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Die treuen Tiere
Gebrüder Grimm


Es war einmal ein Mann, der hatte gar nicht viel Geld, und mit dem wenigen, was ihm übrig geblieben war, zog er in die weite Welt. Da kam er in ein Dorf, wo die Jungen zusammenliefen, schrien und lärmten. „Was habt ihr vor, ihr Jungen?“ fragte der Mann. „Ei“, antworteten sie, „da haben wir eine Maus, die muss uns tanzen, seht einmal, was das für ein Spaß ist, wie die herumtrippelt!“ Den Mann aber dauerte das arme Tierchen und er sprach: „Lasst die Maus laufen, ihr Jungen, ich will euch auch Geld geben.“ Da gab er ihnen Geld, und sie ließen die Maus los, und das arme Tier lief, was es konnte, in ein loch hinein. Der Mann ging fort und kam in ein anderes Dorf, da hatten die Jungen einen Affen, der musste tanzen und Purzelbäume machen, und sie lachten darüber und ließen dem Tier keine Ruh´. Da gab ihnen der Mann auch Geld, damit sie den Affen losließen. Danach kam der Mann in ein drittes Dorf, da hatten die Jungen einen Bären an der Kette, der musste sich aufrecht setzen und tanzen, und wenn er dazu brummte, war’s ihnen eben recht. Da kaufte ihn der Mann auch los, und der Bär war froh, dass er wieder auf seine vier Beine kam, und trabte fort.

Der Mann aber hatte nun sein bisschen übriges Geld ausgegeben und hatte keinen roten Heller mehr in der Tasche. Da sprach er u sich selber: „Der König hat soviel in seiner Schatzkammer, was er nicht braucht; Hungers kannst du nicht sterben, du willst da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du’s ja wieder hineinlegen.“ Also machte er sich über die Schatzkammer und nahm sich ein wenig davon, allein beim herausschleichen ward er von den Leuten des Königs erwischt. Sie sagten, er wäre ein Dieb und führten ihn vor Gericht, und weil er unrecht getan hatte, ward er verurteilt, dass er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voller Löcher, damit Luft hinein konnte; auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hineingegeben. Wie er nun so auf dem Wasser Schwamm und recht in Angst war, hörte er was krabbeln am Schloss, nagen und schnauben. Auf ein al springt das Schloss auf, und der Deckel fährt in die Höhe, und stehen da Maus, Affe und Bär, die hatten’s getan; weil er ihnen geholfen hatte, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wussten sie aber nicht, was sie noch weiter tun sollten und ratschlagten miteinander. Indem kam ein weißer Stein in dem Wasser dahergerollt, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Bär: „Der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein: wem der eigen ist, der kann sich wünschen, wozu er nur Lust hat.“ Da holte der Mann den Stein herauf, und wie er ihn in der Hand hielt, wünschte er sich ein Schloss mit Garten und Marstall und kaum hatte er den Wunsch ausgesprochen, so saß er in dem Schloss mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schön und prächtig, dass er sich nicht genug verwundern konnte.

Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. „Sieh einer“, riefen sie, „was da für ein herrliches Schloss steht, und das letzte Mal, wie wir vorbeikamen, la da noch schlechter Sand.“ Weil sie nun neugierig waren, gingen sie hinein und erkundigten sich bei dem Mann, wie er alles so geschwind hätte bauen können. Da sprach er: „ Das hab’ ich nicht getan, sondern mein Wunderstein.“ „Was ist das für ein Stein?“ fragten sie. Da ging er hin, holte ihn herbei und zeigte ihn den Kaufleuten. Sie hatten große Lust dazu und fragten, ob er nicht zu erhandeln wäre, auch boten sie ihm alle ihre schönen Waren dafür. Dem Manne stachen die Waren in den Augen, und weil das Herz unbeständig ist und sich nach neuen Dingen sehnt, so ließ er sich betören und meinte, die schönen Waren wären mehr wert als sein Wunderstein und gab ihn hin. Kaum aber hatte er ihn aus den Händen gegeben, da war auch alles glück dahin, und er saß auf einmal wieder in dem verschlossenen Kasten auf dem Fluss und hatte nichts als einen Krug Wasser und einen Laib Brot. Die treuen Tiere, Maus, Affe und Bär, wie sie sein Unglück sahen, kamen wieder herbei und wollten ihm helfen, aber sie konnten nicht einmal das Schloss aufsprengen, weil’s viel fester war als das erste Mal. Da sprach er Bär: “Wir müssen den Wunderschein wieder schaffen, oder es ist alles umsonst.“ Weil nun die Kaufleute in dem Schloss geblieben waren und da wohnten, so gingen die Tiere mit3einander dahin, und wie sie nahe dabei kamen, sagte der Bär: „Maus, guck einmal durchs Schlüsselloch und siehe, was anzufangen ist; du bist klein, dich merkt kein Mensch.“ Die Maus war willig, kam aber wieder uns sagte: „Es geht nicht, ich habe hineingeguckt, der Stein hängt unter dem Spiegel an einem roten Bändchen, und hüben und drüben sitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen, die sollen ihn bewachen.“ Da sagten die anderen: „Geh nur wieder hinein und warte, bis der Herr im Bett liegt und schläft, dann schleich dich durch ein Loch hinein und kriech aufs Bett und zwick ihn an der Nase und beiß ihm seine Haare ab.“ Die Maus kroch wieder hinein und tat, wie die anderen gesagt hatten. Der Herr wachte auf, rieb sich die Nase, war ärgerlich und sprach: „Die Katzen taugen nichts sie lassen die Mäuse herein, die mir die Haare vom Kopf abbeißen“, und jagte sie alle beide fort. Da hatte die Maus gewonnen Spiel.

Wie nun der Herr die andere Nacht wider eingeschlafen war, machte sich die Maus, hinein, knupperte und nagte an dem roten Band. Woran der Stein hing, so lange, bis es entzwei war und der Stein herunterfiel; dann schleifte sie ihn bis zur Haustür. Das ward aber der armen kleinen Maus recht sauer, und sie sprach zum Affen, der schon auf der Lauer stand: „Zieh ihn mit deiner Pfote vollends heraus.“ Das war dem Affen ein Leichtes, er nahm den Stein in die Hand, und sie gingen miteinander bis zum Fluss. Da sagte der Affe: „Wie sollen wir nun zu dem Kasten kommen?“ Der Bär antwortete: „Das ist bald geschehen, ich gehe ins Wasser und schwimme. Affe, setz du dich auf meinen Rücken, halt dich aber mit deinen Händen fest und nimm den Stein ins maul. Mäuschen, du kannst dich in mein rechtes Ohr setzen.“ Also taten sie und schwammen den Fluss hinab. Nach einiger Zeit ging’s dem Bären zu still her, er fing an zu schwätzen und sagte: „Hör, Affe, wir sind doch brave Kameraden, was meinst du?“ Der Affe aber antwortete nicht und schwieg still. „Ist das Manier?“ sagte der Bär, „willst du deinem Kameraden keine Antwort geben? Ein schlechter Kerl, der nicht antwortet!“ Da konnte sich der Affe nicht länger zurückhalten, er ließ den Stein ins Wasser fallen und rief: „dummer Kerl, wie konnt’ ich mit dem Stein im Mund dir antworten Jetzt ist er verloren, und daran bist du schuld.“ „Zank nur nicht“, sagte der Bär, wir wollen schon etwas erdenken.“ Da beratschlagten sie sich und riefen die Laubfrösche, Unken und alles Getier, das im Wasser lebt, zusammen und sagten: „ Es wird ein gewaltiger Feind über euch kommen, macht, dass ihr Steine zusammenschafft, soviel ihr könnt, so wollen wir eine Mauer bauen, die euch schützt.“ Da erschraken die Tiere und brachten Steine von allen Seiten herbeigeschleppt, endlich kam ein alter, dicker Quakfrosch aus dem Grund heraufgerudert und hatte das rote Band mit dem Wunderstein im Mund. Da war der Bär froh, nahm dem Frosch seine Last ab, sagte, es waren alles gut, sie könnten wieder nach Hause gehen, und machte einen kurzen Abschied. Darauf fuhren die drei den Fluss hinab zu dem Mann im Kasten, sprengten den Deckel mit Hilfe des Steins, und waren zu rechter zeit gekommen, denn er hatte das Brot schon aufgezehrt und das Wasser getrunken und war schon halb verschmachtet. Wie der aber den Wunderschein in die Hände bekam, wünsche er sich eine gute Gesundheit und versetzte sich in sein schönes Schloss mit dem Garten und Marstall. Da lebte er vergnügt und die drei Tiere blieben bei ihm und hatten’s gut ihr Leben lang.