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Die verwandelte Maus Ludwig Bechstein
»Es war einmal ein frommer Mann, der diente der Gottheit betend und büßend in einer Wildnis, und Gott war ihm ob seiner Frömmigkeit und fleckenlosen Tugend also gnädig, dass er jeden Wunsch des Büßers erhörte und erfüllte. Einst saß der Fromme am Strande eines Baches, versunken in andächtige Gedanken, da flog ein Sperber über ihn hin, der hatte ein Mäuslein gefangen, das er noch in den Krallen trug, das Mäuslein aber zappelte und entfiel dem Sperber und fiel herab in des frommen Mannes Schoß. Da erbarmte sich der Fromme des Mäusleins, band es lind in ein Tüchlein und trug es nach seinem Hause, um es allda zu pflegen und aufzuziehen. Da gedachte er aber, dass seine Diener daran einen Anstoß nehmen würden, dass er, der reine Mann, mit einem unreinen Tiere sich abgebe, und würden sich scheuen, und da bat er Gott, das Mäuslein doch lieber in ein Maidlein zu verwandeln. Und siehe, Gott erhörte die Bitte, und verwandelte alsbald das Mäuslein in ein schönes Maidlein. Das führte nun der Fromme fröhlich in sein Haus, erzog es und hatte an ihm sein väterliches Wohlgefallen, und seine Diener glaubten, ihr Gebieter habe es in der Wildnis gefunden oder es sei ihm von Anverwandten übergeben worden. Da nun das Maidlein, das als des Frommen Tochter galt, herangewachsen war, so gedachte er daran, es an einen guten Mann zu verheiraten, und fragte die Maid, ob sie Neigung habe zu heiraten, und was für einen Mann sie sich wünsche. Die Maid aber trug hohen und herrischen Sinn und antwortete: ›Ja – aber nur den höchsten Herrscher! ‹ Der Pflegevater erwiderte darauf: ›Der höchste Herrscher, mein Kind, das ist der mächtige Sol; er beherrscht die ganze Welt, erleuchtet und durchwärmt sie mit seinen Strahlen, ich will ihn bitten, sich mit dir zu verbinden; dann wird man dich Frau Sonne nennen.‹ Der Fromme läuterte sich durch Gebet und Abwaschung und trug dem Sol sein Anliegen vor; dieser aber sprach: ›Gern gehorchte ich dir, dem die Gottheit jeden Wunsch erfüllt, o frommer Büßer! Aber der Mächtigste bin ich nicht. Siehe, der Lenker der Wolken ist mächtiger denn ich; ein Hauch von ihm wird zur Wolke, die meinen Schein mir nimmt, dass es finster wird auf der Erde.‹ Da ging der Büßer bis an des Meeres Ufer, aus dem die Wolken sich emporheben, und bat deren mächtigen Lenker, wie er den Sol gebeten hatte. Da hob sich auf seinem Wolkenthrone der Wolkenlenker aus des Meeres Schoße, aufsteigend wie ein großer Rauch, empor und sprach: ›O du Frommer und Gottseliger! Wohl hat mir die Gottheit mehr Gewalt gegeben als selbst den Engeln in seinem Himmel, aber einer ist doch, der mächtiger ist, als ich bin. Das ist der Vater der Winde. Wenn er sich erhebt und stark haucht, so fahren meine Gewölke auseinander und verschwimmen in ein wesenloses Nichts oder fliegen und fliehen vor ihm und seinem Grimme von einem Ende der Welt zum andern, und ich bin nichts gegen ihn und vermag ihm nicht zu widerstehen.‹ Da machte sich der Büßer auf zum Vater der Winde, der in einer großen und weiten Berghöhle wohnte, in der er die Winde verschlossen hielt, und nur zu Zeiten einem oder dem andern zu wehen gestattete – und trug nun diesem seine Bitte vor. Aber auch der Vater der Winde erklärte, dass er sich nicht für den mächtigsten Herrscher erachten könne. ›Siehe, du Frommer, Reiner, Makelloser‹, sprach er, ›diesen mächtigen Berg, wie er da steht in stolzer Ruhe! Mag ich mit allen den meinen sausen und brausen, so stark wir immer können und wollen, er bleibt unerschüttert, weicht und wankt nicht vor meinem Grimm, darum ist er mächtiger als ich, und darum wende dich an ihn.‹ Darauf wandte sich der gläubige Büßer an den Berg und trug diesem seinen Wunsch vor, und der Berg sprach: ›Du nennst mich den Mächtigsten, und es ist wohl wahr, ich bin groß und mächtig, die Sonne dient mir und lässt meinen Scheitel grünen, die Wolken müssen meine Wiesen und Wälder mit Tau und Regen tränken, der Wind fächelt mich, wie ein Sklave seinen Gebieter, aber der Mächtigste ist doch nur der, der nichts erdulden muss. Ich will dir jemand zeigen, der mächtiger ist als ich, denn ich muss ihn dulden, ich mag nun wollen oder nicht wollen.‹ ›Wer wäre das? ‹ fragte ganz verwundert der Büßer. ›Es ist‹, sprach der Berg, ›ein winzig kleines, graues Männchen, das wühlt in mir und gräbt, baut sich Wohnung und Gemächer und fragt mich nicht, ob ich's ihm gestatte.‹ ›Was wäre das für ein winzig kleines, graues Männchen? ‹ fragte der Fromme. – ›Es ist die Maus! ‹ antwortete der Berg. Hierauf wendete sich jener mit seinem Wunsch und Antrag an den Mausmann, und dieser antwortete: ›Ich bin der, von dem der Berg gezeuget hat. Kann ich aber, auch wenn ich wollte, ein Menschenmaidlein freien und in meine niedere Wohnung führen? Darüber ersinne du selbst dir weisen Rat, Gottseliger!‹ Nun ging der Einsiedel wiederum zu seiner Tochter und sprach zu ihr: ›Ich habe dir lange den Mächtigsten zum Manne gesucht, willst du diesen, so muss ich von der Gottheit erflehen, dass sie dich wieder zu einer Maus werden lasset, welche du vordem schon einmal gewesen bist, dann kann dein Wille in Erfüllung gehen.‹ Und da die Tochter auf ihrem Sinne beharrte, weil ihr Pfleger darlegte, wie immer ein Mächtiger ihn an einen noch Mächtigeren gewiesen, so wurde sie auf sein Flehen wieder in eine Maus verwandelt und dem Mausmännlein zur Gemahlin gegeben, denn gleich und gleich gesellt sich gern, was zum Heller geschlagen ist, wird kein Taler, und aus einem verräterischen Raben wird nimmermehr ein Phönix, wenn er sich auch, gleich diesem Wundervogel, verbrennte. Aber wohlan, lasse dich verbrennen, Verräter, und lass uns schauen, was aus deiner Asche emporsteigt. « Der Adlerkönig und seine Umgebung hörten diese Rede nicht ohne ernste Erwägung an, und mehrere teilten die Meinung des treuen Ratgebers, der Rabe aber spottete. »Trage doch Holz, du Edler, zu meinem Scheiterhaufen! Schichte ihn empor aus Adlerfarn und fache die Funken mit deinen eigenen Fittigen zu heller Flamme an. Du trägst dann unsterblichen Ruhm davon, und man wird dich als Rabentöter noch lang in Heldenliedern verherrlichen. « »Du sollst nicht brennen! « sprach der Adlerkönig, »weder dass du unser einer werdest, denn wir haben allein Macht genug, dich an deinen und unsern Feinden zu rächen, noch dass wir uns an dir rächen wollen. Haltet Friede! «
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