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St. Nikolaus


Es war in einer Stadt in Kleinasien mit Namen Patera. Den Eltern Johanna und Epiphanius wurde ein Knäblein geboren, das sie Nikolaus nannten. Etwas später zog die Familie nach Myra, einer Stadt in der Nähe des Meeres. Als Nikolaus schon einige Jahre alt war, spielte der Bub am liebsten mit weißen Steinchen. Er hatte sie überall gesammelt. Damit legte er Figuren auf den Boden draußen vor dem Elternhaus. Wenn andere Kinder herbeikamen, schenkte er ihnen auch weiße Steinchen, und sie legten mit ihm Kreise und zackige Figuren.

Zu dieser Zeit kam eine Teuerung ins Land. Eine schlechte Ernte hatte den Bauern nur wenig Getreide gebracht. Im Handelshause von Nikolaus Vater, Epiphanius, lagerte ein großer Getreidevorrat, den er übers Meer hatte herbeischaffen lassen. In der unteren Stadt Myra wohnten viele Arme. Nikolaus fragte die Mutter: "Können wir nicht von unserem vielen Korn an die Armen verschenken; Wenn Vater heimkommt, wird sein Schiff neues Korn bringen - Epiphanius war ein reicher Kaufmann. Mutter Johanna, die ein gutes Herz hatte, war damit einverstanden, und sie verschenkten das Korn an die hungernden Armen.

Eine tückische Krankheit kam ins Land und raffte in wenigen Tagen die Eltern von Nikolaus hinweg. Als sie begraben waren, kam der getreue Verwalter zu ihm und übergab ihm das reiche Erbe. Nikolaus bat ihn, das Geschäft seines Vaters getreulich weiterzuführen, und so geschah es.

Nikolaus konnte nun noch viel mehr armen Menschen helfen. Wo möglich, tat er es im Verborgenen. Er war ein junger Priester geworden. In der Stadt Myra hatte er den Namen eines Wohltäters. Man hieß ihn "den guten Nikolaus". Wo er konnte, diente und half er den Menschen: Seine Güter wurden geringer, seine Seele aber reicher.

Nikolaus hatte in der Stadt großes Ansehen gewonnen. Wenn er am Sonntag in der Kirche predigte, hörten die Leute der Stadt ihm andächtig zu. Kein Wunder, dass sie mit ihren Sorgen zu ihm kamen. - Zu dieser Zeit war der Bischof von Myra gestorben.

Einige Bischöfe des Landes sollten darum im Kloster bei der großen Kirche eine Versammlung abhalten, um einen neuen Bischof für Myra zu wählen. Der leitende Bischof hatte vor dieser Zusammenkunft in der Nacht einen Traum. Er hörte eine Stimme, die sprach: "Hüte du von Mitternacht an die Türe der Kirche. Der erste Mensch, der zur Kirche kommt, der soll Bischof werden." Und der erste Mensch nun, der zur Kirche kam, war Nikolaus; denn er wollte - auch zu vorgerückter Nachtstunde - seine Dankesgebete verrichten. Mitten im Gebet wurde er gestört. Der leitende Bischof war in die Kapelle gegangen und rief: "Brüder, er ist gekommen. Sein Name ist Nikolaus. Er soll der neue Bischof sein. Nehmt Lichter, kommt mit mir!" Wiederum war eine Missernte ins Land gekommen. Der Hunger ging um in der Stadt Myra. Eines Tages meldete man Nikolaus: "Im Hafen liegen drei Kornschiffe vor Anker, voll von Getreide. Es sind Kaiserschiffe, die nur über Nacht im Hafen weilen. Am Morgen fahren sie weiter nach Konstantinopel. Man hat versucht, für Geld und gute Worte etwas Korn abzukaufen, aber der Schiffspatron wies alle Flehenden zurück. - Da ging Nikolaus selbst zum Schiffspatron und sagte: "Gib uns von jedem Schiff 100 Säcke Getreide; dafür bin ich dein Gefangener. Du nimmst mich auf deinem Schiff mit zum Kaiser nach Konstantinopel als Bürgen. Ihm werde ich Red und Antwort stehen." Auf der langen Meerfahrt zum Kaiser kam ein schrecklicher Sturm auf. Hätte nicht jedes Schiff seine hundert Säcke in Myra abgeladen, sie wären in den Fluten versunken. Als der Sturm am schlimmsten wütete, begab sich Nikolaus auf das schwankende Deck, hielt den Mast umschlungen und rief laute Worte in den Wind. Die Matrosen meinten, er habe dem Sturmwind geboten, sich zu sänftigen; denn bald danach verging das Brausen, und die Wellen verloren die stärkste Wucht. Glücklich im Hafen von Konstantinopel angekommen, begab sich Nikolaus zum Kaiser, um mit ihm über die 300 Säcke Getreide zu sprechen. Kaiser Konstantin konnte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging, in furchtbare Wut geraten und schlimme Strafen austeilen. Aber siehe, als er dem Nikolaus zuhörte, bei dem das Herz noch lauter sprach als der Mund, blieb er stille. "Nikolaus, sagte der Kaiser, dir glaube ich aufs Wort. Du bist kein Höfling, der schmeicheln will. Solche Männer sind mir liebe. Ich schenke der Stadt das Korn." Er winkte Nikolaus näher heran, reichte ihm die Hand und lud ihn zum Mittagessen ein an den kaiserlichen Tisch. Beim Essen saß Nikolaus neben dem Kaiser. Dieser sprach zu ihm: "Nikolaus, in einem halben Jahr findet in Nicàa eine große Kirchenversammlung statt. Da möchte ich möglichst alle Bischöfe der Christenheit dabeihaben. Komm auch dahin! Dein gutes, freies Wort soll auch zu hören sein."

Wie der Kaiser es gewünscht hatte, reiste Nikolaus im Jahre 325 nach Nicäa zur Versammlung der Bischöfe, was man ein Konzil nennt. Einige hundert sollten sich hier mit dem Kaiser versammeln, um über Wege und Lehre des Christentums zu beraten. Die Zusammenkunft fand im kaiserlichen Palast statt. Nikolaus hörte zu, wie die Bischöfe oft hart miteinander redeten und stritten. Da blieb er stumm. Gegen Ende des Konzils ließ ihn der Kaiser zu sich kommen und sprach: "Nikolaus, kein Wort hast du in diesen Tagen gesprochen. Bevor alle wieder abreisen, möchte ich in der Runde auch deine Stimme vernehmen. Morgen ist der letzte Tag." Nikolaus sprach: "Hoher Kaiser, wenn der Geist mir einen Funken schenkt, will ich sprechen."

Am folgenden Tag ergriff Nikolaus das Wort: "Hoher Kaiser, liebe Brüder in Christo, wir feiern in der Christenheit am 6. Januar jedes Jahr die Taufe des Jesus Christus im Jordan. Da hat sich Gottes Sohn, der Christus, mit dem Menschen Jesus aus Himmelshöhen herab vereinigt. Das ist und bleibt ein hohes Fest. Wir könnten in der Christenheit aber auch den Tag feiern, wo das Jesuskind auf Erden geboren wurde. Das Evangelium Lukas schildert es uns als ein Hirtenkind und Matthäus erzählt von ihm als einem Königskind." Da rief ein Bischof dazwischen: "Das Evangelium sagt uns ja von keiner Zeit!" Unbeirrt fuhr Nikolaus weiter: "Das Licht schien in die Finsternis. Ich schlage vor, dass die Christenheit diese Erdengeburt des Kindes in den finsteren Nächten des Jahres gegen Ende Dezember feiert." Es erhob sich ein Gemurmel unter den Bischöfen. Die einen stimmten zu, die anderen sagten: "Haben wir nicht der Kirchenfeste genug?" -

In allem Hin und Her erhob sich der Kaiser und gebot Stille. Er sprach: "Nehmt diesen schönen Gedanken des Bischof Nikolaus aus Myra mit euch. Wer die Erdengeburt des Kindes feiern will, soll es fortan in diesen finsteren Tagen des Jahres tun." - Schon im selben Jahr, gegen Ende Dezember, feierte Nikolaus in der Kirche von Myra als einer der ersten die Weihenächte. Er ließ auf einem Altare eine Lukaskrippe mit den Hirten aufstellen, auf einem anderen Altar die Matthäuskrippe mit den Königen aus dem Morgenland. Nach und nach haben auch andere Kirchen mitgefeiert, und so ist Weihnachten in die Christenheit eingezogen. Und bis zum heutigen Tag ist Nikolaus der Vorverkünder des Weihnachtsfestes.

Nikolaus musste, wie alle Menschen, daran denken, dass er einmal von dieser Erde scheiden müsse. Er überlegte: "Wer wird nach mir all die Armen und Kinder beschenken? Er ließ seine Freunde kommen, und die antworteten ihm: "Nikolaus, wir, deine Freunde, werden es tun!" - "Dann dürft ihr es in meinem Namen tun; dann seid ihr "echte" Nikoläuse." - Da lachten alle Freunde herzlich.


Jakob Streit, Jugendautor in Spiez CH (Berner Oberland)

Diese Weihnachtsgeschichte wurde mir zur Verfügung gestellt von Walter Winkler