Gebr. Grimm
Es war einmal ein Schuhmacher, welcher drei Töchter hatte; auf eine Zeit als der Schuhmacher aus war, kam da ein Herr, welcher sehr gut gekleidet war, und welcher eine prächtige Equipage hatte, so dass man ihn für sehr reich hielt, und verliebte sich in eine der schönen Töchter, welche dachte, ihr Glück gemacht zu haben mit so einem reichen Herrn, und machte also keine Schwierigkeit mit ihm zu reiten. Da es Abend ward, als sie unterwegs waren fragte er sie:
„Der Mond scheint so hell
meine Pferdchen laufen so schnell
süß Lieb, reut dich’s auch nicht?“
„Nein, warum sollt mich’s reuen? ich bin immer bei Euch wohl bewahrt,“ da sie doch innerlich eine Angst hatte. Als sie in einem grossen Wald waren, fragte sie, ob sie bald da wären? – „Ja, sagte er, siehst du das Licht da in der Ferne, da ist mein Schloss;“ endlich kamen sie da an, und alles war gar schön.
Am andern Tage sagte er zu ihr, er müsst auf einige Tage sie verlassen, weil er wichtige Affairen hätte, die notwendig wären, aber er wolle ihr alle Schlüssel lassen, damit sie das ganze Castell sehen könnte, von was für Reichtum sie all Meister wär. Als er fort war, ging sie durch das ganze Haus, und fand alles so schön, dass sie völlig damit zufrieden war, bis sie endlich an einen Keller kam, wo eine alte Frau saß und Därme schrappte. „Ei Mütterchen, was macht sie da?“ – „Ich schrapp Därme, mein Kind, morgen schrapp ich eure auch!“ Wovon sie so erschrak, dass sie den Schlüssel, welcher in ihrer Hand war, in ein Becken mit Blut fallen ließ, welches nicht gut wieder abzuwaschen war: „Nun ist euer Tod sicher, sagte das alte Weib, weil mein Herr sehen kann, dass ihr in der Kammer gewesen seid, wohin ausser ihm und mir kein Mensch kommen darf.“
(Man muß aber wissen, daß die zwei vorigen Schwestern auf dieselbe Weise waren umgekommen.)
Da in dem Augenblick ein Wagen mit Heu von dem Schloss weg fuhr, so sagte die alte Frau, es wäre das einzige Mittel, um das Leben zu behalten, sich unter das Heu zu verstecken, und dann da mit weg zu fahren; welches sie auch tät. Da inzwischen der Herr nach Haus kam, fragte er, wo die Mamsell wäre! „O, sagte die alte Frau, da ich keine Arbeit mehr hatte, und sie morgen doch dran musste, hab ich sie schon geschlachtet, und hier ist eine Locke von ihrem Haar, und das Herz, wie auch was warm Blut, das übrige haben die Hunde alle gefressen, und ich schrapp die Därme.“ Der Herr war also ruhig, dass sie tot war.
Sie kommt inzwischen mit dem Heuwagen zu einem nah bei gelegenen Schloss, wo das Heu hin verkauft war, und sie kommt mit aus dem Heu und erzählt die ganze Sache, und wird ersucht, da einige Zeit zu bleiben. Nach Verlauf von einiger Zeit nötigt der Herr von diesem Schloss alle in der Nähe wohnenden Edelleute zu einem großen Fest, und das Gesicht und Kleidung von der fremden Mamsell wird so verändert, dass sie nicht erkannt werden konnte, weil auch der Herr von dem Mord-Castell dazu eingeladen war.
Da sie alle da waren, musste ein jeder etwas erzählen, da die Reihe an die Mamsell kam, erzählte sie die bewusste Historie, wobei dem sogenannten Herrn Graf so ängstlich ums Herz ward, dass er mit Gewalt weg wollte, aber der gute Herr von dem adelichen Haus hatte inzwischen gesorgt, dass das Gericht unsern schönen Herrn Grafen in Gefängnis nahm, sein Castell ausrottete, und seine Güter alle der Mamsell zu eigen gab, die nach der Hand mit dem Sohn des Hauses, wo sie so gut empfangen war, sich verheiratete und lange Jahre lebte.
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