Gräfin Valeska Bethusy-Huc
Mitten im Walde lag eine Wiese, und inmitten der Wiese war ein Sumpf mit braunen Wasserlachen und alten Weidenknorren am Rande. Das war das Reich des Froschkönigs. In den Maiennächten, wenn der Mond wie eine rote Kugel über dem Walde aufstieg, hatten die Frösche großes Konzert. Der Jägerlehrling, der vorüberging, sagte: »Das ist ja ein schreckliches Gequake!« Er verstand es eben nicht besser. Der Froschkönig wusste, dass seine Untertanen sehr gute Sänger waren, und dass er sogar einige Künstler ersten Ranges darunter hatte.

Darum saß er auch jeden Abend mit der Königin und dem Kronprinzen auf dem größten Weidenknorren und hörte den Gesängen der Frösche zu. Und dabei sahen er und die Königin immer abwechselnd den Kronprinzen an; denn sie warteten darauf, dass er etwas sagen und seine Meinung äußern würde. Ein paar mal machte er auch sein großes Maul, das seine Mutter wunderschön fand, weit auf – aber er sagte nicht einmal: »Quak!« – er gähnte ganz einfach. Und plötzlich machte er einen Satz und sprang ins Wasser.

»Er ist so originell,« sagte die Froschkönigin, »er ist anders als alle anderen Frösche, er ist durch und durch bedeutend.«

»Ja,« erwiderte der Froschkönig, »und ich denke auch daran, ihn noch bei meinen Lebzeiten zu meinem Nachfolger zu machen; denn ich bin alt, und das Regieren macht mir keinen Spaß mehr.«

»Das ist ein guter Gedanke!« rief die Königin. »Alle Frösche auf der Welt werden dich dafür preisen; denn je jünger ein so bedeutender Frosch, wie unser Sohn, zur Regierung kommt, um so besser wird es für unser Reich und darum auch für die ganze Welt sein; einen König, der einen Edelstein im Kopf hat, den hat es noch nicht gegeben.«

Der alte Froschkönig seufzte.

»Ja, ich habe keinen Edelstein im Kopf; denn es passiert nur alle 500 Jahre einmal, dass ein Frosch einen Edelstein im Kopf trägt – und da mein Sohn ihn hat, konnte ich ihn nicht haben. Das ist klar!«

Eigentlich hätte er seine Frau gern gefragt, woher sie es denn wisse, dass der Prinz den Edelstein hatte, aber es kam ihm immer vor, als ob er sich mit dieser Frage etwas vergeben würde und deshalb unterließ er sie. Schon als der Froschprinz noch eine Kaulquappe war, hatte seine Mutter gesagt, dass er den Edelstein hätte, denn es waren gerade 500 Jahre her, dass der letzte Frosch mit einem Edelstein im Kopf gelebt hatte. Und dann hatten es die Ministerfrauen erfahren, die Minister waren zur feierlichen Gratulationscour gekommen, und der König hatte ein Volksfest gegeben, beim dem es allen Fröschen im ganzen Reich verkündet wurde: »Der Kronprinz hat einen Edelstein im Kopfe!« Und nun wussten es alle, und als der Prinz aufhörte, eine Kaulquappe zu sein, erfuhr er es auch. Er trug den Kopf so hoch, wie ein Frosch den Kopf nur tragen kann; es ist auch keine Kleinigkeit, wenn man das Bewusstsein hat, etwas zu besitzen, dass nur alle 500 Jahre einmal verliehen wird. Aber trotzdem langweilte der Prinz sich oft ganz abscheulich, und dagegen kannte er nur ein Mittel; er besuchte den kleinen grünen Frosch, der auf der anderen Seite des Sumpfes wohnte und der sein Jugendgespiele war. Als er so unversehens in das Wasser gesprungen war, hatte er gerade wieder Sehnsucht nach dem kleinen grünen Frosch bekommen, und da er sich niemals irgend einen Zwang antat, so war er zu ihm geschwommen. Der grüne Frosch war aber nicht zu Hause, der Prinz musste warten, und seine Laune wurde dadurch noch schlechter, als sie ohnedem war.

Endlich kam der grüne Frosch.

»Wo treibst du dich herum?« schrie der Prinz ihn an, »ich komme beinahe um vor Langeweile und du hüpfst spazieren!«

»Wenn du dich langweilst, solltest du einmal mit mir ein Stückchen in die weite Welt hinaus wandern«; sagte der grüne Frosch. »Da gibt es allerlei zu sehen und zu hören – – –«

»Unsinn,« quakte der Prinz, »die weite Welt ist nur der Rahmen für unseren Sumpf, und ich kann meine Zeit nicht damit verlieren, dass ich mich mit etwas so Nebensächlichem wie deine ›weite Welt‹ befasse.«

»O,« meinte der grüne Frosch, »ich habe schon manchmal gedacht, dass unsere Gefährten sich irren. Vielleicht ist unser Sumpf gar nicht der Mittelpunkt der Welt und alles andere nur ›Rahmen‹ dafür.«

Gewöhnlich unterhielt es den Prinzen, wenn der grüne Frosch solche Absonderlichkeiten redete, aber heute stand ihm die Laune nicht danach.

»Schweig still,« schrie er, »du redest puren Hochverrat, und ich müsste dich eigentlich wegen gemeingefährlicher Gedanken anzeigen. Aber ich will dir noch einmal gnädig verzeihen, wenn du versprichst, solche verbotenen Gedanken nie wieder zu haben. Wir und unser Sumpf, wir sind der Mittelpunkt der Welt – punktum! Und dann habe ich noch einen anderen Grund zur Unzufriedenheit: dir leuchten die Augen so, dass es grässlich anzusehen ist. Das musst du dir abgewöhnen.«

Der grüne Frosch verneigte sich höflich, um anzudeuten, dass er sein Möglichstes tun würde, und der Prinz fuhr unzufrieden fort: »Ja, du musst dir das entschieden abgewöhnen, denn neulich hat die jüngste Ministerfrau gesagt, deine Augen seien so merkwürdig, dass man glauben könnte, du hättest auch einen Edelstein im Kopf, der durch deine Augen hervorleuchtete. Das muss ich mir aber sehr ernstlich verbitten, denn den Edelstein habe ich, wie du weißt, und er kommt nur einmal alle 500 Jahre vor!«

»Es tut mir leid, dass ich deine Unzufriedenheit erregt habe,« sagte der grüne Frosch, »aber die jüngste Ministerfrau spricht manchmal mehr, als sie verantworten kann. Wenn meine Augen heut zu glänzend waren, so kommt es wohl daher, dass ich eine große Freude gehabt habe!«

»Was?« quakte der Prinz, »und das sagst du mir erst jetzt? Ich langweile mich zum Sterben, und du erlebst eine Freude und erzählst sie mir nicht einmal?«

»Du wolltest von der weiten Welt nichts hören, und die Freude hatte ich doch da draußen!«

»Nun erzähle endlich, was hast du erlebt?«

Und der grüne Frosch erzählte:

»Auf der anderen Seite des Waldes stehen Büsche von wilden Rosen mit vielen lichten rosa Blüten. Dort wohnt eine Prinzessin, die ist nicht viel größer als wir und trägt ein einfaches, braunes Kleid. Aber sie hat Flügel, sie fliegt von einem Rosenbusch zum anderen und hoch hinauf, wohl bald bis in den Himmel. Das schönste aber an ihr ist, dass sie singen kann« –

»Das kann ich auch, wenn ich will«, rief der Froschprinz, aber der grüne Frosch erzählte weiter:

»Sie singt so wundersam, wie ich es nie vorher gehört habe. Das Herz wird einem weit und froh dabei. Und als sie aufhörte, da habe ich sie gebeten: ›Singe noch einmal!‹ Da hat sie mir zugenickt und hat weiter gesungen. Ja, das hat sie getan, und das hat mich glücklich gemacht, denn das zweite Mal hat sie nur für mich gesungen!«

Dem Prinzen tat es nun eigentlich leid, dass er gesagt hatte, er wolle nicht in die weite Welt hinaus; da es nun einmal geschehen war, sagte er:

»Du bist ein Schwärmer, und das Singen wird wohl nicht schöner gewesen sein, als wir es hier alle Tage hören können. Was aber das Fliegen der Prinzessin betrifft, so lege ich darauf gar keinen Wert. Was nützen einem Flügel? Ein paar ordentliche Schwimmhäute sind mir da schon lieber. Und nun will ich zurück zu meinen Eltern, das Unken-Solo hat schon angefangen, da ist das Konzert bald zu Ende, und mein Vater hat gesagt, dass er mich noch in einer wichtigen Angelegenheit sprechen wollte, ja, unser einer hat immer irgend etwas Wichtiges vor!«

Damit sprang der Froschprinz wieder ins Wasser, denn er fand, dass der grüne Frosch heut nicht so amüsant war wie sonst, und dass der ganze Besuch sich nicht verlohnt hatte.

Als er bei seinen Eltern ankam, war das Konzert gerade zu Ende, und König und Königin zogen sich in ihr Privatsumpfloch zurück.

»Du kannst uns begleiten,« sagte der König zu seinem Sohne, »ich habe noch mit dir zu sprechen.«

Und da sagte er ihm, dass der Prinz fortan König sein und regieren solle, während das alte Königspaar in ein Auszugs-Sumpfloch, das schon lange für diesen Zweck hergerichtet worden war, übersiedeln wollte.

»Ich hab einen Edelstein im Kopf, folglich ist es auch ganz natürlich und selbstverständlich, dass ich schon bei Lebzeiten meines Vaters König werde, ja, eigentlich ist mein Vater auch geradezu verpflichtet, mir die Regierung zu übergeben.« So dachte der Prinz, und darum bedankte er sich auch nicht erst lange, sondern sagte: »Ja, es ist gut« – und damit war es gut.

»Er macht eben alles anders als andere Frösche, er ist sehr bedeutend und sehr originell«, bemerkte seine Mutter, und der alte König sagte gar nichts und kroch in sein Sumpfloch.

Der Prinz aber stieg auf die äußerste Spitze des Weidenknorrens, unter dem er wohnte, sah über den Sumpf hin und dachte:

»Jetzt ist das mein Reich, der Himmel mit den Sternen und der Wald mit den Bäumen, das ist alles nur meine Umgebung. Ja, jetzt bin ich der Mittelpunkt der Welt, und jetzt muss ich etwas sehr Bedeutendes tun.«

Aber so große Lust er auch dazu hatte – es wollte ihm nichts einfallen.

Plötzlich dachte er daran, dass ein König doch zuallererst eine Königin haben müsste. Der Gedanke gefiel ihm so gut, dass er einen Sprung von dem Weidenknorren bis in das Wasser machte. Da die Frösche aber ohnehin kaltes Blut haben, kühlte ihn das gar nicht ab, und ebenso aufgeregt, wie er von dem Weidenknorren hinabgesprungen war, kroch er wieder hinauf.

»Ja, eine Königin muss ich haben, eine Königin muss ich ganz gewiss haben«, sagte er sich immer wieder.

Er dachte an alle Froschfräulein, die er kannte, ja er dachte sogar an die Ministerfrauen, denn für einen König gab es keine Hindernisse. Aber sie kamen ihm alle so alltäglich vor, es war so gar nichts Besonderes dabei, wenn er eine von ihnen heiratete. Und er war doch etwas Besonderes – er hatte einen Edelstein im Kopfe und hätte von Rechts wegen von seiner künftigen Frau etwas Ähnliches verlangen können. Und da es unter den Fröschen so etwas nicht gab, fiel ihm plötzlich die fliegende Prinzessin ein, die so schön singen sollte. Am Ende hatte die gar einen Edelstein in der Kehle. Das Herz schlug dem Prinzen so stark, dass man es durch seinen braunen Leib hätte sehen können, wenn einer dagewesen wäre, um das zu beobachten. Er war aber ganz allein da, und auf das Herz legte er keinen Wert, er dachte nur:

»Nein, wie bin ich klug, und was habe ich für großartige Gedanken! Auf so etwas wäre kein anderer verfallen als ich, und nun weiß ich auch, dass das ganz gewiss das richtige für mich ist – ich muss die Prinzessin mit den Flügeln haben.«

Er schwamm gleich hinüber zu seinem Freunde, dem grünen Frosch, um es ihm zu sagen. Aber der war wieder nicht zu Hause. Da ärgerte der Prinz sich so sehr, dass er ganz müde davon wurde und einschlief. Beim ersten Morgengrauen weckte ihn der grüne Frosch.

»Was sehe ich, mein Prinz,« rief er, »du bist hier zu dieser Stunde und wartest auf mich?«

Der Prinz ermunterte sich schnell.

»Du hoffnungsloser Herumtreiber,« schrie er, »ich werde dich anbinden lassen, damit du nicht immer davonläufst, denn von heut ab übernehme ich die Regierung und kann tun, was ich will!«

»Verzeihe nur,« bat der grüne Frosch, »ich war wieder bei den Rosenbüschen und habe der Prinzessin zugehört, denn des Nachts singt sie am schönsten.«

Als der Prinz das hörte, vergaß er seinen Zorn.

»Wegen der Prinzessin bin ich eben zu dir gekommen,« sagte er, »du musst mich zu ihr führen, so schnell wie möglich.« »Das geht jetzt nicht, denn jetzt schläft sie,« sagte der grüne Frosch, »aber nach Sonnenaufgang« –

»Nach Sonnenaufgang habe ich keine Zeit, da will der König mir seine Krone aufsetzen – ja, du kannst mich von nun an schon Majestät nennen und hast dich genau nach meinen Befehlen zu richten, denn was ein König befiehlt, dass muss unter allen Umständen geschehen.«

Der grüne Frosch verneigte sich wieder sehr tief und sagte:

»Ich will der erste sein, der Eurer Majestät huldigt, aber den Schlaf der Prinzessin dürfen wir doch nicht stören.«

In diesem Augenblick tönte Unkenruf über den Sumpf hin, und ein rotgoldener Schein flammte über dem Walde auf.

»Na, da haben wir’s,« rief der Prinz, »die Unken läuten schon zur Krönung, nun habe ich keine Zeit mehr für meine Privatangelegenheiten, aber ich werde das gründlich nachholen!«

Damit ruderte er davon, dem Weidenknorren zu, der als Königsschloß eingerichtet war, und auf dem schon das alte Königspaar saß, dass heut zum letzten Male Kronen auf den Köpfen trug, und zu dem die Frösche nun von allen Seiten herbeieilten, während die Unken sich so anstrengten, dass es wie feierliches Glockenläuten über den Sumpf hin tönte.

Mit großer Pracht und Feierlichkeit wurde der Prinz nun von dem Könige gekrönt, und die Königin war die erste, die laut rief:

»Hoch lebe König Beckerax der Erste!«

Da schrien alle Frösche, was sie konnten, und der junge König verneigte sich huldvoll nach allen Seiten hin und sagte:

»Meine lieben Untertanen, ich ergreife die Zügel der Regierung mit großem Vergnügen, denn ich habe, wie ihr ja wisst, einen Edelstein im Kopfe, und alles andere wird sich finden!«

Da schrien alle Frösche wieder: »Hoch, hoch, hoch«, und die schönsten Froschfräulein bekränzten den Thron mit gelben Ringelblumen und blauen Vergissmeinnicht. Das alte Königspaar weinte einige Tränen und umarmte den Sohn, und dann führte der junge König seine Mutter zur Krönungstafel, und der alte König setzte sich auf seine andere Seite und ließ es sich schmecken. Die Pagen servierten Fliegenbraten à la Montmorency, Mückenpasteten à la reine, und die Unken läuteten wieder, was sie konnten.

Der ganze Tag verging mit Essen, Redenhalten, Tanzen und wieder Essen, und erst am Abend konnte der junge König den grünen Frosch zu sich rufen lassen.

»Ich ernenne dich zu meinem Kammerherrn,« sagte der König zu ihm, »und nun wollen wir uns gleich auf die Reise machen und die Prinzessin besehen. Aber wir reisen ganz inkognito, und ich verpflichte dich zu größter Verschwiegenheit.«

Der grüne Frosch bedankte sich für den Kammerherrn und versprach die Verschwiegenheit, aber es war ihm dabei nicht gut zumute, denn er betrachtete die Prinzessin wie eine Art Heilige, und es kam ihm wie eine Entweihung vor, dass er seinen alten Spielkameraden zu ihr bringen sollte, der zwar nun sein König geworden war, den er aber doch seiner angebeteten Prinzessin nicht ebenbürtig fand. Doch er hütete sich wohl, das zu sagen, und der König ließ auch nichts von seinen weiteren Plänen verlauten. Und so machten sie sich zusammen auf den Weg in die weite Welt.

»Ich habe nicht geglaubt, dass die Welt so groß und der Wald so lang ist«, sagte der König, als sie ein Stück gewandert waren.

»Ja, man muss Geduld haben, wenn man in die weite Welt zieht«, meinte der grüne Frosch.

»Ich weiß aber nicht, wozu mein Königreich so eine breite Einfassung braucht,« sagte der König, »halb so breit wäre auch genug.«

»Ja, man wird recht bescheiden, wenn man in die weite Welt zieht«, erwiderte der grüne Frosch; »denn man merkt bald, dass man so vieles nicht weiß – natürlich spreche ich bloß von meinen eigenen Erfahrungen, Eure Majestät mag das ganz anders erscheinen.«

»Ach, lass die Majestät jetzt weg,« rief der König, der sich in dem fremden Walde fürchtete, »wir reisen doch hier als Kameraden.«

Je weiter aber der Weg war, um so freundlicher wurde der König, denn um so mehr fürchtete er sich. Plötzlich blieb der grüne Frosch stehen. »Horch,« rief er, »horch!«

Da hörte der König einen süßen, seltsamen Klang, wie er ähnliches nie vernommen hatte. Und das klang nicht von unten herauf wie der Gesang der Frösche, sondern es kam von oben heran ,als fielen die Töne vom Himmel.

»Das ist sie«, flüsterte der grüne Frosch.

Vor ihnen lichtete sich der Wald. Es schimmerte weiß und hell zwischen den Bäumen.

»Was ist das?« fragte der König. »Ist dort die Welt zu Ende?«

»Nein dort stehen große Bäume, die sind ganz voll weißer Blüten, und der Mond scheint darauf, da ist’s, als leuchteten sie.«

Der König machte seine Augen noch runder, als sie ohnehin waren; sie sprangen ihm förmlich aus dem Kopf heraus vor Bewunderung über die seltsamen Dinge, die er da zu hören und zu sehen bekam.

»Dort sind die Rosenbüsche, und darin wohnt die Prinzessin!« sagte der grüne Frosch.

Da verstummte der Gesang, und ein liebliches Stimmchen rief aus den Zweigen herab: »Bist du da, kleiner Grüner? Heut will ich dir etwas besonders Schönes vorsingen.«

»Du musst mich ihr vorstellen,« flüsterte der König, der wusste was sich schickte, »sage aber zunächst bloß, dass du einen Freund mitgebracht hast.«

Das tat der grüne Frosch, und da kam die Prinzessin Nachtigall ganz dicht herangeflogen, setzte sich auf einen blühenden Rosenzweig über den beiden Fröschen und sah sie mit klaren Augen an.

»Dein Freund ist aber nicht grün wie du, der ist ja fast so braun wie ich«, zwitscherte sie.

»Ja,« rief nun der König, der diese Bemerkung für eine besondere Liebenswürdigkeit hielt, »ich bin so braun wie Sie, und wir haben wahrscheinlich noch andere Ähnlichkeiten! Ich habe nämlich einen Edelstein im Kopf, und nachdem ich Sie singen gehört habe, bin ich überzeugt, Sie haben einen in der Kehle.«

Da lachte die Nachtigall, dass der Rosenzweig schwankte.

»Nein, nein, wenn ich etwas in der Kehle hätte, da könnte ich überhaupt nicht singen. Ich singe nur, weil mein Herz voll Freude ist und voll Liebe.«

»Ja,« schrie der König, »gerade so geht es mir auch, und ich bin König Beckerax vom Froschsumpf und bin nur bis an das Ende der Welt gekommen, um Sie zu hören und zu sehen. Denn wir beide gehören zusammen, und ich will Sie zu meiner Königin machen!«

Der grüne Frosch war so erschrocken über die unerhörte Kühnheit des Königs, dass er ganz platt am Boden lag und dachte, das Herz müsste ihm stillstehen. Aber die Prinzessin Nachtigall flog schnell auf einen höheren Ast hinauf und sang:

»Ich lebe frei in Flur und Hain,
muss frei in Lüften schweben –
Und sollte ich auch Kön’gin sein –
Im Sumpf kann ich nicht leben!«

»Nein, im Sumpf kann sie nicht leben«, wiederholte der grüne Frosch, der sich von seinem Schrecken etwas erholt hatte; aber der König wurde sehr böse.

»Was ist denn das für ein zimperliches Gehabe!« schrie er. »Warum soll sie denn nicht im Sumpfe leben können? Es ist sehr schön bei uns im Sumpfe, Fräulein Prinzessin, mir gefällt es sehr gut, und einen Mann mit einem Edelstein im Kopfe kriegen sie gewiss nicht wieder. Darum überlegen sie sich nur die Sache!«

Aber die Nachtigall war weit in die blühenden Kirschen hinein geflogen und sang dort ihr Lied ganz unbekümmert um den zornigen Froschkönig. Der sagte, dass er sich nun erst recht in den Kopf gesetzt habe, die Prinzessin zur Frau zu bekommen, und als der Grüne ihm Vorstellungen machen wollte, wurde er so böse, wie er es sich nur irgend leisten konnte, da der große Wald doch noch vor ihm lag, durch den er hindurch musste, um nach Hause zu kommen. Denn nach Hause musste er zunächst, da er sich von der Prinzessin nicht auslachen lassen wollte und da er ihr doch nicht nachfliegen konnte. So sagte er also: Fürs erste sei es nun genug; er habe die Erfahrung gemacht, dass Reisen wirklich außerordentlich bilde, und das sei doch immer etwas. Während des ganzen Heimweges aber spann er Pläne, wie er seine Werbung um die Prinzessin fortsetzen könnte.

»Du musst wieder hin und ihr Vorstellungen machen«, sagte er endlich zu dem Grünen; aber der wollte davon nichts wissen. Da drohte der König, ihn ins Gefängnis setzten zu lassen, wenn er seinen Willen nicht erfüllte, und nun musste der grüne Frosch doch noch einmal zur Prinzessin zurück, nachdem er den König glücklich bis zur Wiese, die den Sumpf umschloß, gebracht hatte.

Diesmal blieb er sehr lange weg; denn erst wollte die Prinzessin ihn nicht anhören; nie und nimmer würde sie seine Frau, sagte sie; dann fing sie an, über den Froschkönig zu lachen, und endlich sang sie dem kleinen Grünen vor, so schön wie noch nie, so dass er ganz überglücklich und doch auch ganz tieftraurig dabei wurde.

»Ach, wenn ich doch niemals in den Sumpf zurück müsste«, seufzte er. Da er aber einmal ein Frosch war, so gehörte er in den Sumpf und musste am Ende doch auch wieder dahin zurück.

Wie er sich seiner Heimat näherte, sah er viele Frösche am Waldrande sitzen, und als er sie erreicht hatte, bemerkte er, dass sie Kletterübungen an den Bäumen und Sträuchern machten.

»Was tut ihr denn da?« fragte er erstaunt. Da sagten sie ihm, der König habe diese Übungen befohlen und habe Preise für die besten Kletterer ausgesetzt.

»Wenn wir noch acht Tage so weiter üben, sind wir perfekte Kletterer und können die Vögel in ihren Nestern besuchen«, sagte der Froschmajor.

Da erschrak der kleine Grüne, denn er ahnte, dass es sich um einen Anschlag des Königs handelte, die Prinzessin Nachtigall in seine Gewalt zu bekommen. Gerade als er noch mit dem Froschmajor sprach, kam der König, um sich die Übungen seiner Truppen anzusehen.

»Ah, da bist du endlich und führst Privatunterhaltungen, anstatt mir sofort Nachricht zu bringen!« rief er unwillig, als er den kleinen Grünen bemerkte. »Komm auf der Stelle her und sage mir Bescheid!«

»Wenn der Bescheid gut wäre, wäre ich zu dir gekommen«, sagte der grüne Frosch.

Da nahm ihn der König beiseite und ließ sich genau berichten. Der kleine Grüne kleidete die Ablehnung der Prinzessin in die schönsten Worte ein, aber der König wurde doch sehr böse und schrie: »Nun will ich sie erst recht, und ich werde sie schon bekommen! Dir aber, Freund Grüner, dir traue ich nicht mehr, und damit du sie nicht etwa warnst, werde ich dich ins Gefängnis setzen lassen, und du bekommst deine Freiheit erst wieder, wenn ich die Prinzessin habe!«

Auf den Wink des Königs kamen sogleich ein paar Frosch-Gendarmen und sperrten den grünen Frosch ein, und der König setzte eine Schildwache vor das Gefängnis. Der König aber wusste nicht, dass es gerade ein guter Freund von dem kleinen Grünen war, den er ihm vor die Tür gestellt hatte; denn der grüne Frosch hatte sehr viele gute Freunde, weil er jeden gern einen Dienst erwies, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, und weil er immer freundlich war. Die Schildwache erzählte dem Grünen, dass die Froschsoldaten bei ihren Kletterübungen die Mäuler voller Wasser halten müssten, und dass unter ihnen das Gerücht umginge, sie sollten Vögel fangen lernen; denn das ist eine bekannte Sache, dass Sumpfwasser für alle Tiere, die nicht darin geboren sind, einen bösen Zauber hat, und ein Vogel, der nur einen Tropfen davon auf die Flügel bekommt, der kann nimmer fliegen. Als der kleine Grüne das hörte, zitterte er; denn nun wusste er, was es mit den Übungen und den Plänen des Königs für eine Bewandtnis hatte. Er bat die Schildwache, ihm immer Nachricht zu geben von dem, was draußen geschähe, und als er nach einiger Zeit erfuhr, dass die Frösche in der nächsten Nacht ausrücken sollten, um mit ihrem Sumpfwasser eine Vogelprinzessin zu fangen, stürzte er sich plötzlich wie ein Wilder auf die Schildwache, überwältigte sie und entfloh.

Da das nun ein ganz unerhörter Vorfall im Froschreiche war, so wurde es sogleich dem König gemeldet, der darauf befahl, dass alle Froschsoldaten ausrücken und den Flüchtling fangen sollten.

»Ich weiß schon, wohin er gegangen ist, und ich werde euch selbst führen. Das Sumpfwasser nehmt aber auch gleich mit, denn da, wo er ist, da ist auch die Prinzessin«, sagte der König.

Und nun ging es fort wie die wilde Jagd. Der König sprang voran, und die Frösche sprangen hinterher, immer einer über den anderen weg, dass es aussah als sei der Erdboden im Walde lebendig geworden und schlage Wellen. Aber so sehr sie sich auch beeilten, sie kamen doch zu spät; denn gerade hatte der kleine Grüne die Prinzessin gewarnt, und als die Frösche ankamen, flog sie hoch in die Luft und verschwand hinter den blühenden Kirschbäumen.

Der kleine Grüne sah ihr nach, ganz glücklich über sein Rettungswerk, und dann fingen sie ihn, und der König hielt Gericht über ihn. Und so viele gute Freunde er auch hatte, jetzt konnten sie ihm doch alle nicht helfen – sein Verrat war zu sehr erwiesen. Er wurde daher »zum Storch« verurteilt – das bedeutet in der Froschsprache soviel wie »zum Tode«. Er versuchte auch gar nicht um Gnade zu bitten; er wollte nicht mehr im Sumpfe leben, und fliegen konnte er doch einmal nicht – so war es am besten, wenn er nicht mehr lebte, und da mochte der Storch ihn immerhin holen.

Er ging ganz von selbst auf die Wiese, gerade dorthin, wo der Storch seinen Lieblingsplatz hatte, und der letzte Dienst, den seine vielen Freunde ihm erweisen konnten, war, dass sie ihn nicht mit Binsen festbanden, wie der König befohlen hatte. Er saß ganz still und wartete auf den Storch. Und gerade als der über die Wiese daher kam, kroch auch der junge König aus seinem Loch hervor und versteckte sich hinter einem Weidenknorren, um der Exekution zuzusehen. Er lugt mit großen, runden Augen aus seinem Versteck hervor, und aus dem Sumpf tauchte ein Heer von Froschköpfen auf, die alle »dabei« gewesen sein, aber doch in Sicherheit bleiben wollten. Der kleine Grüne saß ganz still – vielleicht war er schon vor Kummer und Sehnsucht nach der Prinzessin gestorben. Der Storch sah ihn sofort, kam auf ihn zu und rannte ihm seinen roten Schnabel durch den Leib. Aber anstatt ihn zu verspeisen, ließ er ihn fallen, blinzelte ihn von allen Seiten an, und dann klapperte er:

»Was ist denn das für eine neue Mode? Seit wann tragen denn die Frösche Edelsteine in den Köpfen? So was verdirbt einem ja den Appetit!«

Ein vielstimmiges, erschrockenes »Quak« erschallte aus dem Sumpf, und der junge König war so entrüstet, dass er seine Froschnatur ganz vergaß und schrie:

»Sie irren sich, Herr Storch, ein Edelstein in einem Froschkopf kommt nur alle 500 Jahre einmal vor, und dieses Mal habe ich ihn!«

»Das wollen wir gleich mal sehen«, antwortete der Storch, und mit einem Satz war er bei dem jungen Froschkönig und spießte ihn.

»Keine Spur von einem Edelstein, ein ganz guter Speisefrosch!« klapperte er. Denn nach seiner Ansicht, waren die Frösche dazu da, von den Störchen gefressen zu werden.

Er verspeiste den König also mit gutem Appetit und spazierte dann über die Wiese zurück, als wäre gar nichts geschehen.

Die Frösche aber begruben den kleinen Grünen, den er nicht gemocht hatte, mit großem Geschrei, und den Edelstein setzten sie ihm als Denkmal auf sein Grab.

Nun wussten sie, dass sie 500 Jahre warten mussten, bis wieder einmal einer mit einem Edelstein im Kopf kam! Und sie glaubten, die Frösche in 500 Jahren würden dann klüger sein, als sie es gewesen waren.

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