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Das Öl der Zwerge
Wilhelm Busch
Es ist einmal eine Hebamme gewesen, zu
der kam in der Nacht ein kleines Männlein mit einer Laterne und forderte sie
auf, eilig mit ihm zu gehen.
Sie nahm ihren Mantel über und folgte dem Zwerge, welcher über Feld und Wiesen
voranschritt bis zu einem Wasser, unter welchem er seine Wohnung hatte.
Hier innen lag die Frau des Zwerges in Kindesnöten.
Nachdem die Hebamme ihr Beistand geleistet und das Kindlein geboren und
gewaschen war, reichte ihr das Männlein ein Glas mit wohlriechendem Öle und
forderte sie auf, das Kindlein damit einzureiben.
Nun hatte die Hebamme trübe, tränende Augen und darum die Gewohnheit, von Zeit
zu Zeit mit der Hand darüber zu streichen.
Als sie nun so mit dem Einreiben des Kindes beschäftigt war, juckte und flirrte
es ihr auch wieder in dem einen Auge, so dass sie mit dem Finger herüberfuhr und
es auswischte.
Nachdem sie nun das Kind angezogen hatte und sich zum Weggehen anschickte, gab
ihr der Zwerg einiges Geld.
Sie ging darauf an das Bett der Wöchnerin, um ihr gute Besserung zu wünschen und
Adieu zu sagen.
Die Wöchnerin zog sie aber nahe zu sich und sagte ihr heimlich ins Ohr: sie
sollte das Geld, welches ihr der Mann gegeben, nur wegwerfen, aber statt dessen
den Kehricht aufraffen, der da vor der Stubentür an der Schwelle läge.
Das tat sie, behielt aber doch auch das Geld.
Während dem hatte der Zwerg seine Laterne wieder angezündet, begleitete die
Hebamme nach Hause und verabschiedete sich von ihr, nachdem er sich noch
vielmals für die gute Hilfe bedankt hatte.
Als jetzt die Frau nach ihrem Gelde sehen wollte, war es Pferdemist, der
Kehricht aber war eitel rotes Gold.
Einige Zeit danach ging die Hebamme zum Jahrmarkt in die nächste Stadt und
gedachte da tüchtig einzukaufen, denn sie hatte nun Geld in Menge.
Sie musste sich ordentlich drängen lassen, so voll war's da auf dem Markte.
Da sah sie auf einmal denselben Zwerg, der sie in der Nacht zu seiner Frau
geholt hatte; er ging von einer Krambude zur andern und packte in seinen
Schnappsack, was ihm gefiel, schöne Honigkuchen und gute, braune Pfeffernüsse,
Bänder und Tücher, ohne dass die Eigentümer das Geringste zu merken schienen.
Die Frau drängte sich zu ihm hin, tupfte ihm mit dem Finger auf die Schulter und
redete ihn an: »Sieh da! Guten Tag, guten Tag, Herr Zwerg! Auch hier?« Der Zwerg
drehte sich rasch um und sah die Frau so recht verwundert an.
»J! Frau!« – sagte er – »kann Sie mich denn sehen?« »O ja, recht gut! Warum das
nicht?« »Und mit beiden Augen?« fragte der Zwerg.
Die Frau hielt das rechte Auge zu.
»Nein, nun sehe ich ihn nicht.« Darauf drückte sie das linke Auge zu.
»Ja, nun sehe ich ihn wieder.« »J!« – sagte der Zwerg – »das ist doch sonderbar!
Zeige Sie mal her! Puh!« Da pustete er ihr ins rechte Auge, dass es sogleich
blind wurde und sie nicht wieder damit sehen konnte ihr Lebelang. |