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Das Posthorn
Es war einmal ein sehr kalter Winter, da fuhr ein Postillion auf dem Schwarzwalde in einem Hohlwege und sah einen Wagen auf sich zukommen, nahm sein Horn und wollte dem Fuhrmann ein Zeichen geben, dass er stillhalte und ihn erst vorbeilasse; allein der Postillion mochte sich anstrengen wie er wollte, er konnte doch keinen einzigen Ton aus dem Horn hervorbringen. Deshalb kam der andre Wagen immer tiefer in den Hohlweg hinein, und da keiner von beiden mehr ausweichen konnte, so fuhr der Postillion geradeswegs über den andern Wagen hinweg. Damit aber dergleichen Unbequemlichkeiten nicht noch einmal vorkommen möchten, so nahm er alsbald wieder sein Horn zur Hand und blies alle Lieder hinein, die er nur wusste; denn er meinte, das Horn sei zugefroren und er wollte es durch seinen warmen Atem wieder auftauen. Allein es half alles nichts; es war so kalt, dass kein Ton wieder herauskam. Endlich gegen Abend kam der Postillion in das Dorf, wo ausgespannt wurde und wo ein andrer Knecht ihn ablöste. Da ließ er sich einen Schoppen Wein geben, um sich zu erwärmen; weil aber in dem Wirtshause grade eine Hochzeit gefeiert wurde und die Stube von Gästen ganz voll war, so begab er sich mit seinem Wein in die Küche, setzte sich auf den warmen Feuerherd, hing sein Horn auf einen Nagel an die Wand und unterhielt sich mit der Köchin. - Auf einmal aber erschrak er ordentlich, als das Posthorn von selbst an zu blasen fing; da blies es zuerst einige Male das Zeichen, das die Postillione gewöhnlich geben, wenn jemand ausweichen soll; dann aber auch alle Lieder, die er unterwegs hineingehaucht hatte und die darin festgefroren waren, und die jetzt an der warmen Wand alle nacheinander wieder auftauten und herauskamen, z.B. "Schier dreißig Jahre bist du alt u.s.w." "Du, du liegst mir am Herzen." "Mädle, ruck ruck ruck" und andere Schelmenlieder. Zuletzt auch noch der Choral: "Nun ruhen alle Wälder," denn dies war das letzte Lied, welches der Postillion hineingeblasen hatte. |
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