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Der versalzende Gemeindeacker
Eines schönen Tages wurde in Schilda das Salz knapp. Und die Händler, die durchs Land zogen, hatten keines zu verkaufen. In Salzburg sei Krieg, erzählten sie. Und in Salzbrunn und in Salzwedel auch. Und man müsse warten, bis der Krieg vorüber sei. Das missfiel den Schildbürgern. Denn Butterbrot ohne Salz, Kartoffeln ohne Salz und Suppen ohne Salz schmeckten ihnen und ihren Kindern ganz und gar nicht. Deshalb beratschlagten sie, was geschehen solle. Und weil ihr Rathaus nun helle Fenster hatte, fiel ihnen auch gleich etwas Pfiffiges ein. Da der Zucker auf Feldern wachse, meinte einer, sei es wohl mit dem Salz nicht anders. Man brauche deshalb auf dem Gemeindeacker, der noch brachliege, nur Salz auszusäen - alles andre werde sich dann schon finden. So geschah's. Sie streuten die Hälfte ihres Salzvorrats auf den Acker, stellten Wachtposten mit langen Blasrohren an den Rändern des Feldes auf, für den Fall, dass die Vögel das Salz würden stehlen wollen, und warteten ab. Schon nach ein paar Wochen grünte der Acker, dass es eine Lust war. Das Salzkraut schoß nur so in die Höhe. Die Feldhüter saßen mit ihren Blasrohren auf der Lauer. Aber die Vögel blieben zum Glück aus. Und die Schildbürger rechneten schon nach, wie viel Salz sie ernten würden. Hundert Zentner, meinten sie, könnten sie vermutlich sogar exportieren. Doch da kamen die Kühe und Ziegen aus dem Nachbardorf! Die Kühe und Ziegen kamen also und trampelten in dem herrlich wachsenden Salzkraut herum. Die Feldhüter schossen mit ihren Blasrohren, was das Zeug hielt. Doch das Vieh machte sich nichts draus. Die Schildbürger wussten sich wieder einmal keinen Rat. Bis der Hufschmied eine Haselnußgerte von einem Strauche losriss und aufs Feld stürzen wollte, um die Tiere zu verjagen. »Bist du toll?« schrie der Bäcker. »Willst auch du noch unser Kraut niedertrampeln?« Und sie stürzten sich auf den Schmied und hielten ihn fest. Da rief er: »Wie sonst soll ich denn das Vieh vertreiben, wenn ich nicht ins Feld laufen darf ?« - Ach weiß einen Ausweg«, sagte der Schulmeister. »Du setzt dich auf ein Brett. Vier von uns heben dich mit dem Brett hoch. Und dann tragen sie dich ins Feld. Auf diese Weise wirst du kein einziges Hälmchen zertreten.« Alle waren von dem Vorschlag begeistert. Man trug, zu viert, den Schmied mit seiner Gerte über den Acker, und er verjagte das fremde Vieh, ohne dem Salzkraut auch nur ein Haar zu krümmen! Eine Woche später gerieten ein paar Kinder, obwohl es ihnen streng verboten worden war, beim Spielen ins Salzkraut hinein. Sie waren barfuss und sprangen, kaum dass sie drin waren, schreiend wieder heraus und rannten wie der Wind nach Hause. »Es beißt schon! « riefen sie aufgeregt und zeigten den Eltern ihre Füße und Waden. Überall hatten sie rote Flecken, und es brannte fürchterlich. »Das Salz ist reif!« rief der Schweinehirt. »Auf zur Ernte!« Die Schildbürger ließen ihre Arbeit stehen und liegen, spannten die Pferde und Ochsen vor die Erntewagen und fuhren, mit Sicheln, Sensen und Dreschflegeln, zum Gemeindeacker. Das Salzkraut biss ihnen in die Beine, dass sie wie die Lämmer herumhüpften. Es zerkratzte ihnen die bloßen Arme. Sie bekamen rotgeschwollene Hände. Tränen traten ihnen in die Augen und rollten ihnen über die Backen. Und es dauerte gar nicht lange, so warfen sie die Sensen und Sicheln weg, sprangen weinend aus dem Acker, fuchtelten mit den brennenden Armen, Händen und Beinen im Wind und fuhren in die Stadt zurück. »Nun?« fragten ihre Frauen. »Habt ihr das Salz schon abgeerntet?« Die Männer steckten die Hände und Füße ins kalte Wasser und sagten: »Nein. Es hat keinen Zweck. Das Salz ist uns zu salzig! « Ihr wisst natürlich längst, was da auf dem Felde gewachsen war und was so beißen konnte. Es waren Brennnesseln! Ihr wisst es, und ich weiß es. Wir sind ja auch viel gescheiter, als die Schildbürger waren.
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