Neuisländisches Volksmärchen
Ein Königspaar hat drei Söhne. Die beiden älteren gehen jeden Tag bei schönem Wetter in den Wald, aber den jüngsten Bruder, der Lupus hieß, wollen sie nie mitnehmen. Eines Tages bittet er sie jedoch so lange, bis er sie endlich begleiten darf. Als sie eine Weile im Wald gewesen sind, überfällt sie ein dichter Nebel. Sie gehen weiter und weiter, wissen aber nicht, wohin sie schließlich gelangen werden. Lupus, der vorangeht, lacht in einem fort. Die Brüder werden darüber böse und sagen, sie würden ihn von nun an nie wieder in den Wald mitnehmen. Lupus fragt sie darauf, ob sie denn wüssten, wo sie die Nacht zubringen würden. Natürlich daheim im Schlosse, meinen die anderen. Lupus sagt ihnen aber voraus, dass sie in der Nacht bei vier Riesinnen schlafen würden. – In weiter Ferne sehen sie Licht schimmern. Sie gehen darauf zu und kommen an eine Höhle, in deren Eingang eine Riesin steht. Sie lädt die älteren Königssöhne ein, die Nacht drinnen zuzubringen, von Lupus will sie aber nichts wissen. Nur auf die besondere Fürbitte seiner Brüder darf er schließlich auch hereinkommen, wird aber die ganze Zeit hindurch schlecht behandelt. Wie es Schlafenszeit ist, sollen die beiden älteren Königssöhne bei den beiden älteren Riesentöchtern schlafen, die Mutter legt sich zur jüngsten Tochter ins Bett, und Lupus kann zusehen, wie er auf dem Boden ein Lager findet. Alle legen sich nun zur Ruhe.
Nach einer Weile macht Lupus Lärm, so dass die Alte wieder wach wird und ihn zu töten droht, wenn er nicht still sei. Eine kurze Zeit bleibt Lupus ruhig, dann beginnt er den Lärm aufs Neue. Auch jetzt erwacht wieder die Alte und schreckt ihn mit der gleichen Drohung. Wie Lupus nun zum dritten Male laut und unruhig wird, hört ihn niemand mehr, denn alle sind fest eingeschlafen. Nun steht er auf, weckt seine Brüder und sagt, ob sie sich denn nicht schämten, wie die Schweine bei den Riesinnen zu schlafen. Jetzt wäre es Zeit zu entfliehen. Mit diesen Worten tötet er die beiden Schlafgefährtinnen seiner Brüder und sticht die übrigen mit einem Schlafdorne. Dann macht er sich mit seinen Brüdern auf den Weg, bis er in ein Königreich gelangt. Hier haben die beiden älteren Prinzen die Felder zu bestellen, während Lupus gemeinsam mit einem missgestalteten Wesen den Garten besorgen muss. Herrauður hieß der Minister des Königs. Einst tritt dieser vor seinen Herrn und sagt, dass der Garten, der vorher unter dem Ungeheuer schon so schlecht gediehen sei, jetzt unter Lupus noch viel mehr verkümmere. Der König solle sehen, dass er den Burschen bald wieder los würde, und deshalb solle er ihm auftragen, ihm den Lichtstein wiederzubringen, den er vor drei Jahren verloren habe. Der König folgt dem Rate seines Ministers. Lupus geht zu seinem Ungeheuer und fragt dieses um Rat. Dann macht er sich auf und schleicht sich am Abend an die Höhle derselben Riesin, deren Töchter er einst ermordete. Wie er zum Küchenfenster hineinsieht, hört er, dass der Alten das Wasser mangelt, und dass ihre Tochter nun gehen soll, um Wasser zu holen. Doch die will es nur tun, wenn die Mutter ihr den Lichtstein mitgebe, den Herrauður einst dem Könige gestohlen und ihnen anvertraut habe. Nach langem Sträuben gibt die Alte den Stein heraus, und das Mädchen macht sich auf den Weg. Als sie zur Quelle niedersteigt, legt sie den Stein so lange beiseite. Nun nimmt ihn Lupus fort und bringt ihn sogleich dem Könige. – – Auf Anstiften Herrauðurs soll jetzt Lupus den gestohlenen Goldring wiederschaffen. Auch hierfür weiß das Ungeheuer guten Rat. Das Kleinod ist gleichfalls von Herrauður nach dem Diebstahl bei den Riesinnen versteckt worden. Lupus verwandelt sich in ein kleines Kind und beginnt vor den Fenstern der Höhle zu schreien. Die Riesentochter wird dadurch auf ihn aufmerksam, findet ihn und beschließt, den kleinen Knaben aufzuziehen, um ihn später zu heiraten. Die Mutter widersetzt sich zwar dem Plane und möchte das Kind lieber töten, doch die Tochter bekommt schließlich ihren Willen. Lupus wird nun in die Höhle genommen und in eine Wiege gelegt. Doch er schreit unaufhörlich und will sich auf keine Weise zufrieden geben, bis man ihm endlich den Goldring zur Beruhigung gibt. Nun lächelt er, spielt mit dem Ringe und ist ganz still. Von dem langen Wachen sind die Riesinnen übermüdet, so dass sie fest einschlafen – Lupus aber macht sich schnell davon und bringt dem Könige den Ring. – – Jetzt soll Lupus noch ein Goldgewand wiederfinden, das auf die gleich unerklärliche Weise dem Könige einst abhanden kam. Auch dies hat nach Aussage des Ungeheuers der ungetreue Herrauður einst gestohlen und den Riesinnen zum Aufbewahren gegeben. Lupus macht sich nun ganz mager und wankt auf zwei Krücken zur Höhle der Riesinnen. Wie er zu ihnen kommt, erkennen sie ihn sogleich und wissen auch, dass er einst zwei von ihnen tötete und ihnen den Lichtstein und den Goldring stahl. Zur Strafe solle er aber jetzt auch geschlachtet und gegessen werden. Doch er ist noch allzu mager. Deshalb wird Lupus zwei Monate von ihnen gefangen gehalten und ordentlich genudelt. Um zu erproben, ob er fetter geworden ist, muss er immer einen Finger herausstrecken, und in diesen beisst dann die Riesentochter hinein. Endlich scheint er zum Mahle geeignet. Die Mutter geht wie gewöhnlich in den Wald, während die Tochter zu Hause bleibt, um den Burschen zu schlachten und zuzubereiten. Sie lässt ihn zu dem Zwecke aus seinem Gefängnisse heraus. Lupus erklärt, mit seinem Tode einverstanden zu sein, nur möchte er vorher noch gar zu gern die Höhle und all ihre Kostbarkeiten betrachten. Gutmütig erfüllt das Mädchen seine Bitte. Sie gelangen bei dieser Gelegenheit auch in ein Zimmer, das durch eine Eisentüre abgeschlossen ist. In diesem Raume steht nur eine große Kiste. Wie die Riesin diese aufschließt, sieht Lupus das Goldgewand und einen Papiersack. In diesem letzteren liegen die beiden Lebenseier der Riesinnen. Neugierig fragt er, wo denn das Lebensei des Mädchens sei. Sie zeigt es ihm, und er nimmt es in die Hand, als wenn er es betrachten wolle. Im gleichen Augenblick zerschlägt er es dann auf ihrer Nase, so dass sie tot zu? Boden fällt. Dann zieht er ihre Kleider an, zerschneidet und kocht sie. Wie die Alte nach Hause kommt, wird auch sie durch ihr Lebensei getötet. Lupus verbrennt die Leichen, nimmt alle Schätze und auch das Goldgewand aus der Höhle mit sich und kehrt zum König zurück. Hier darf er sich zum Lohne für seine Dienste eine Gnade auswählen. Auf seine Bitte wird nun der Minister Herrauður gezwungen, seine Lebensgeschichte zu beichten. Zuerst versucht er zwar zu lügen, aber schließlich muss er gestehen, dass er ein Riesensohn sei, der seine Eltern und drei Schwestern getötet habe. Der vierten Schwester, die in einer Höhle lebte, habe er die drei von ihm gestohlenen Kleinodien, den Lichtstein, den Goldring und das Goldgewand zum Aufbewahren gegeben. Die einzige Tochter des Königs, Ingibjörg, habe er während dessen Abwesenheit durchaus heiraten wollen. Da sie sich ihm widersetzt hätte, so sei sie von ihm in das scheußliche Ungeheuer verwandelt worden, das den Gemüsegarten jetzt besorge. Seine Absicht sei nun gewesen, den König zu ermorden und das Mädchen auch wider ihren Willen zur Frau zu nehmen. – Herrauður wird nun gezwungen, die Königstochter wieder zu entzaubern. Dann wird er verbrannt, während Lupus und Ingibjörg miteinander Hochzeit halten.
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