Die drei Kinder des Sultans
Es waren einmal drei Schwestern, die unterhielten sich vor der Tür ihres Hauses.
»Ich würde ohne Bedenken einen Bäcker heiraten, denn dann hätten meine Kinder und ich wenigstens immer genug Brot«, sagte die Älteste.
»Nun«, rief die zweite Schwester aus, »ich würde auch den Fischer des Königs heiraten, dann hätten meine Kinder und ich immer frischen Fisch.«
»Ich«, sagte die jüngste, »würde gern den Sultan heiraten, denn er ist so ein schöner Mensch. «
Da kam gerade der Sultan vorbei und hörte die Unterhaltung und die Wünsche der drei Schwestern. Er trat zu ihnen heran und sprach: »Eure Wünsche sollen euch erfüllt werden. Ihr beide werdet den Bäcker und den Fischer aus meinem Palastheiraten. Dich aber«, fuhr er fort und schaute die jüngste dabei an, »werde ich selbst zur Frau nehmen.«
Ein paar Tage später waren sie verheiratet und feierten ein rauschendes Fest, das viele Tage währte.
Aber die beiden älteren Schwestern konnten es nicht verwinden, dass sie nur einen Bäcker und einen Fischer zum Mann bekommen hatten, während die jüngste die Frau des Sultans geworden war. Sie waren neidisch und begannen, ihre jüngere Schwester zu hassen.
Nach der üblichen Zeit bekam diese einen hübschen kleinen jungen. Die beiden Schwestern aber nahmen das Kind, warfen es in den Fluss und legten statt seiner einen Hund in die Wiege. Dem Sultan aber erklärten sie, seine Frau sei mit einem Hund niedergekommen.
Der Sultan wurde sehr zornig, aber dann bedachte er, dass schließlich unmöglich seine Frau schuld dran sein könne. Im Jahr darauf gebar seine Frau abermals einen Sohn. Diesmal ersetzten die Schwestern das Kind durch einen Löwen. Sie warfen den kleinen Prinzen in den Fluss. Dann liefen sie zum Sultan und bliesen ihm ins Ohr, diesmal habe seine Frau einen Löwen geboren. Wieder wurde der Sultan sehr traurig, aber er vergab seiner Frau wie beim ersten Mal.
Nach einem Jahr brachte die Sultana ein Mädchen zur Welt. Auch dieses Kind warfen die Schwestern ins Wasser und legten statt dessen ein Stück verfaultes Fleisch in die Wiege. Dann liefen sie zum Sultan.
Dem Sultan wurde klar, dass seine Frau an all dem unschuldig war. Aber er mochte auch nicht glauben, dass die beiden Schwestern in ihrem Neid zu so schlimmen Taten fähig seien.
Die Kinder aber, die beiden jungen und das Mädchen, die in den Fluss geworfen worden waren, hatten ein Müller und seine Frau gerettet und sie voller Liebe aufgezogen. Dann starb die Müllersfrau, und darüber betrübte sich der Müller so sehr, dass es mit ihm auch ans Sterben ging. Ehe er die Augen schloss, rief er die drei Geschwister an sein Bett und sprach zu ihnen: »Kinder, mit mir geht es zu Ende. Aber ehe ich sterbe, muss ich euch noch etwas erklären. Wenn wir auch für euch gesorgt und euch geliebt haben, als wäret ihr unsere eigenen Kinder, so verhält es sich doch in Wirklichkeit so: Wir haben euch aus dem Fluss geborgen, in den euch Feinde eurer Eltern, die euch nach dem Leben trachteten, hineingeworfen haben. Wenn ihr glücklich bleiben wollt, so zieht nach meinem Tod in die Welt. Sucht nach dem Vogel, der spricht, dem Baum, der singt und dem Wasser, das das Gesicht sauber wäscht.«
So sprach der gute Müller. Dann starb er.
Die Kinder begruben ihn, und nach ein paar Tagen machte sich der älteste Sohn auf, um dem, was der Vater ihnen geraten hatte, nachzukommen. Als er fortging, sagte er zu seiner Schwester: »Nimm diesen Spaten hier. Solange sein Blatt hell glänzt, bedeutet das: Es geht mir gut. Wenn sich aber Flecken zeigen, dann bin ich in Gefahr oder gar schon gestorben.«
Darauf brach er guten Mutes auf, um den Vogel, den Baum und das Wasser zu suchen. Nicht lange, und er traf einen alten Mann mit einem langen weißen Bart, den fragte er nach den gesuchten Gegenständen. Aber der alte Mann antwortete nicht. Da schnitt der junge ihm den Bart ab, worauf der alte Mann einen Ball hervorholte und damit nach ihm warf. Der Ball wuchs und wuchs, bis daraus ein Gebirge geworden war, in dem der junge von vielen schwarzen Steinen eingeschlossen war, die alle reden konnten und ihn wild beschimpften. Er gab Widerrede und - schwupp -, schon war auch er in einen schwarzen Stein verwandelt.
Als der Bruder fort war, schaute die Schwester jeden Tag auf den Spaten, und als sie sah, dass er seinen Glanz verloren hatte, war ihr klar, dass ihrem Bruder etwas zugestoßen sein musste, und sie begann zu weinen.
Der andere Bruder versuchte sie zu trösten. Er sagte, er werde nun selbst ausziehen, um nach dem Vogel, dem Baum und dem Wasser und nach dem älteren Bruder zu suchen.
Er gab seiner Schwester einen Rosenkranz und sagte ihr: »Bete ihn jeden Tag, und solange dir die Perlen leicht durch die Finger laufen, ist dies ein Zeichen, dass ich am Leben bin und es mir gut geht. Aber wenn du einen Widerstand verspürst, dann ist dies ein Zeichen, dass mir etwas zugestoßen ist oder ich gar tot bin.«
Er ging fort. Er lief und lief und traf schließlich denselben alten Mann mit dem weißen Bart, dem auch sein Bruder begegnet war, und auch er wurde von diesem in einen Stein verwandelt.
Die Schwester, die merkte, dass die Perlen ihres Rosenkranzes nicht wie gewöhnlich durch die Finger liefen, wusste, dass ihrem Bruder etwas zugestoßen war.
Da machte sie sich auf, die beiden Brüder, den Vogel, den Baum und das Wasser zu suchen. Auch sie traf den alten Mann mit dem langen Bart. Auch sie fragte ihn nach den beiden Brüdern, und auch dieses Mal warf er einen Ball, der sich in ein Gebirge schwarzer Steine verwandelte. Die Steine riefen ihr Schimpfworte zu, aber sie kümmerte sich nicht darum. Da erblickte sie auf einem Baum einen Vogel, und am Fuß des Baumes stand ein Glas Wasser.
»Vielleicht sind dies die Dinge, nach denen wir suchen sollen«, überlegte sie.
Sie wollte den Vogel fangen, der aber sagte, wenn sie das tue, werde er sie töten. Sie ließ sich jedoch nicht davon abbringen, fing ihn, schnitt einen Ast von dem Baum, nahm das Glas Wasser an sich und ging auf das Gebirge mit den schwarzen Steinen zu.
Mit dem Wasser aus dem Glas nässte sie die Felsen, und diese verwandelten sich in junge Männer. Sie fand darunter auch ihre Brüder, und voller Freude umarmten und küssten sie sich. Glücklich kehrten die drei Geschwister in ihr Haus zurück und lebten dort eine Zeit glücklich zusammen. Sie leerten das Wasser aus dem Glas in einen Bottich und hatten von da an immer sauberes frisches Wasser, mit dem sie sich wuschen, und davon wurden ihre Gesichter so sauber und strahlend, dass es eine Freude war, sie anzuschauen.
Eines Tages nun kam der Sultan an ihrem Haus vorbei. Er war verschwitzt und schmutzig und wollte sich waschen. Er bat um Wasser, und sie schöpften es für ihn aus dem bewussten Trog. Der Sultan wusch sich, und am Ende war er ganz sauber und sah viel jünger aus. Das gefiel ihm, und von diesem Tag an kam er immer wieder, um sich mit diesem Wasser zu waschen und mit den beiden Brüdern und deren Schwester zu plaudern, da er eine große Zuneigung für die drei verspürte.
Als er sich eines Tages wieder wusch, hörte er auf dem Zweig des Baumes einen Vogel singen:
»Wie konntest du nur annehmen, dass deine Frau, einen Hund, einen Löwen und ein Stück verfaultes Fleisch zur Welt bringen würde? Deine wirklichen Kinder stehen hier vor dir. Sie wurden von deinen Schwägerinnen in den Fluss geworfen und von einem Müller gerettet und aufgezogen. Schau sie dir nur genau an, damit du dich davon überzeugst, wie sehr die beiden jungen Männer dir und das Mädchen der Mutter ähnlich sehen. «
Der Sultan betrachtete sie genau. ja, es gab keinen Zweifel. Er erkannte seine Kinder, und zusammen mit dem Vogel, dem Zweig und dem Wasser, die ihm eine so große Hilfe gewesen waren, nahm er sie mit auf sein Schloss.
Welch große Freude die Mutter empfand, als sie ihre Kinder wiedersah, dafür habe ich keine Worte, und das genaue Gegenteil war der Fall bei den bösen Schwestern.
Sie wurden bestraft, das heißt man warf sie an jener Stelle in den Fluss, an der das Wasser am tiefsten ist. Zuvor aber hatte man einer jeden einen schweren Stein um den Hals gebunden, damit man auch sicher sein konnte, dass sie tatsächlich ertranken.
Der Sultan und die Sultana lebten noch viele Jahre glücklich zusammen und freuten sich über ihre wohlgeratenen Kinder.
Dieses Märchen wurde mir von Dieter [chax@wtal.de] zur Verfügung gestellt.