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Ein Müllerknecht wird in einen Esel verwandelt
Es war einmal ein Müllerknecht, der fand Gefallen an der Müllerin einziger Tochter und glaubte, dass das Mädchen auch ihm zugetan sei, da es manchmal in die Mühle kam und ihm bei der Arbeit zusah oder von Ferne seinen Liedern lauschte. Nun hatte der Müllerknecht schon seit einiger Zeit bemerkt, dass Mutter und Tochter oftmals während der Nacht abwesend waren und sich erst in der Morgenfrühe wieder in der Mühle befanden, ohne dass er wusste, wie sie hinaus- und wieder hereingekommen waren. Von Neugierde und Eifersucht getrieben, versteckte er sich eines Nachts unter das Bett der Müllerin und bemerkte bald, dass die Müllerin einen Wandschrank öffnete, einen kleinen Topf herausnahm, mit dessen Inhalt sie das Mädchen und sich selbst bestrich und dazu einige Worte murmelte. Hierauf gingen beide in die Küche, und er hörte nichts mehr von ihnen. Eiligst schlich er aus seinem Versteck hervor, untersuchte den Topf und fand eine graue Salbe darin, womit er sich die Hände einrieb und dazu sprach: »Obenan und nirgends wieder«, die einzigen Worte, die er verstanden hatte. Er begab sich nun ebenfalls in die Küche und wurde plötzlich mit Gewalt zum Schornstein hinausgezogen, fort durch die Lüfte, in Sturmesflug, dass ihm Hören und Sehen verging. Als er wieder zu sich kam, befand er sich auf dem Gipfel eines ihm wohlbekannten Berges, der als Versammlungsort der Hexen im ganzen Land berüchtigt ist. Unter der Menge derer, die in dieser Nacht eben ihren Sabbat begingen, bemerkte er auch seine Meisterin und seine Geliebte. Wild fuhren die teuflischen Wesen über den zitternden Burschen her, und die allgemeine Stimmung war, ihn auf der Stelle zu töten, damit er ihr Geheimnis nicht verriete. Nur mit Mühe gelang es der Müllerstochter, Gnade für ihn zu erhalten; jedoch zur Strafe verwandelten die Hexen ihn in einen Esel. Bevor die Versammlung sich trennte, flüsterte ihm das mitleidige Mädchen zu, dass er die Verwünschung aufheben könne, wenn es ihm gelänge, Weihwasser zu trinken. Des anderen Morgens fand ein Bauer den Esel und führte ihn nach Hause. Er musste nun in zwei Hotten Mist tragen, Rebpfähle und Gras. Oftmals wollte er seinem Herrn und andern Leuten seinen Jammer klagen, allein, obgleich ihm seine menschlichen Gedanken geblieben waren, so schrie er doch eben wie ein rechter Esel und bekam dafür tüchtige Schläge. Beinahe ein Jahr verblieb er unter dem Zauber der Hexen; da gelang es ihm endlich, nach manchem vergeblichen Versuch, zur offenstehenden Tür einer Kirche hinein an den Weihkessel zu kommen. Schnell nahm er einen tüchtigen Schluck und wurde wieder zum Menschen. Die Müllerstochter hat er nie wieder eines Blickes gewürdigt.
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