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Señora Fortuna und Señor Dinero
Spanisches Volksmärchen


Also, meine Herren, ihr müsst wissen, dass Señora Fortuna und Señor Dinero ineinander so verliebt waren, dass man nie die eine ohne den andern sah. Natürlich fingen die Leute mit der Zeit an, dieses Verhältnis zu tadeln, und so beschlossen beide, sich endlich ehrlich zu heiraten.

Senior Dinero war ein kleiner, dicker Mann mit einem runden Kopf von peruanischem Gold, einem runden Bauch von mexikanischem Silber und runden Beinen von segovianischem Kupfer, mit Schuhen aus der großen Papierfabrik von Madrid. Señora Fortuna dagegen war eine kapriziöse, hirnlose, unbeständige und unverschämte, eigensinnige Frau und blind wie ein Maulwurf.

Kaum hatte das neue Ehepaar die Flitterwochen verlebt, als es auch mit dem Hausfrieden vorbei war. Die Frau wollte befehlen und der stolze und aufgeblasene Señor Dinero sich nicht befehlen lassen.

Meine Herren, mein Vater (Gott habe ihn selig) sagte, wenn sich der Ozean verheiraten würde, würde er schon fein demütig werden: aber Señor Dinero war hochmütiger als der Ozean und verlor seinen Hochmut nicht.

Weil nun beide die Oberhand haben wollten und keiner dem andern nachgeben mochte, so kamen sie endlich überein, dass eine Wette über die strittige Herrschaft entscheiden sollte. »Schau«, sagte die Frau zu ihrem Mann, »siehst du dort am Fuße des Olivenbaumes jenen armen Mann, der so elend und betrübt dasitzt? Wir wollen sehen, wer ihm eine bessere Lage verschafft, du oder ich.«

Señor Dinero ging darauf ein, und sie machten sich auf den Weg, er rollend, sie mit einem Sprung.

Der Mann, der immer unglücklich gewesen war und nie den einen noch den andern erlebt hatte, machte Augen wie Oliven, als er die vornehme Herrschaft vor sich sah.

»Gott grüß Euch«, sagte Señor Dinero.

»Gott grüß Euch«, sagte der arme Mann.

»Kennt Ihr mich nicht?«

»Ich kenne Euer Gnaden nur, um Euch zu dienen.«

»Nie hast du mein Gesicht gesehen?«

»In meinem ganzen Leben nicht.«

»Wieso? Hast du denn gar nichts?«

 

»O ja, Herr, sechs Kinder, nackt Wie Riegel, mit Kehlen weit Wie alte Strümpfe, und was die Einnahme betrifft, so habe ich nur grad einen Bissen, wenn ich arbeite.«

»Und warum arbeitest du nicht?«

»Nun, weil ich keine Arbeit finde, das Glück ist derart gegen mich, dass sich alles zu meinem Schaden wendet. Seitdem ich mich verheiratet habe, scheint mein Weg gefroren zu sein, alles steif und trocken.«

»Ich will dir zu Hilfe kommen«, sagte Señor Dinero, indem er pompös einen Duro aus seiner Tasche zog und ihm den gab.

Dem armen Mann schien das wie ein Traum, und er lief schneller als der Wind geradewegs zu einem Bäckerladen, um Brot zu kaufen. Als er aber das Geldstück aus der Tasche ziehen wollte - fand er nichts, nichts als ein Loch, durch welches sich der Dura, ohne Abschied zu nehmen, davongemacht hatte.

Der arme Mann war ganz außer sich und fing an zu suchen; fand aber nichts. »Das Lamm, das bestimmt ist, im Rachen des Wolfes zu sterben, kann kein Hirt davor behüten.« Nach dem Duro verlor er die Zeit, nach der Zeit die Geduld, und er fing an, sein Schicksal zu verwünschen.

Señora Fortuna wollte sich indes darüber fast totlachen, und dem Señor Dinero, dessen Gesicht vor Ärger noch gelber ward, als es schon war, blieb nichts übrig, als die Hand noch einmal in die Tasche zu stecken und dem armen Mann eine Unze zu geben, worüber sich dieser so freute, dass ihm die Freude vom Herzen zu den Augen herausstrahlte.

Er ging nun in einen Kaufladen, um Zeug für seine Frau und Kinder zu kaufen. Als er aber mit seiner Unze bezahlen wollte, sagte der Kaufmann, die Unze sei gefälscht, er sei wohl gar selbst ein Falschmünzer, und man werde ihn bei Gerichte verklagen. Der arme Mann wurde darüber so feuerrot vor Scham und Verlegenheit, dass man auf seinem Gesicht hätte Bohnen rösten können. Er ging fort und erzählte Señor Dinero, was ihm begegnet war, dabei liefen ihm immer die Tränen herunter.

Señora Fortuna lachte immer lauter, und Señor Dinero wurde immer ärgerlicher. »Ihr habt wahrlich rechtes Unglücke, sagte er zu dem armen Mann, indem er ihm zweitausend Realen gab, »aber ich werde Euch vorwärtsbringen oder meine Macht für verloren geben.«

Der arme Mann entfernte sich und war so außer sich vor Freude, dass er ein paar Räuber, die ihm nachstellten, erst bemerkte, als er sie vor der Nase hatte. Sie zogen ihn aus, nahmen ihm alles weg, was er hatte, und ließen ihn stehen, nackt wie ihn seine Mutter zur Welt gebracht hatte.

Jetzt machte Señora Fortuna ihrem Mann eine lange Nase, und dieser konnte vor Zorn keinen Laut herausbringen. »Nun ist die Reihe an mir«, sagte sie, »und wir werden sehen, wer mehr kann, der Rock oder die Hose.«

Mit diesen Worten näherte sie sich dem armen Mann, der sich auf die Erde geworfen hatte und sich die Haare raufte. Sie pustete ihn bloß an, und in demselben Augenblick sah er neben seinem Fuß den verlorenen Duro. »Etwas ist mehr als nichts«, sagte er zu sich selbst; »kann ich doch meinen Kindern Brot kaufen.«

Als er an dem Kaufladen vorbeikam, rief ihn der Kaufmann und sagte, er möchte ihm doch verzeihen; er habe gemeint, die Unze sei gefälscht; als er sie aber auf der Bank habe prüfen lassen, habe man ihm gesagt, das Gold sei ganz echt und das Gewicht vollkommen; er gebe sie ihm hiermit wieder und schenke ihm obendrein das gekaufte Zeug. Der arme Mann wars zufrieden und zog mit der Unze und dem Zeug weiter. Als er über den Markt ging, begegnete er einer Abteilung Gendarmen, welche die Räuber eingefangen hatten. Der Richter, der ein Richter war, wie es wenige gibt, befahl, dass man dem armen Mann sein Geld zurückgebe, ohne Kosten und Abzug. Der arme Mann wollte darauf das Geld in einer Mine anlegen, und kaum hatte er drei Ellen tief gegraben, als er eine Goldader, eine Silberader und eine Eisenader fand. Bald nannte man ihn Don, darauf Euer Gnaden und schließlich Exzellenz. Seitdem hat Señora Fortuna ihren Mann unter dem Pantoffel und ist ausgelassener, unbeugsamer und kapriziöser als je, und sie fährt fort, ihre Gunst wie der Blinde seine Prügel auszuteilen.