz dem Menschenkinde zu, schlugen mit den farbigen Schwingen und lauschten.

„Gold’ne Mütze, gold’ne Mütze,
sag, was bist du für ein Ding?
Eines Zwerges gold’ne Hütte,
eines Riesen Fingerling?
Dunkles Schicksal für den Menschen, und ein Rätsel für ein Kind.
Deine blitzend bunten Fäden
sind der Hexe Angebind!“

„Der kleine Peter muss sterben“, dachte der König. Aber es war ihm zu Ohren gekommen, dass man Puppen verbrannte und erhängte. Der König ordnete an, dass der Knabe öffentlich auf dem Marktplatz erhängt werden sollte, und der König selbst wollte zusehen. Die Königin weinte. Sie nahm köstliche Früchte und Zuckergebäck, steckte die Dinge auf eine Stange und schob sie durch die Gitterstäbe des Kerkers. Ach, der kleine Peter freute sich, und er ahnte sein Unglück nicht. Er schaute in den Garten hinein, wo jetzt die Söhne des Königs mit silbernen Bällen spielten. Er sah die Wasserspiele, die weißen, glänzenden Mädchen aus Marmor, die rund um den Teich standen und sich an den Händen hielten. Über ihren Schultern hingen Kränze aus silbernen Blumen, und die kleinen Prinzen sprangen hinauf und hingen an den schimmernden Girlanden wie Schmetterlinge. In der Mitte eines Brunnens erhob sich ein Wassermann aus grauem Stein, er trug einen schwarzen Käfig auf seinem Kopf, und darin saß ein weißer Vogel. „Auf wie viele Arten die Menschen leben“, dachte der kleine Peter, „und auf wie viele Arten sie glücklich sind. Meine Mutter kocht. Wenn ihr jemand den Holzlöffel aus der Hand nähme, würde sie weinen. Mein Großvater hatte einen Acker, der war voller Steine, es war eine Qual, dort zu arbeiten und zu pflanzen. Aber hätte man meinem Großvater dieses elende Stück Land abgenommen, er hätte wohl geweint. Die Königskinder brauchen einen Garten mit so viel unnützen Dingen, und ich selbst bin zufrieden, diesen Garten nur zu sehen. Nun aber, in diesem Augenblick, wo der kleine Peter seine Gedanken zurechtlegte wie ein Mann sein Kartenspiel, in diesem Augenblick kam ein Diener in den Kerker und sagte: „Komm mit, Peter!“ „Wohin?“ fragte der kleine Junge. „Sie werden dich erhängen“, sagte der Diener. Das war kein Scherz, und wie sollte dieses allzudunkle Etwas in das bunte Kartenspiel hineinpassen?

Zuerst wurde der Knabe bleich, dann fasste er sich und ging mit dem Diener. Es waren wenige Menschen auf dem Marktplatz, ein paar alte Frauen, die strickten, einige Kinder, und sonst regte sich nichts hinter den verhangenen Fenstern. Der König saß auf seinem Stuhl und hob die Hand, man legte also das Seil um den Hals des Jungen. Die alten Frauen hörten eine Weile auf zu stricken, und da nichts geschah, beugten sie ihre Köpfe und zählten die Maschen. „Das ist also auch ein Vergnügen“, dachte der kleine Peter.

„Ich frage dich“, rief nun der König, „hast du noch einen Wunsch?“ Peter nickte. „Oja“, sagte er, „gib mir eine lange Bohnenstange!“ Da lachten die Kinder, und die alten Frauen hörten auf zu stricken. „Es ist dein letzter Wunsch, und ich muss ihn dir gewähren“, sprach der König, „es ist allerdings ein dummer Wunsch.“ Die Bohnenstange wurde gebracht, Peter nahm sie in seine Hände und schlug damit dem König die goldene Mütze vom Kopf. Der König wollte schimpfen, aber nun wurde er plötzlich ganz sanft.

„Was tue ich?“ fragte er leise und erschrocken seinen Diener.

„Ihr erhängt den kleinen Peter“, sagte der Diener.

„Aber man kann doch kein Kind erhängen“, rief der König „Das war Euer Befehl“, schrien die alten Frauen, und verschiedene ließen ihre sorgsam gezählten Maschen fallen.

Da riss der kleine Peter das Seil von seinem Hals, lief auf den König zu und erzählte ihm alles.

„Ja, du hast recht“, sagte der König, „verzeihe mir von ganzem Herzen.“ „Ich bin froh, dass ich mein Leben wiederhabe“, sagte der Knabe und lief davon. Aber die Mütze, die nahm er mit, die stahl er also zum zweiten Mal. Zu Hause trennte er die Naht des roten Futters auf, und was meint ihr, was darin steckte? Eine winzige kleine Fledermaus. Ehe Peter sie richtig betrachten konnte, flog sie in die Luft hinein.

Ja, so ist es. Man sollte mit alten Sachen recht vorsichtig sein. Da findet man etwas Wunderbares in einer hellblauen Schachtel, und schließlich steckt der Teufel darin.

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