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Der Riese Balderich
Ernst Moritz Arndt

In der westlichen Spitze der Insel Rügen in der Ostsee an der Feldscheide der Dörfer Rodenkirchen und Götemitz, etwa eine Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde neun kleine Hügel oder Hünengräber, welche gewöhnlich die Neun Berge oder die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von welchen das Volk allerlei Märchen erzählt. Diese entstanden weiland durch die Kühnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind, treiben die Zwerge darin ihr Wesen.

Vor langer Zeit lebte auf Rügen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er hieß Balderich), den verdross es, dass das Land eine Insel war und dass er immer durch das Meer waten musste, wenn er nach Pommern auf das feste Land wollte. Er ließ sich also eine ungeheure Schürze machen, band sie um seine Hüften und füllte sie mit Erde; denn er wollte sich einen Erddamm aufführen von der Insel bis zur Feste. Als er mit seiner Tracht bis über Rodenkirchen gekommen war, riss ein Loch in die Schürze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge. Er stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow gekommen war, riss wieder ein Loch in die Schürze, und es fielen dreizehn kleine Berge heraus. Mit der noch übrigen Erde ging er ans Meer und goss sie hinein. Da ward der Prosnitzer Hafen und die niedliche Halbinsel Drigge. Aber es blieb noch ein schmaler Zwischenraum zwischen Rügen und Pommern, und der Riese ärgerte sich darüber so sehr, dass er plötzlich von einem Schlagfluß hinstürzte und starb. Und so ist denn sein Damm leider nie fertig geworden.

Von demselben Riesen Balderich erzählt man ein Kraftstück, das er bei Putbus bewiesen hat. Er hatte schon mehrmals mit Ärger gesehen, dass dem Christen Gotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: »Lass die Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder, wann er fertig ist.« Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgeführt war, nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer Gewalt, dass der Stein wohl eine Viertelmeile über die Kirche wegflog und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo man nach Pose Wald fährt, und der Riesenstein genannt wird.