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Der kleine Bär und der „graue“ Traum – Ein Nebeltag im Wald
© Elke Bräunling


Ein Nebeltag im Bärenwald

Als der kleine Bär eines Herbstmorgens aus der Bärenhöhle trat, erschrak er erst einmal. Dann rieb er sich die Augen, schaute wieder und er sah … nichts. Die Welt war über Nacht grau geworden. Grau und nass und kalt. Und es war so seltsam still. Nur ab und zu knackte es leise und eine Eichel oder ein trockenes Herbstblatt fielen zu Boden.

“Das ist bestimmt nur ein böser Traum”, brummte der kleine Bär. “Ich muss nur aufwachen und noch einmal aus der Bärenhöhle gehen. Dann werde ich die Sonne sehen und den Himmel, die Bäume und die Wiese. Auch meine Freunde werde ich im Wald treffen. Ja, ich muss nur den Tag noch einmal von vorne beginnen. Ganz einfach, oder?

Er kroch wieder in die Höhle zurück. Dort sah es aus wie immer. Und wie immer waren auch seine Geschwister und seine Bäreneltern nicht mehr da.
“Hihi“, kicherte er. „Ich habe mal wieder verschlafen. Alle sind sie schon unterwegs auf Futtersuche. Nur mich hat dieser graue Traum hier festgehalten.“
Er fuhr sich mit den Tatzen nochmals über die Augen, schüttelte sich und atmete tief durch. Dann kroch er erneut aus der Höhle und trat beherzt einen Schritt ins Freie.

Und er erschrak erneut.

Es war noch immer da, dieses Grau da draußen. Irgendwie war es sogar noch näher gekommen. So nahe, dass der kleine Bär keinen Schritt weiter sehen konnte. Keinen Schritt weiter nach vorne und keinen Schritt weiter zurück. Selbst den Eingang zur Höhle konnte er nur noch mühsam erkennen.
“Haben wir einen Grautag heute?”

Der kleine Bär spähte in das Grau hinein, tapste noch einen Schritt und noch einen Schritt und noch einen immer weiter dorthin, wo gestern noch die drei mächtigen Eichen standen.
“Würde mich nicht wundern, wenn dieses Graudings die Bäume aufgefressen hätte.”
Vor lauter Wundern vergaß der kleine Bär seine Furcht. Aufgeregt tappte er weiter dorthin, wo er gestern unter den Eichen gespielt hatte.
Bums! Hart knallte er auf einmal mit dem Kopf an den Stamm der mittleren Eiche.
“Aua!” Der kleine Bär rieb sich die schmerzende Stirn. “Das hat wehgetan.” Fast vorwurfsvoll klopfte er mit der Tatze an den Baumstamm. “Das ist nicht nett von dir. Sag, warum versteckst du dich vor mir, du Baum, du?”

Die Eiche schwieg. Nur ganz sacht raschelten ihre Blätter, die der Herbst, dieser unsichtbare Geist, in den letzten Wochen erst gelb und dann braun gefärbt und dann getrocknet hat.

Leise sirrten sie: “Das ist Nebel-Nebel-bel-bel-bellll …”
Der kleine Bär dachte nach.

Ob der Herbst, dieser fremde Kerl, dieses Grauzeugs geschickt hatte so wie er auch die Blätter bunt bemalt hatte? Seltsam. „Ich glaube“, murmelte er, „ich muss noch viel lernen. Morgen. Heute fühle ich mich – irgendwie – etwas grau.“

Und vorsichtig tastete er sich zurück zur Höhle und kuschelte sich wieder in seine Schlafecke.


Dieses Märchen / Geschichte wurde mit von  Märchenflüsterin in Elke Bräunling zur Verfügung gestellt
Das Copyright liegt ausschließlich bei Elke Bräunling -
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