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Icmá der Bär
Ein Mann lebte zusammen mit einer Frau. Es war Sommer. Die Frau war schwanger. Eines Tages, als sie Beeren suchte, kam ein großer Bär und entführte die Frau. Er hielt sie darauf in seiner Höhle gefangen. Ehe es noch Frühjahr wurde, gebar die Frau ein Kind, das von ihrem ersten Mann gezeugt worden war, und weil es so viel Haar auf seinem Körper hatte, wurde es Icmá (Der-mit-den-vielen-Haaren) genannt. Im Frühjahr verließ der Bär seine Höhle. Der kleine Junge schaute hinaus und sagte zu seiner Mutter: "Vielleicht sollten wir besser zu dem Platz davonlaufen, von dem du gekommen bist." Aber der Bär hatte den Eingang der Höhle mit einem schweren Stein versperrt, und die Frau sprach: "Wir können den Stein nicht fortrollen. Er ist zu schwer." Der Junge aber versuchte es, und es gelang ihm, den Stein fortzuwälzen. Sie flohen, ehe der Bär zurückkam. Sie hatten schon fast das Lager der Indianer erreicht, als der Bär sie einholte. Die Frau war erschöpft, und der Junge lud sie auf seinen Rücken und rannte mit ihr gegen das Lager hin. Zuerst lebte die Frau im Fremdenzelt. Dann erzählte jemand ihrem Mann, dass sein Weib zurück sei. Da führte der Häuptling sie und das Kind in das Zelt des Mannes. Der Junge spielte mit den anderen Kindern. Einmal stritt er mit einem anderen Jungen und tötete ihn mit einem einzigen Schlag. Etwas später schlug er noch einmal einen seiner Kameraden tot. Da sprach Icmá zu seinem Vater: "Ich mag nicht ständig andere Jungen töten. Ich werde auf Reisen gehen." Er lief fort und traf zwei Männer, die wurden seine Kameraden. Der eine hieß Holzdreher, der andere Stammschlepper. Sie kamen an eine gute Hütte und beschlossen, dort zu bleiben. Am ersten Tag gingen Icmá und Holzdreher zusammen auf die Jagd. Sie baten Stammschlepper, daheim zu bleiben und zu kochen.
Während sie fort waren, kam ein Ungetüm in die Hütte, warf
Stammschlepper zu Boden und tötete ihn. Die beiden anderen Männer fanden ihn
leblos, aber Am nächsten Tag sprach Icmá: "Holzdreher, bleib du heute zu Haus, ich will mit Stammschlepper auf die Jagd gehen." Bei Sonnenuntergang begann Holzdreher Brennholz zu hacken. Plötzlich trat jemand aus der Hütte, der sah aus wie ein Mensch, aber von der Hüfte abwärts hatte er die Gestalt eines Bären, und seine Nägel waren so lang wie Bärenklauen. Er griff Holzdreher an, tötete ihn, aber Icmá machte auch Holzdreher wieder gesund. Am folgenden Tag sprach Icmá: "Geht ihr beiden auf die Jagd. Ich bleibe heute daheim." Als er sich daran machte, Holz zu spalten, kam das Ungetüm wieder und forderte ihn zum Kampf heraus. Icmá bekam es beim Kopf zu fassen, schlug ihm den Kopf ab und ließ den leblosen Körper in der Hütte. Als seine beiden Kameraden heimkamen, fragte er sie: "Warum habt ihr ihn nicht getötet?" Dann sagte er noch: "Ich mag dieses Haus nicht. Wir wollen weiterreisen." Sie brachen also auf und kamen zu einem großen Lager. Der Häuptling erzählte: "Meine drei Töchter sind von unterirdischen Wesen entführt worden. Wer sie zurückbringt, der soll sie heiraten." Icmá befahl Stammschlepper, Holz herbeizuschaffen, und Holzdreher musste daraus ein Seil machen. Dann wurde ein Schacht in die Erde gegraben, und Icmá ließ sich in einer Kiste in das Reich der Unterirdischen hinab. Als er angekommen war, zog er am Seil, um seinen beiden Kameraden Bescheid zu geben. Er traf die drei Mädchen. Die erste wurde von einem Berglöwen bewacht, die zweite von einem großen Adler und die dritte von einem Riesen, der Menschen fraß. Icmá tötete den Löwen. Das Mädchen sprach: "Besser, du kehrst jetzt um. Der Adler wird dich gewiss töten." Icmá erschlug den Adler. Das Mädchen sprach: "Die Menschenfresser sind böse Burschen. Mit ihnen solltest du dich nicht einlassen. Besser, du ziehst heim." "Nur keine Angst", antwortete Icmá, "ich will schon mit ihnen fertig werden." Brüllend stürmten die Menschenfresser heran. Es waren ihrer zwölf, alles Kerle, so groß wie Bäume. Das Mädchen sprach: "Renn fort, so schnell du kannst." Aber Icmá blieb und machte sich zwei Schleudern. Ein Schuss aus der ersten Schleuder durchschlug die Leiber von sechs Menschenfressern und tötete alle. Mit einem Schuss aus der zweiten tötete er die anderen sechs. Eines der Mädchen gab ihm ein Taschentuch, die andere eine Krawatte und die Jüngste schenkte ihm einen Ring. Er führte die Mädchen zu der Kiste und zog am Seil. Seine beiden Kameraden zogen das älteste Mädchen herauf. Beide wollten sie sie heiraten, aber Icmá zog wieder am Seil, und sie hievten das zweite Mädchen nach. oben. Schließlich saß Icrná selbst mit der Jüngsten unten in der Kiste und zog am Seil. Als die beiden Männer zogen, sprach Holzdreher : "Wir wollen das Seil durchschneiden." Stammschlepper widersprach ihm, aber Holzdreher schnitt trotzdem das Seil durch, und Icmá und das Mädchen stürzten auf den Boden des Schachts. Icmá blieb dort lange Zeit, während seine Gefährten die bei den Mädchen, die heraufgeholt worden waren, zum Häuptling führten. Schließlich traf Icmá einen großen Vogel, der wollte ihn an die Oberwelt zurücktragen. Aber der Vogel sprach, er habe nicht genug zu essen, um bei einer solch langen Reise nicht von Kräften zu kommen. Da tötete Icmá drei Rentiere und verlud das Fleisch auf den Rücken des Vogels. Darauf stiegen das Mädchen und er auf, und der Vogel erhob sich in die Luft. Unterwegs ging das Rentierfleisch aus, da schnitt Icmá Fleischstücke aus seinem eigenen Körper und fütterte den Vogel damit. Icmá kam gerade an dem Tag ins Lager, als seine falschen Freunde die Mädchen heiraten wollten. Alle Leute waren versammelt. Icmá trat unter sie und sprach: "Ich muss noch einmal in eine der Hütten, um etwas zu holen, ehe die Hochzeitszeremonie beginnen kann." Als Icmá Stammschleppers Haus betrat, bekam der es mit der Angst zu tun. "Ich bin gleich wieder da. Ich will nur einmal kurz hinausgehen", sagte er. Aber er kam nie zurück. Und auch der Holzdreher suchte das Weite. Später fragte der Häuptling: "Wer hat nun die drei Mädchen gerettet?" Icmá wies das Taschentuch, die Krawatte und den Ring vor, die Geschenke, die sie ihm in der unterirdischen Welt gegeben hatten. Da erhielt er sie alle drei zu Frauen.
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