Das Mädchen aus dem Geisterhaus

Hey, wo kommst du denn her, dich habe ich ja noch nie hier gesehen, hast du dich verlaufen oder was ist sonst mit dir.

Da will ich dir schnell mal Auskunft geben: Also ich komme aus dem alten Haus da drüben. Wir sind erst eingezogen, und ich habe mich nicht verlaufen. Und außerdem solltest du dich erst mal vorstellen, wenn du jemand, nämlich mich neu kennen lernst. Also ich bin Patsie Neumann.

Na gut, du hast Recht, ich heiße Franz Bauer, aber für meine Freunde tut’s auch Fränzchen, alias Großer Bär. Und da drüben kommt einer meiner Freunde, Fritz Müller, genannt Fritzchen, alias Weißer Hirsch.

Ah so! Wie so habt ihr solche Aliasnamen.

Wenn du mir versprichst es niemand zu erzählen, dann erkläre ich es dir.

Na gut, erzähl schon, ich schwöre dir niemandem davon zu erzählen.

Wir sind nämlich in Wirklichkeit Indianer, richtig große Krieger musst du wissen.

Ah so, jetzt musst du mir aber auch etwas versprechen.

Was denn, fragte Fränzchen alias Grosser Bär neugierig geworden zurück.

Also gut, schwöre dass du niemand von mir erzählst.

Warum denn nicht.

Schwöre!

Na gut. Ich schwöre bei meinen Ahnen, die allesamt große Krieger waren.

Also die Sache ist nämlich so, nur du kannst mich sehen, sonst niemand, denn ich bin ein kleines Gespenst, du brauchst natürlich keine Angst vor mir zu haben, denn ich bin ein liebes kleines Gespenst.

Ach so, du bis also ein liebes kleines Gespenst, das nur ich sehen kann und sonst niemand, na fragen wir doch einmal den großen Krieger, Weißer Hirsch.

Mittlerweile war Fritzchen Müller herangekommen, mit wem redest du denn die ganze Zeit.

Fränzchen tat erstaunt, ich habe gerade ein Mädchen kennen gelernt, das behauptet ein kleines liebes Gespenst zu sein, und nur ich würde es sehen.

Na wo ist denn dein Gespenst hingekommen, ich sehe niemanden.

Natürlich, eben war sie doch noch da, er drehte sich um, aber da war niemand, und doch da war sie plötzlich wieder und verschwand gar bald wieder,

Fränzchen war ganz verwundert, sagte aber zu Fritzchen, dass er wohl geträumt haben musste.

Was tun wir denn heute, kommt Paulchen, äh ich meine natürlich Schwarzer Löwe, heute auch zu unserem Versammlungsort, fragte Fritzchen.

Na das will ich meinen, er hat es mir versprochen sagte Fränzchen.

Aber was ist mit Mäxchen, den alle Krieger nur Mäxchen nennen, wann bekommt er denn seine Aufgabe, nach deren Erfüllung er auch ein großer Krieger sein wird, fragte Fritzchen alias Weißer Hirsch, denn Mäxchen war sein kleiner Bruder und nervte ihn laufend mit dieser Frage.

Sag ihm es wird nicht mehr lange dauern, meinte Fränzchen alias Großer Bär.

Na da wird er sich aber freuen. Komm gehen wir zu unserem Versammlungsort, wir wollen die Friedenspfeife rauchen.

Sie hatten die Friedenspfeife nur ein einziges Mal geraucht, worauf ihnen allen furchtbar schlecht geworden war, seither taten sie nur noch so, als ob sie rauchen würden.

Sie liefen rasch in den Wald und von da auf eine kleine Lichtung wo ein aus Brettern zusammengezimmertes Häuschen stand. Das sollte das Versammlungszelt darstellen. Schwarzer Löwe war schon da, und kam ihnen freudestrahlend entgegen.

Ihr werdet kaum glauben was mir heute passiert ist. Ich habe ein kleines liebes Gespenst kennen gelernt, das in dem alten Haus wohnt, von dem die Leute behaupten dort würde es spuken, aber nur ich kann es sehen verkündete er angeberisch.

So etwas hat mir Großer Bär auch schon erzählt, aber ich glaube nichts davon, verkündete nun Weißer Hirsch.

Glaub was du willst, aber immerhin sind wir nun schon zwei die die gleiche Geschichte erzählt haben.

Ihr habt euch sicher abgesprochen, meinte Fritzchen.

Sie setzten sich nieder und begannen die Friedenspfeife zu rauchen, natürlich taten sie nur so.

Danach fragte Fritzchen, was ist denn nun die Aufgabe für meinen kleinen Bruder.

Na lass uns beraten, meinte Paulchen, wie wäre es wenn er auf einen hohen Baum klettern müsste.

Nein das ist zu gefährlich, entgegnete Fritzchen, aber wie wäre es wenn er in das Geisterhaus ginge und dort ein halbe Stunde bleiben würde, seid ihr damit einverstanden.

Die beiden anderen nickten zustimmend. Es ist also beschlossen und so soll es sein. Jetzt müssen die großen Krieger aber in ihre heimatlichen Tipis, es ist Zeit zu Essen.

Gut gehen wir, sagte Weißer Hirsch und alle gingen in verschiedene Richtungen nach Hause.

Als Fränzchen alleine war, fragte er, na Patsie wie war das noch einmal, nur ich kann dich sehen, und wieso kann dich auch Paulchen sehen.

Na das ist ein dummer Zufall, ich konnte ja nicht wissen dass ihr einander kennt.

Aber daran dass du meinen Namen gerufen hast, erkenne ich dass du an meine Existenz glaubst, aber trotzdem solltest du nichts über mich erzählen, denn wenn noch jemand außer euch beiden an mich glaubt, so geht der Zauber kaputt und ich muss noch einmal für Hundert Jahre warten, bis ich wieder auf die Welt kommen darf.

Na gut ich habe es dir doch versprochen.

Ich muss jetzt schnell nach Hause, sonst schimpft meine Mama mit mir und ich bekomme Hausarrest. Damit lief er schnurstracks nach Hause.

Patsie konnte ihm kaum folgen.

Na was hast du heute gemacht, Fränzchen.

Och, wir haben in der Schule einen Ausflug gemacht, und darüber müssen wir jetzt eine Geschichte schreiben.

Na dann wasch dich und dann kommst du zum Essen. Danach kannst du deine Erzählung schreiben.

So ich gehe auf mein Zimmer, die Geschichte schreiben, sagte er als er aufgegessen hatte.

Er nahm ein Heft hervor und einen Bleistift. Aber es wollte ihm kein ordentlicher Anfang einfallen. Missmutig kaute er auf dem Bleistift herum.

Plötzlich war wieder Patsie da, na wird wohl nichts mit deiner tollen Geschichte, aber du hast Glück dass du mich kennst, ich werde dir helfen.

Und sie begann sofort mit dem Schreiben. Jetzt wunderte sich Fränzchen aber doch, das war ja ganz genau seine Handschrift, die da auf der Heftseite erschien, er tat überhaupt nichts dazu.

Flott war die eine Seite voll geschrieben und auch noch eine Zweite und eine dritte.

Puh, war das aber anstrengend, aber immerhin ist die Geschichte fertig. Dafür wirst du eine sehr gute Note erhalten.

Und was machen wir jetzt?

Wir könnten zu uns hinübergehen, oder hast du etwa Angst in das alte Haus zu gehen.

Eigentlich hatte er wirklich Angst, aber das konnte er ja nicht zugeben, und so liefen sie rasch zum Geisterhaus.

Wie von selbst öffnete sich die Tür knarrend und Patsie verschwand darin. Fränzchen ging widerwillig hinterher, es roch nach Moder und alles war voller Staub und Spinnweben. Er kam an eine Treppe und von oben rief das kleine liebe Gespenst, komm nur rauf du Feigling, hier oben ist es schön, da ist mein Zimmer.

Na gut er war bis hierher gekommen, also wollte er auch noch die Treppe hinaufgehen.

Und seltsamerweise war im zweiten Stock alles wunderbar aufgeräumt. Kein Stäubchen und nicht die kleinste Spinnenwebe war zusehen.
Auch roch es hier verdammt gut. Er ging auf eine offen stehende Tür zu und hinein.
Patsie saß auf einem Sofa und rief, komm setz dich, ich muss dir etwas erzählen.

Hey wach auf mein Kleiner. Fränzchen komm du hast nur schlecht geträumt, aber es wird Zeit, dass du dich fertig machst für die Schule. Ich habe auch schon dein Frühstück unten stehn.

Missmutig stand er auf und begab sich ins Bad, wo er sich die Zähne putzte und den Hals und das Gesicht wusch.

Dann ging er nach unten, aß ein Brot mit Butter und Marmelade, trank eine Tasse duftenden Kakao´s dazu.

So jetzt musst du aber in die Schule und heute Mittag erzählst du mir wovon du geträumt hast.

Er nahm seinen Ranzen und lief frohgemut zur Schule. Er kam gerade zurecht, als die Glocke schlug. Schnell lief er zu seinem Klassenzimmer.

Als sie sich alle gesetzt hatten, kam der Lehrer Herr Pfeiffer mit einem kleinen Mädchen herein.

Also hört einmal alle zu, das hier ist Patsie, sie ist in diese Stadt gezogen, weil ihre Eltern hier ein Haus geerbt haben und sie wird in unsere Klasse gehen, also heißt sie herzlich willkommen.

Fränzchen wunderte sich sehr, das war ja das gleiche Mädchen das er und auch Paulchen schon gesehen hatten. Hatte er das alles nur geträumt, dann hatte er wohl auch keine Hausaufgaben gemacht. Schnell nahm er sein Heft hervor. Die Geschichte stand da, tatsächlich drei Seiten, schon komisch, das mit dem kleinen lieben Gespenst.

Oder etwa doch kein kleines liebes Gespenst, sondern nur ein kleines liebes Mädchen.

Am Mittag brachte er Patsie in das alte Haus, von dem die Leute sagten, dass es dort spuke, aber dort war alles schön aufgeräumt und die vorher matten Fensterscheiben glänzten in der Mittagssonne.

Ein freundliches Elternpaar freute sich dass ihre Patsie so schnell einen neuen Freund gefunden hatte........


Dieses Märchen wurde mir von Harald Ruffing (florinho@online.de) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright hierfür liegt ausschließlich bei Harald Ruffing "florinho@online.de"