Es war einmal vor vielen Jahren in Indien. Da stand irgendwo mitten in der Einsamkeit ein großer Tempel aus Gold. Seine Innenwände waren mit tausend Spiegeln ausgekleidet, so dass jeder, der in diesen Tempel trat, sich tausendfach wieder sah.
Eines Tages geschah es, dass sich ein Hund darin verirrte. Er freute sich über seine Entdeckung und glaubte nun, ein reicher Hund zu sein, als er das äußere Gold sah und ging in den Tempel der tausend Spiegel hinein. Aber da sah er sich tausend anderen Hunden gegenüber. Er wurde furchtbar wütend, weil die andern ihm zuvorgekommen waren und fing an zu bellen. Jedoch die tausend Hunde bellten gleichermaßen zurück, waren es doch seine Spiegelbilder. Da steigerte sich sein Zorn noch mehr, aber die Wut der anderen Hunde ebenfalls. Erst nach langer Zeit fand der Hund, völlig erschöpft und zerschlagen, wieder den Ausgang.
„Wie ist die Welt doch böse“, sagte sich der Hund, „sie besteht aus lauter wütenden Hunden.“
Es vergingen viele Jahre. Da geschah es wieder einmal, dass ein Hund zum Tempel der tausend Spiegel kam. Auch er freute sich über seine Entdeckung. Auch er ging hinein, und auch er sah sich tausend Hunden gegenüber. Aber dieser Hund freute sich, dass er in der Einsamkeit Gesellschaft gefunden hatte und wedelte freundlich mit dem Schwanz. Da wedelten die tausend Hunde zurück, und er freute sich, dass die anderen Hunde sich freuten, und die Freude kein Ende findet. Deshalb ging der Hund immer wieder in den Tempel der tausend Spiegel, um sich mit den andern Hunden zu freuen. „Wie ist die Welt doch schön“, sagte der Hund dann zu sich selbst. „Überall hat es freundliche Hunde, die mit dem Schwanz wedeln!“
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