In Limassol soll es sich zugetragen haben, dass Fischer am Hafen in der Nacht ein Licht gesehen haben, das über das Meer auf die Stadt zugewandert ist. Sie haben sich nicht erklären können, was das ist, denn man hat gesehen, dass es sich um kein Schiff handele. Und so sind einige Männer in ein Boot gestiegen und aufs Meer hinausgefahren. Als sie aber in die Nähe des Lichtes gekommen sind, haben sie wahrgenommen, dass da auf dem Wasser eine lkone trieb, von der das Leuchten ausging. Das Bild schwamm aufrecht und nicht flach auf dem Wasser. Die Männer wollten es ins Boot heben, aber es schwamm vor ihnen davon, sooft sie danach griffen. So haben sie sich darauf beschränkt, hinter dem leuchtenden Bild herzufahren.
Als man am Strand angekommen war, hatten sich dort schon viele Menschen versammelt, unter denen auch ein Mönch war. Dieser hat das Bild aufgenommen und in eine Kirche getragen, wo man die Ikone aufgestellt und verehrt hat.
Einige Jahrhunderte später hat sich folgendes ereignet: ein türkischer Soldat, der eine große Abneigung gegen Bilder und besonders gegen die lkonen hatte, ist in die Kirche eingedrungen, und er hat mit seinem Säbel auf das Bild eingehauen, und als er mit seinem Säbel die Wange der Panagia verletzte, ist dort Blut herausgeflossen. Im gleichen Augenblick aber hat der Soldat seinen Arm nicht mehr bewegen können: der Arm war gelähmt. Da hat ihn eine große Wut erfasst, und er hat geschworen, dass er dafür sorgen würde, dass die Ikone zerhackt und verbrannt werde. Und in seinem Zorn ist er zu seinen Kameraden in die Kaserne gegangen.
Als der Soldat die Kirche verlassen hatte, hat das Bild begonnen zu einem Mädchen, das angstvoll alles in der Kirche erlebt hatte, zu sprechen. Die Panagia hat gesagt: »Liebes Kind, nimm mich unbesorgt und trage mich fort, damit die bösen Soldaten mir und meinem Kinde weiter nichts zuleide tun können!«
Das Mädchen hat unter Zittern das Bild abgenommen und unter seinem Schal verborgen, dann ist sie damit durch die Stadt gelaufen. Ihr war, als würde die lkone sie führen, und obwohl sie sehr schnell gelaufen ist, hat sie keine Müdigkeit verspürt.
Als sie außerhalb der Stadt gewesen ist, hat sie in dieser ein großes Lärmen gehört, denn die Türken waren zornig, dass sie das Bild nicht mehr gefunden haben, und aus Rache haben sie die Kirche angezündet. Das Mädchen aber ist ins Gebirge hinauf gelaufen, immer höher bis zu einem Kloster unterhalb des Gipfels Troodos. Dort hat die Panagia gesagt: »Trage mich in die Kirche des Klosters hinein, denn dort werde ich in Sicherheit sein.« Und das Mädchen hat alles so gemacht, wie es ihr gesagt wurde.
Und nachdem die lkone im Kloster der Panagia Trooditissa ihren Platz gefunden hatte, hat sie noch einmal zu dem Mädchen gesprochen: »Du hast mich hier herauf getragen. Nun wische mir mit deinem Schal das Blut ab, damit mein Gesicht wieder rein und makellos ist! « Da hat das Mädchen seinen Schal genommen, und nachdem sie das Blut der heiligen Jungfrau abgewischt hatte, konnte sie zu ihrer Freude sehen, dass das Antlitz der Panagia sich auf dem Tuch abgebildet hatte, aber nur das Gesicht und sonst nichts.
Das Mädchen ist dann heimgegangen und hat den Schal mit dem Abbild der Panagia an der Wand aufgehängt. jeden Tag hat sie dort davor gebetet.
Eines Abends aber, als sie ihr Nachtgebet vor der Panagia gesprochen hat, da hat die heilige Jungfrau wieder begonnen zu sprechen: » Liebes Kind, wir müssen wieder fliehen, denn heute nacht werden die Türken landen, und sie werden rauben und plündern, und wenn du nicht mit mir fliehst, werden sie dich mitnehmen und als Sklavin verkaufen.«
Da hat das Mädchen einen großen Tragkorb genommen, und sie hat ihre wichtigsten und wertvollsten Sachen hineingepackt, und obenauf hat sie das Abbild gelegt, und dann hat sie den Korb auf den Kopf genommen und hat sich im Dunkeln aus der Stadt entfernt. Und wie sie in einiger Entfernung davon gewesen ist, hat sie Kanonenschüsse und Flintenschüsse gehört, und sie ist weiter in das Gebirge hineingeflohen.
In allen Dingen aber hat ihr die Panagia weitergeraten, und sie hat ihr später auch zu einem braven Mann verholfen. Und das Mädchen hat nichts getan, ohne vorher die Panagia zu fragen.
Wohin der Abdruck dieses Bildes gekommen ist, weiß ich nicht, aber die lkone selbst ist immer noch im Kloster der Panagia Trooditissa, und die Mönche haben später das Gesicht bedeckt und den Leib mit einem Silberrelief bedeckt und noch ein Brokattuch darübergegeben, damit niemand das Bild selbst verletzten könne. Und man erzählt sich, dass derjenige blind würde, der unerlaubt das Bild enthülle.
Soviel weiß ich von der Sache. Es gibt aber auch Mönche, welche meinen, dass sich diese Geschichte mit dem blutenden Bild und mit dem Mädchen nicht auf die Panagia Trooditissa bezöge, sondern auf die Panagia Chrysorroyitissa (vom goldenen Granatapfel) beim Dorfe Galataria. Auch erzählt man sich, nicht Fischer, sondern ein Mönch namens Ignatios habe eines Nachts von seinem Berge aus das Leuchten auf dem Meere bemerkt, und als er zum Wasser hinuntergestiegen sei, habe er dort am Ufer das Bild der Panagia gefunden, das vor den Bilderstürmern auf dem Festland geflohen sei.
Mir scheint jedoch, dass die Geschichte von dem Bild und dem Mädchen die echte ist, denn von dem Mädchen und von dem sprechenden Abbild auf dem Tuch hat man sich noch lange erzählt, und den verdorrten Arm des Türken, welcher das Bild verletzt hatte, zeigt man noch im Kloster der Panagia Trooditissa.
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