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Erziehung in einem Tag oder gar nicht
Ein Schildbürger fuhr mit seinem Sohn in die Kreisstadt zum Schulmeister und sagte: »Man rühmt deinen Unterricht. Deshalb möchte ich meinen jungen ein wenig bei dir lassen.« - »Was weiß er denn schon?« fragte der Lehrer und hörte dabei nicht auf, einen Schüler zu verprügeln. - »Er weiß nichts«, antwortete der Schildbürger. - »Und wie alt ist er?« fragte der Lehrer weiter. - »Erst dreißig Jahre«, meinte der Schildbürger entschuldigend, »was kann er da schon gelernt haben! Ich selber bin fünfundsechzig Jahre alt und weiß nicht das geringste!« »Also meinetwegen«, erklärte der Schulmeister. »Lass ihn hier! Doch wenn er nicht pariert und lernt, kriegt er, trotz seiner dreißig Jahre, von mir genauso viel Prügel, als ob er zwölf wäre! « Das war dem Schildbürger recht. Er versprach auch, die Erziehung gut zu bezahlen. Dann gab er seinem jungen zum Abschied eine Ohrfeige und wollte gehen. »Einen Moment!« rief der Lehrer. »Wie lange soll er denn in meiner Schule bleiben, und wann holst du ihn wieder ab ?«-»Bald«, sagte der Schildbürger, »Denn viel braucht er nicht zu lernen. Es genügt, wenn er soviel weiß wie du!« Das verdross den Lehrer ein wenig, und er wollte ganz genau wissen, wann der junge abgeholt würde. »Ganz genau kann ich's dir nicht sagen«, meinte der Schildbürger. »Es hängt davon ab, wie lange euer Schmied braucht, meinem Pferd ein Hufeisen festzuschlagen. Es hat auf der Herfahrt sehr geklappert. Sobald das Eisen fest ist, hol' ich ihn wieder ab.« »Du bist wohl nicht bei Trost! « rief der Schulmeister. »Und wenn ich deinen Bengel prügelte, bis mir der Arm wehtäte, auch dann müsste ich ihn mindestens ein Jahr hier behalten, damit er etwas lernt!« Da nahm der Schildbürger seinen dreißigjährigen Sohn wieder bei der Hand und suchte das Weite. In der Tür sagte er nur noch: »Dass Lernen weh tut und Geld kostet mag hingehen. Doch ein Jahr Zeit ist mir dafür zu schade. Dann soll er lieber so dumm bleiben wie sein Vater.«
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