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Odenwälder Lügenmärchen
Johann Wilhelm Wolf


Mein Gickel, mein Hahn,
das Märchen fängt an.
Geh ich einen hohen Berg hinauf,
stehen drei stolze Eichbäume drauf;

der erste hat keinen Wipfel, der andre hat keinen Ast, der dritte hat keine Wurzel. Nun weiß ich nicht, auf welchen ich steigen soll; steig ich auf den der keinen Ast hat. Wie ich hinauf komm,

seh ich ein kleines Löchelein,
da schlupf ich hinein;
steht ein Ständer mit Buttermilch drein

mit Heu und Haberstroh eingebrockt. Jetzt weiß ich nicht, womit ich essen soll. Da erwisch ich eine Heugabel und esse mich so satt und so dick, dass ich nicht weiß, wie ich wieder 'rauskommen soll. Schick ich in meines Herren Haus, lass mir ein Beil holen und hau das Löchlein größer. Da fällt das Beil und als ich komm herunter, ist der Helm verschwunden.

Da hab ich den Stiel verkauft und mir Steckbohnen dafür gekauft.

Die Bohnen hab ich gesteckt
und mich dazugelegt.

Als ich erwachte, war der Bohnenstock so groß, dass ich nicht darüber hinwegsehen konnte. Schick ich in meines Herren Haus und lass mir eine Leiter holen.

Steig ich hinauf,
steht ein papiernes Kirchlein drauf.
Geh ich hinein,
ist ein hölzerner Pfarrer drein
und ein hainbuchenes Schulmeisterlein.
Ruft der Pfarrer: Heut ist Fest!
Der Schulmeister: Halt ihn fest.
Spring ich zur Thür, stoss meine Ferse dran,
Dass meine Zehen fangen zu bluten an.
Wie ich herunter kumm,
schlagen sich die Bettelbuben mit den Bettelsäcken herum;

weiß ich nicht, womit ich mich herumschlagen soll. Zieh ich meine Schuh und Strümpf aus und schlag mich auch mit herum. Wie ich meine Schuh und Strümpf verschlagen hab, weiß ich nicht was ich anfangen soll; schau ich auf das papierne Kirchlein, sitzt ein kleines Vöglein drauf, werf ich einen Stein hinauf, fällt ein Zentner Federn und ein Pfund Fleisch herunter. Hab ich meinen Zentner Federn und mein Pfund Fleisch verkauft und mir neue Strümpf und Schuh gekauft,

da kam die Katz mit der Maus,
mein Märchen ist aus.