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Die grüne Schlange
An dem großen Flusse, der eben von einem starken Regen geschwollen und übergetreten war, lag, in seiner kleinen Hütte, müde von der Anstrengung des Tages, der alte Fährmann und schlief. Mitten in der Nacht weckten ihn einige laute Stimmen, er hörte, dass Reisende übergesetzt sein wollten. Als er vor die Tür hinaus trat sah er zwei große Irrlichter über dem angebundenen Kahne schweben, die ihn versicherten, dass sie große Eile hätten und schon an jenem Ufer zu sein wünschten. Der Alte säumte nicht, stieß ab und fuhr, mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit, quer über den Strom, indes die Fremden in einer unbekannten, sehr behenden Sprache gegen einander zischten und mit unter in ein lautes Gelächter ausbrachen, indem sie bald auf den Rändern und Bänken, bald auf dem Boden des Kahns hin und wieder hüpften.
Sie brachen über diese Zumutung in ein großes Gelächter aus, verspotteten den Alten und waren noch unruhiger als vorher. Er trug ihre Unarten mit Geduld, und stieß bald am jenseitigen Ufer an.
- Ums Himmels willen was macht ihr! rief der Alte, ihr bringt mich ins größte Unglück! wäre ein Goldstück ins Wasser gefallen, so würde der Strom; der dieses Metall nicht leiden kann, sich in entsetzliche Wellen erhoben, das Schiff und mich verschlungen haben, und wer weiß, wie es euch gegangen sein würde; nehmt euer Geld wieder zu euch!
Die Irrlichter waren aus dem Kahne gesprungen, und der Alte rief:
Die Irrlichter wollten scherzend davon schlüpfen; allein sie fühlten sich auf eine unbegreifliche Weise an den Boden gefesselt; es war die unangenehmste Empfindung die sie jemals gehabt hatten. Sie versprachen seine Forderung nächstens zu befriedigen, er entließ sie und stieß ab. Er war schon weit hinweg als sie ihm nachriefen:
In dieser Kluft befand sich die schöne grüne Schlange, die durch die herabklingende Münze aus ihrem Schlafe geweckt wurde. Sie ersah kaum die leuchtenden Scheiben als sie solche auf der Stelle, mit großer Begierde verschlang, und alle Stücke die sich in dem Gebüsch und zwischen den Felsritzen zerstreut hatten, sorgfältig aufsuchte. Kaum waren sie verschlungen, so fühlte sie mit der angenehmsten Empfindung das Gold in ihren Eingeweiden schmelzen und sich durch ihren ganzen Körper ausbreiten und zur größten Freude bemerkte sie, dass sie durchsichtig und leuchtend geworden war. Lange hatte man ihr schon versichert, dass diese Erscheinung möglich sei; weil sie aber zweifelhaft war, ob dieses Licht lange dauern könne, so trieb sie die Neugierde und der Wunsch sich für die Zukunft sicher zu stellen aus dem Felsen heraus, um zu untersuchen, wer das schöne Gold herein gestreut haben könnte. Sie fand niemanden; desto angenehmer war es ihr, sich selbst, da sie zwischen Kräutern und Gesträuchen hinkroch, und ihr anmutiges Licht, das sie durch das frische Grün verbreitete, zu bewundern. Alle Blätter schienen von Smaragd, alle Blumen auf das herrlichste verklärt; vergebens durchstrich sie die einsame Wildnis, desto mehr aber wuchs ihre Hoffnung, als sie auf die Fläche kam und von weiten einen Glanz, der dem ihrigen ähnlich war, erblickte. Find ich doch endlich meines Gleichen! rief sie aus und eilte nach der Gegend zu. Sie achtete nicht die Beschwerlichkeit durch Sumpf und Rohr zu kriechen; denn ob sie gleich auf trockenen Bergwiesen, in hohen Felsritzen am liebsten lebte, gewürzhafte Kräuter gerne genoss und mit zartem Tau und frischem Quellwasserihren Durst gewöhnlich stillte; so hätte sie doch des lieben Goldes willen und in Hoffnung des herrlichen Lichtes alles unternommen was man ihr auferlegte. Sehr ermüdet gelangte sie endlich zu einem feuchten Ried, wo unsere beiden Irrlichter hin und wieder spielten. Sie schoss auf sie los, begrüßte sie, und freute sich so angenehme Herren von ihrer Verwandtschaft zu finden. Die Lichter strichen an ihr her, hüpften über sie weg und lachten nach ihrer Weise.
Die Schlange fühlte sich in der Gegenwart dieser Verwandten sehr unbehaglich, denn sie mochte den Kopf so hoch heben als sie wollte, so fühlte sie doch, dass sie ihn wieder zur Erde biegen musste um von der Stelle zu kommen, und hatte sie sich vorher im dunkeln Hain außerordentlich wohlgefallen, so schien ihr Glanz in Gegenwart dieser Vettern sich jeden Augenblick zu vermindern, ja sie fürchtete, dass er endlich gar verlöschen werde. In dieser Verlegenheit fragte sie eilig, ob die Herren ihr nicht etwa Nachricht geben könnten, wo das glänzende Gold herkomme, das vor kurzem in die Felskluft gefallen sei; sie vermute es sei ein Goldregen der unmittelbar vom Himmel träufle. Die Irrlichter lachten und schüttelten sich und es sprangen eine große Menge Goldstücke um sie herum. Die Schlange fuhr schnell darnach sie zu verschlingen.
Mit einer leichten Verbeugung entfernten sich die jungen Herren und die Schlange war zufrieden von ihnen loszukommen, teils um sich in ihrem eigenen Lichte zu erfreuen, teils eine Neugierde zu befriedigen, von der sie schon lange auf eine sonderbare Weise gequält ward. In den Felsklüften, in denen sie oft hin und wieder kroch, hatte sie an einem Orte eine sonderbare Entdeckung gemacht. Denn ob sie gleich durch diese Abgründe ohne ein Licht zu kriechen genötigt war, so konnte sie doch durchs Gefühl die Gegenstände recht wohl unter-scheiden. Nur unregelmäßige Naturprodukte war sie gewohnt überall zu finden; bald schlang sie sich zwischen den Zacken großer Kristalle hindurch, bald fühlte sie die Hacken und Haare des gediegenen Silbers und brachte ein und den andern Edelstein mit sich ans Licht hervor. Doch hatte sie zu ihrer großen Verwunderung in einem ringsum verschlossenen Felsen Gegenstände gefühlt, welche die bildende Hand des Menschen verrieten. Glatte Wände, an denen sie nicht aufsteigen konnte, scharfe regelmäßige Kanten, wohlgebildete Säulen, und, was ihr am sonderbarsten vorkam, menschliche Figuren, um die sie sich mehrmals geschlungen hatte, und die sie für Erz oder äußerst polierten Marmor halten musste. Alle diese Erfahrungen wünschte sie noch zuletzt durch den Sinn des Auges zusammen zu fassen und das was sie nur mutmaßte, zu bestätigen. Sie glaubte sich nun fähig durch ihr eigenes Licht dieses wunderbare unterirdische Gewölbe zu erleuchten, und hoffte auf einmal mit diesen sonderbaren Gegenständen völlig bekannt zu werden. Sie eilte und fand auf dem gewohnten Wege bald die Ritze, durch die sie in das Heiligtum zu schleichen pflegte. Als sie sich am Orte befand, sah sie sich mit Neugier um, und obgleich ihr Schein alle Gegenstände der Rotonde nicht erleuchten konnte, so wurden ihr doch die nächsten deutlich genug. Mit Erstaunen und Ehrfurcht sah sie in eine glänzende Nische hinauf, in welcher das Bildnis eines ehrwürdigen Königs in lauterem Golde aufgestellt war. Dem Maß nach war die Bildsäule über Menschen-größe, der Gestalt nach aber das Bildnis eher eines kleinen als eines großen Mannes. Sein wohlgebildeter Körper war mit einem einfachen Mantel umgeben, und ein Eichenkranz hielt seine Haare zusammen. Kaum hatte die Schlange dieses ehrwürdige Bildnis angeblickt, als der König zu reden anfing und fragte:
Sie hatte unter diesen Reden bei Seite geschielt und in der nächsten Nische ein anderes herrliches Bild gesehen. In derselben saß ein silberner König, von langer, und eher schmächtiger Gestalt; sein Körper war mit einem verzierten Gewande überdeckt, Krone, Gürtel und Szepter mit Edelsteinen geschmückt; er hatte die Heiterkeit des Stolzes in seinem Angesichte und schien eben reden zu wollen, als an der marmornen Wand eine Ader, die dunkelfarbig hindurchlief, auf einmal hell ward und ein angenehmes Licht durch den ganzen Tempel verbreitete. Bei diesem Lichte sah die Schlange den dritten König, der von Erz in mächtiger Gestalt da saß, sich auf seine Keule lehnte, mit einem Lorbeerkranze geschmückt war; und eher einem Felsen als einem Menschen glich. Sie wollte sich nach dem vierten umsehen, der in der größten Entfernung von ihr stand, aber die Mauer öffnete sich, indem die erleuchtete Ader wie ein Blitz zuckte und verschwand. Ein Mann von mittlerer Größe, der heraustrat, zog die Aufmerksamkeit der Schlange auf sich. Er war als ein Bauer gekleidet und trug eine kleine Lampe in der Hand, in deren stille Flamme man gerne hinein sah, und die auf eine wunderbare Weise, ohne auch nur einen Schatten zu werfen, den ganzen Dom erhellte. - Warum kommst du, da wir Licht haben? fragte der goldene König.
Mit einer starken Stimme fing der eherne König an zu fragen:
Die Schlange war, indessen jene redeten, in dem Tempel leise herumgeschlichen, hatte alles betrachtet und besah nunmehr den vierten König in der Nähe. Er stand an eine Säule gelehnt, und seine ansehnliche Gestalt war eher schwerfällig schön. Allein das Metall, woraus es gegossen war, konnte man nicht leicht unterscheiden. Genau betrachtet war es eine Mischung der drei Metalle, aus denen seine Brüder gebildet waren. Aber beim Gusse schienen diese Materien nicht recht zusammen geschmolzen zu sein; goldne und silberne Adern liefen unregelmäßig durch eine eherne Masse hindurch, und gaben dem Bilde ein unangenehmes Ansehen. Indessen sagte der goldne König zum Manne:
Alle Gänge, durch die der Alte hindurch wandelte, füllten sich hinter ihm sogleich mit Gold, denn seine Lampe hatte die wunderbare Eigenschaft, alle Steine in Gold, alles Holz in Silber, tote Tiere in Edelsteine zu verwanden, und alle Metalle zu vernichten; diese Wirkung zu äußern musste sie aber ganz allein leuchten. Wenn ein andere Licht neben ihr war, wirkte sie nur einen schönen hellen Schein, und alles Lebendige ward immer durch sie erquickt. Der Alte trat in seine Hütte, die an dem Berge angebaut war, und fand sein Weib in der größten Betrübnis. Sie saß am Feuer und weinte und konnte sich nicht zufrieden geben. Wie unglücklich bin ich, rief sie aus, wollt ich dich heute doch nicht fortlassen!
Indessen war das Feuer im Kamine zusammen gebrannt, der Alte überzog die Kohlen mit vieler Asche, schaffte die leuchtenden Goldstücke bei Seite und nun leuchtete sein Lämpchen wieder allein, in dem schönsten Glanze, die Mauern überzogen sich mit Gold und der Mops war zu dem schönsten Onyx geworden, den man sich denken konnte. Die Abwechselung der braunen und schwarzen Farbe des kostbaren Gesteins machte ihn zum seltensten Kunstwerke.
Die Alte packte ihren Korb und machte sich, als es Tag war, auf den Weg. Die aufgehende Sonne schien hell über den Fluss herüber, der in der Ferne glänzte, das Weib gierig mit langsamem Schritt, denn der Korb drückte sie aufs Haupt und es war nicht der Onyx, der so lastete. Alles tote, was sie trug fühlte sie nicht, vielmehr hob sich alsdann der Korb in die Höhe und schwebte über ihrem Haupte. Aber ein frisches Gemüse oder ein kleines lebendiges Tier zu tragen war ihr äußerst beschwerlich. Verdrießlich war sie eine Zeitlang hingegangen, als sie auf einmal, erschreckt, stille stand, denn sie hätte beinahe auf den Schatten des Riesen getreten, der sich über die Ebene bis zu ihr hin erstreckte, und nun sah sie erst den gewaltigen Riesen, der sich im Fluss gebadet hatte, aus dem Wasser heraussteigen und sie wusste nicht, wie sie ihm ausweichen sollte. Sobald er sie gewahr ward, fing er sie scherzhaft zu begrüßen an und die Hände seines Schattens griffen sogleich in den Korb. Mit Leichtigkeit und Geschicklichkeit nahmen sie ein Kohlhaupt, eine Artischocke und eine Zwiebel heraus und brachten sie dem Riesen zum Munde, der sodann weiter den Fluss hinauf ging und dem Weibe den Weg frei ließ. Sie bedachte, ob sie nicht lieber zurückgehen und die fehlende Stücke aus ihrem Garten wieder ersetzen sollte, und ging unter diesen Zweifeln immer weiter vorwärts, so dass sie bald an dem Ufer des Flusses ankam. Lange saß sie in Erwartung des Fährmanns, den sie endlich mit einem sonderbaren Reisenden herüberschiffen sah. Ein junger edler schöner Mann, den sie nicht genug ansehen konnte, stieg aus dem Kahne.
Die Alte tat es, aber wie erschrak sie nicht als sie ihre Hand kohlschwarz wieder aus dem Wasser zog. Sie schalt heftig auf den Alten, versicherte, dass ihre Hände immer das schönste an ihr gewesen wären, und dass sie, unerachtet der harten Arbeit, diese edlen Glieder weiß und zierlich zu erhalten gewusst habe. Sie besah die Hand mit großem Verdrusse und rief verzweiflungsvoll aus:
Seine Brust war mit einem glänzenden Harnisch bedeckt, durch den alle Teile seines schönen Leibes sich durchbewegten. Um seine Schultern hing ein purpurn Mantel, um sein unbedecktes Haupt wallten braune Haare in schönen Locken; sein holdes Gesicht war den Strahlen der Sonne ausgesetzt, so wie seine schön gebauten Füße. Mit nackten Sohlen ging er gelassen über den heißen Sand hin und ein tiefer Schmerz schien alle äußere Eindrücke abzustumpfen. Die gesprächige Alte suchte ihn zu einer Unterredung zu bringen, allein er gab ihr mit kurzen Worten wenig Bescheid, so dass sie endlich ungeachtet seiner schönen Augen müde ward ihn immer vergebens anzureden, von ihm Abschied nahm und sagte:
Sie wurden bald einig; Die Frau vertraute ihm ihre Verhältnisse, die Geschichte des Hundes und ließ ihn dabei das wundervolle Geschenk betrachten. Er hob sogleich das natürliche Kunstwerk aus dem Korbe und nahm den Mops, der sanft zu ruhen schien, in seine Arme.
So fuhr er fort zu klagen und befriedigte die Neugierde der Alten keineswegs, welche nicht sowohl von seinem innern als von seinem äußern Zustande unterrichtet sein wollte. Sie erfuhr weder den Namen seines Vaters noch seines Königreichs. Er streichelte den harten Mops, den die Sonnenstrahlen und der warme Busen des Jünglings, als wenn er lebte, erwärmt hatten. Er fragte viel nach dem Mann mit der Lampe, nach den Wirkungen des heiligen Lichtes und schien sich davon für seinen traurigen Zustand künftig viel Gutes zu versprechen. Unter diesen Gesprächen sahen sie von ferne den majestätischen Bogen der Brücke, der von einem Ufer zum andern hinüber reichte, im Glanz der Sonne auf das wunderbarste schimmern. Beide erstaunten, denn sie hatten dieses Gebäude noch nie so herrlich gesehen.
Sie waren kaum an jenseitigem Ufer, als die Brücke sich zu schwingen und zu bewegen anfing, in kurzem die Oberfläche des Wassers berührte und die grüne Schlange in ihrer eigentümlichen Gestalt den Wanderern auf dem Lande nachgleitete. Beide hatten kaum für die Erlaubnis, auf ihrem Rücken über den Fluss zu setzen, gedankt, als sie bemerkten, dass außer ihnen dreien noch mehrere Personen in der Gesellschaft sein müssten, die sie jedoch mit ihren Augen nicht erblicken konnten. Sie hörten neben sich ein Gezisch, dem die Schlange gleichfalls mit einem Gezisch antwortete, sie horchten auf und konnten endlich folgendes vernehmen: - Wir werden, sagten ein paar wechselnde Stimmen, uns erst Incognito in dem Park der schönen Lilie umsehen, und ersuchen euch uns mit Anbruch der Nacht, sobald wir nur irgend präsentabel sind, der vollkommenen Schönheit vorzustellen. An dem Rande des Großen Sees werdet ihr uns antreffen.
Unsre drei Wanderer beredeten sich nunmehr in welcher Ordnung sie bei der Schönen vortreten wollten, denn so viel Personen auch nun sie sein konnten, so durften sie doch nur einzeln kommen und gehen, wenn sie nicht empfindliche Schmerzen erdulden sollten. Das Weib mit dem verwandelten Hunde im Korbe nahte sich zuerst dem Garten und suchte ihre Gönnerin auf, die leicht zu finden war, weil sie eben zur Harfe sang; die lieblichen Töne zeigten sich erst als Ringe auf der Oberfläche des stillen Sees, dann wie ein leichter Hauch setzten sie Gras und Büsche in Bewegung. Auf einem eingeschlossenen grünen Platze in dem Schatten einer herrlichen Gruppe mannigfaltiger Bäume saß sie und bezauberte beim ersten Anblick aufs neue die Augen, das Ohr und das Herz des Weibes, das sich ihr mit Entzücken näherte und bei sich selbst schwur, die Schöne sei während ihrer Abwesenheit nur immer schöner geworden. Schon von weiten rief die gute Frau dem liebenswürdigsten Mädchen Gruß und Lob zu.
Unter diesen Worten war sie näher gekommen, die schöne Lilie schlug die Augen auf, ließ die Hände sinken und versetzte:
Die Alte hatte auf diese Rede wenig acht gegeben und nur ihre Hand betrachtet, die in der Gegenwart der schönen Lilie immer schwärzer und von Minute zu Minute kleiner zu werden schien. Sie wollte ihren Korb nehmen und eben forteilen, als sie fühlte dass sie das Beste vergessen hatte. Sie hub sogleich den verwandelten Hund heraus und setzte ihn nicht weit von der Schönen ins Gras.
Die schöne Lilie sah das artige Tier mit Vergnügen und wie es schien mit Verwunderung an.
Was helfen mir die vielen guten Zeichen? Des Vogels Tod, der Freundin schwarze Hand? Der Mops von Edelstein, hat er wohl seines gleichen? Und hat ihn nicht die Lampe mir gesandt? Entfernt vom süßen menschlichen Genusse, Bin ich doch mit dem Jammer nur vertraut. Ach! warum steht der Tempel nicht am Flusse, Ach! warum ist die Brücke nicht gebaut! Ungeduldig hatte die gute Frau diesem Gesange zugehört, den die schöne Lilie mit den angenehmen Tönen ihrer Harfe begleitete und der jeden andern entzückt hätte. Eben wollte sie sich beurlauben, als sie durch die Ankunft der grünen Schlange abermals abgehalten wurde. Diese hatte die letzten Zeilen des Liedes gehört und sprach deshalb der schönen Lilie sogleich zuversichtlich Mut ein.
Die Alte hatte ihre Äugen immer auf die Hand geheftet, unterbrach hier das Gespräch und empfahl sich.
Die Alte legte den kleinen Leichnam zwischen zarte Blätter in den Korb und eilte davon.
Die Schlange versetzte:
Eine angenehme Heiterkeit verbreitete sich über das Angesicht der Schönen.
Sie stand auf und sogleich trat ein reizendes Mädchen aus dem Gebüsch, das ihr die Harfe abnahm. Dieser folgte eine andere, die den elfenbeinernen, geschnitzten Feldstuhl, worauf die Schöne gesessen hatte, zusammenschlug und das silberne Kissen unter den Arm nahm. Eine Dritte die einen großen, mit Perlen gestickten Sonnenschirm trug, zeigte sich darauf erwartend ob Lilie, auf einem Spatziergange, etwa ihrer bedürfe. Über allen Ausdruck schön und reizend waren diese drei Mädchen und doch erhöhten sie nur die Schönheit der Lilie, indem sich jeder gestehen musste, dass sie mit ihr gar nicht verglichen werden konnten. Mit Gefälligkeit hatte indes die schöne Lilie den wunderbaren Mops betrachtet. Sie beugte sich, berührte ihn und in dem Augenblicke sprang er auf. Munter sah er sich um, lief hin und wieder und eilte zuletzt seine Wohltäterin auf das freundlichste zu begrüßen. Sie nahm ihn auf die Arme und drückte ihn an sich.
Diese Heiterkeit, diese anmutigen Scherze wurden durch die Ankunft des traurigen Jünglings unterbrochen. Er trat herein wie wir ihn schon kennen, nur schien die Hitze des Tages ihn noch mehr abgemattet zu haben und in der Gegenwart der Geliebten ward er mit jedem Augenblicke blässer. Er trug den Habicht auf seiner Hand, der wie eine Taube ruhig saß und die Flügel hängen ließ.
Indessen hörte der Mops nicht auf, die Schöne zu necken, und sie antwortete dem durchsichtigen Liebling durch das freundlichste Betragen. Sie klatschte mit den Händen um ihn zu verscheuchen, dann lief sie um ihn wieder nach sich zu ziehen. Sie suchte ihn zu haschen wenn er floh und jagte ihn von sich weg, wenn er sich an sie zu drängen versuchte. Der Jüngling sah stillschweigend und mit wachsendem Verdrusse zu; aber endlich da sie das hässliche Tier das ihm ganz abscheulich vorkam, auf den Arm nahm, an ihren weißen Busen drückte und die schwarze Schnauze mit ihren himmlischen Lippen küsste, verging ihm alle Geduld und er rief voller Verzweiflung aus:
Nein, es ruht noch ein Funke des alten Heldenmutes in meinem Busen; er schlage in diesem Augenblick zur letzten Flamme auf. Wenn Steine an deinem Busen ruhen können, so möge ich zu Stein werden wenn deine Berührung tötet, so will ich von deinen Händen sterben. Mit diesen Worten machte er eine heftige Bewegung; der Habicht flog von seiner Hand, er aber stürzte auf die Schöne los, sie streckte die Hände aus ihn abzuhalten und berührte ihn nur desto früher. Das Bewusstsein verließ ihn und mit Entsetzen. fühlte sie die schöne Last an ihrem Busen. Mit einem Schrei trat sie zurück und der holde Jüngling sank entseelt aus ihren Armen zur Erde. Das Unglück war geschehen! Die süße Lilie stand unbeweglich, und blickte starr nach dem entseelten Leichnam. Das Herz schien ihr im Busen zu stocken und ihre Augen waren ohne Tränen. Vergebens suchte der Mops ihr eine freundliche Bewegung abzugewinnen, die ganze Welt war mit ihrem Freunde ausgestorben. Ihre stumme Verzweiflung sah sich nach Hilfe nicht um, denn sie kannte keine Hilfe. Dagegen regte sich die Schlange desto emsiger, sie schien auf Rettung zu sinnen und wirklich dienten ihre sonderbaren Bewegungen wenigstens, die nächsten schrecklichen Folgen des Unglücks auf einige Zeit zu hindern. Sie zog mit ihrem geschmeidigen Körper einen weiten Kreiß um den Leichnam, fasste das Ende ihres Schwanzes mit den Zähnen und blieb ruhig liegen. Nicht lange, so trat eine der schönen Dienerinnen Liliens hervor, brachte den elfenbeinernem Feldstuhl, und nötigte, mit freundlichem Gebärden, die Schöne sich zu setzen, bald darauf kam die Zweite, die einen feuerfarbenen Schleier trug und das Haupt ihrer Gebieterin damit mehr zierte als bedeckte, die Dritte übergab ihr die Harfe und kaum hatte sie das prächtige Instrument an sich gedruckt, und einige Töne aus den Saiten hervorgelockt, als die erste mit einem hellen runden Spiegel zurück kam, sich der Schönen gegen über stellte, ihre Blicke auffing und ihr das angenehmste Bild, das in der Natur zu finden war darstellte. Der Schmerz erhöhte ihre Schönheit, der Schleyer ihre Reize, die Harfe ihre Anmut, und so sehr man hoffte ihre traurige Lage verändert zu sehen; so sehr wünschte man ihr Bild ewig, wie es gegenwärtig erschien, fest zu halten. Mit einem stillen Blick nach dem Spiegel lockte sie bald schmelzende Töne aus den Saiten, bald schien ihr Schmerz zu steigen, und die Saiten antworteten gewaltsam ihrem Jammer; einige Mal öffnete sie den Mund zu singen, aber die Stimme versagte ihr, doch bald löste sich ihr Schmerz in Tränen auf, zwei Mädchen fassten sie hilfreich in die Arme, die Harfe sank aus ihrem Schoß, kaum ergriff noch die schnelle Dienerin das Instrument und trug es bei Seite.
Das Weib eilte so viel sie konnte und die Schlange schien eben so ungeduldig als Lilie, die Rückkunft der beiden zu erwarten. Leider vergoldete schon der Strahl der sinkenden Sonne nur den höchsten Gipfel der Bäume des Dickichts und lange Schatten zogen sich über See und Wiese, die Schlange bewegte sich ungeduldig und Lilie zerfloss in Tränen. In dieser Not sah die Schlange sich überall um, denn sie fürchtete jeden Augenblick, die Sonne werde untergehen, die Fäulnis den magischen Kreiß durchdringen und den schönen Jüngling unaufhaltsam anfallen. Endlich erblickte sie hoch in den Lüften, mit purpurroten Federn, den Habicht, dessen Brust die letztern Strahlen der Sonne auffing. Sie schüttelte sich für Freuden über das gute Zeichen und sie betrog sich nicht, denn kurz darauf sah man den Mann mit der Lampe über den See hergleiten, gleich als wenn er auf Schrittschuhen ginge. Die Schlange veränderte nicht ihre Stelle, aber die Lilie stand auf und rief ihm zu:
Die Sonne war indessen untergegangen, und wie die Finsternis zunahm fing nicht allein die Schlange und die Lampe des Mannes nach ihrer Weise zu leuchten an, sondern der Schleier Liliens gab auch ein sanftes Licht von sich, das wie eine zarte Morgenröte ihre blassen Wangen und ihr weißes Gewand mit einer unendlichen Anmut färbte. Man sah sich wechselweise mit stiller Betrachtung an, Sorge und Trauer waren durch eine sichere Hoffnung gemildert. Nicht unangenehm erschien daher das alte Weib in Gesellschaft der beiden muntern Flammen, die zwar zeither sehr verschwendet haben mussten, denn sie waren wieder äußerst mager geworden, aber sich nur desto artiger gegen die Prinzessin und die übrigen Frauenzimmer betrugen. Mit der größten Sicherheit und mit vielem Ausdruck sagten sie ziemlich gewöhnliche Sachen, besonders zeigten sie sich sehr empfänglich für den Reitz, den der leuchtende Schleier über Lilien und ihre Begleiterinnen verbreitete. Bescheiden schlugen die Frauenzimmer ihre Augen nieder und das Lob ihrer Schönheit verschönerte sie wirklich. Jedermann war zufrieden und ruhig bis auf die Alte. Ungeachtet der Versicherung ihrs Mannes, dass ihre Hand nicht weiter abnehmen könne solange sie von seiner Lampe beschienen sei, behauptete sie mehr als Einmal, dass wenn es so fort gehe noch vor Mitternacht dieses edle Glied völlig verschwinden werde. Der Alte mit der Lampe hatte dem Gespräch der Irrlichter aufmerksam zugehört und war vergnügt, dass Lilie durch diese Unterhaltung zerstreut und aufgeheitert worden. Und wirklich war Mitternacht herbei gekommen man wusste nicht wie. Der Alte sah nach den Sternen und fing darauf zu reden an:
Nach diesen Worten entstand ein wunderbares Geräusch, denn alle gegenwärtige Personen sprachen für sich und druckten laut aus, was sie zu tun hätten, nur die drei Mädchen waren stille, eingeschlafen war die eine neben der Harfe, die andere neben dem Sonnenschirm, die dritte neben dem Sessel, und man konnte es ihnen nicht verdenken denn es war spät, die flammenden Jünglinge hatten nach einigen vorübergehenden Höflichkeiten, die sie auch den Dienerinnen gewidmet, sich doch zuletzt nur an Lilien, als die allerschönste gehalten.
Die Schlange fing nunmehr an sich zu bewegen, löste den Kreiß auf und zog langsam in großen Ringen nach dem Flusse. Feierlich folgten ihr die beiden Irrlichter, und man hätte sie für die ernsthaftesten Flammen halten sollen. Die Alte und ihr Mann ergriffen den Korb, dessen sanftes Licht man bisher kaum bemerkt hatte, sie zogen von beiden Seiten daran, und er ward immer größer und leuchtender, sie hoben darauf den Leichnam des Jünglings hinein und legten ihm den Kanarienvogel auf die Brust, der Korb hob sich in die Höhe und schwebte über dem Haupte der Alten und sie folgte den Irrlichtern auf dem Fuße. Die schöne Lilie nahm den Mops auf ihren Arm und folgte der Alten, der Mann mit der Lampe beschloss den Zug und die Gegend war von diesen vielerlei Lichtern auf das sonderbarste erhellt. Aber mit nicht geringer Bewunderung sah die Gesellschaft, als sie zu dem Flusse gelangte, einen herrlichen Bogen über denselben hinüber steigen, wodurch die wohltätige Schlange ihnen einen glänzenden Weg bereitete. Hatte man bei Tage die durchsichtigen Edelsteine bewundert, woraus die Brücke zusammen- gesetzt schien, so erstaunte man bei Nacht über ihre leuchtende Herrlichkeit. Oberwärts schnitt sich der helle Kreiß scharf an dem dunklen Himmel ab, aber unterwärts zuckten lebhafte Strahlen nach dem Mittelpunkte zu und zeigten die bewegliche Festigkeit des Gebäudes. Der Zug ging langsam hinüber und der Fährmann, der von ferne aus seiner Hütte hervorsah, betrachtete mit Staunen den leuchtenden Kreiß und die sonderbaren Lichter, die darüber hinzogen. Kaum waren sie an dem andern Ufer angelangt, als der Bogen nach seiner Weiße zu schwanken und sich wellenartig dem Wasser zu nähern anfing. Die Schlange bewegte sich bald darauf ans Land, der Korb setzte sich zur Erde nieder und die Schlange zog aufs neue ihren Kreiß umher, der Alte neigte sich vor ihr und sprach:
Der Alte versprach es und sagte darauf zur schönen Lilie:
Der Jüngling stand, der Kanarienvogel flatterte auf seiner Schulter, es war wieder Leben in beiden, aber der Geist war noch nicht zurück gekehrt; der schöne Freund hatte die Augen offen und sah nicht, wenigstens schien er alles ohne Teilnehmung anzusehen und kaum hatte sich die Verwunderung über diese Begebenheit einigermaßen gemäßigt, als man erst bemerkte, wie sonderbar die Schlange sich verändert hatte. Ihr schöner schlanker Körper war in tausend und tausend leuchtende Edelsteine zerfallen, unvorsichtig hatte die Alte, die nach ihrem Korbe greifen wollte, an sie gestoßen und man sah nichts mehr von der Bildung der Schlange, nur ein schöner Kreiß leuchtender Edelsteine lag im Grase. Der Alte machte sogleich Anstalt die Steine in den Korb zu fassen, wozu ihm seine Frau behilflich sein musste. Beide trugen darauf den Korb gegen das Ufer an einen erhabenen Ort und er schüttete die ganze Ladung nicht ohne Widerwillen der Schönen und seines Weibes, die gerne davon sich etwas ausgesucht hätten, in den Fluss. Wie leuchtende und blinkende Sterne schwammen die Steine mit den Wellen hin, und man konnte nicht unterscheiden ob sie sich in der Ferne verloren oder untersanken.
Die Irrlichter neigten sich anständig und blieben zurück, der Alte mit der Lampe gierig voraus in den Felsen, der sich vor ihm auftat, der Jüngling folgte ihm, gleichsam mechanisch, still und ungewiss hielt sich Lilie in einiger Entfernung hinter ihm, die Alte wollte nicht gerne zurückbleiben und streckte ihre Hand aus, damit ja das Licht von ihres Mannes Lampe sie erleuchten könne. Die Irrlichter schlossen den Zug, indem sie die Spitzen ihrer Flammen zusammen neigten und mit einander zu sprechen schienen. Sie waren nicht lange gegangen, als der Zug sich vor einem großen ehernen Tore befand, dessen Flügel mit einem goldenen Schloss verschlossen waren. Der Alte rief sogleich die Irrlichter herbei, die sich nicht lange aufmuntern ließen sondern geschäftig mit ihren spitzesten Flammen Schloss und Riegel aufzehrten. Laut tönte das Erz, als die Pforten schnell aufsprangen und im Heiligtum die würdigen Bilder der Könige, durch die hereintretenden Lichter beleuchtet, erschienen. Jeder neigte sich vor dem ehrwürdigen Herrschern, besonders ließen es die Irrlichter an krausen Verbeugungen nicht fehlen. Nach einiger Pause fragte der goldne König:
Der gemischte König wollte eben zu reden anfangen, als der goldne zu den Irrlichtern, die ihm zu nahe gekommen waren, sprach:
Sie wandten sich darauf zum silbernen und schmiegten sich an ihn, sein Gewand glänzte schön von ihrem gelblichen Wiederschein.
Sie entfernten sich und schlichen, bei dem ehernen vorbei, der sie nicht zu bemerken schien, auf den zusammengesetzten los.
Wer auf seinen Füßen steht, antwortete der Alte.
Die schöne Lilie fiel dem Alten um den Hals und küsste ihn aufs herzlichste.
Man konnte deutlich fühlen, dass der ganze Tempel sich bewegte, wie ein Schiff, das sich sanft aus dem Hafen entfernt, wenn die Anker gelichtet sind, die Tiefen der Erde schienen sich vor ihm aufzutun, als er hindurchzog. Er stieß nirgends an, kein Felsen stand ihm in den Weg. Wenig Augenblicke schien ein feiner Regen durch die Öffnung der Kuppel hereinzurieseln, der Alte hielt die schöne Lilie fester und sagte zu ihr:
Nun entstand ein seltsames Getöse über ihrem Haupte. Bretter und Balken in ungestalter Verbindung begannen sich zu der Öffnung der Kuppel krachend herein zu drängen. Lilie und die Alte sprangen zur Seite, der Mann mit der Lampe fasste den Jüngling und blieb stehen. Die kleine Hütte des Fährmanns, denn sie war es die der Tempel, im Aufsteigen, vom Boden abgesondert und in sich aufgenommen hatte, sank allmählich herunter und bedeckte den Jüngling und den Alten. Die Weiber schrieen laut, und der Tempel schütterte wie ein Schiff, das unvermutet ans Land stößt. Ängstlich irrten die Frauen in der Dämmerung um die Hütte, die Türe war verschlossen und auf ihr Pochen hörte niemand; Sie pochten heftiger und wunderten sich nicht wenig als zuletzt das Holz zu klingen anfing. Durch die Kraft der verschlossenen Lampe war die Hütte von innen heraus zu Silber geworden. Nicht lange, so veränderte sie sogar ihre Gestalt; denn das edle Metall verließ die zufälligen Formen der Bretter, Pfosten und Balken und dehnte sich zu einem herrlichen Gehäuse von getriebener Arbeit aus. Nun stand ein herrlicher kleiner Tempel in der Mitte des Großen, oder wenn man will ein Altar des Tempels würdig. Durch eine Treppe, die von innen heraufging trat nunmehr der edle Jüngling in die Höhe, der Mann mit der Lampe leuchtete ihm und ein anderer schien ihn zu unterstützen, der in einem weißen kurzen Gewand hervorkam und ein silbernes Ruder in der Hand hielt, man erkannte in ihm sogleich den Fährmann, den ehemaligen Bewohner der verwandelten. Hütte. Die schöne Lilie stieg die äußeren Treppen hinauf, die von dem Tempel auf den .Altar führten, aber noch immer musste sie sich von ihrem Geliebten entfernt halten. Die Alte, deren Hand, so lange die Lampe verborgen gewesen, immer kleiner geworden war, rief:
Die Alte eilte weg, und in dem Augenblick erschien das Licht der aufgehenden Sonne an dem Kranze der Kuppel, der Alte trat zwischen den Jüngling und die Jungfrau und rief mit lauter Stimme:
Wer ihn sah konnte sich, ungeachtet des feierlichen Augenblicks, kaum des Lachens enthalten, denn er saß nicht, er lag nicht, er lehnte sich nicht an, sondern er war unförmlich zusammengesunken. Die Irrlichter, die sich bisher um ihn beschäftigt hatten, traten zur Seite, sie schienen, obgleich blass beim Morgenlichte, doch wieder gut genährt und wohl bei Flammen, sie hatten auf eine geschickte Weise die goldnen Adern des kolossalen Bildes mit ihren spitzen Zungen bis aufs innerste herausgeleckt, die unregelmäßigen leeren Räume, die dadurch entstanden waren, erhielten sich eine Zeit lang offen und die Figur blieb in ihrer vorigen Gestalt. Als aber auch zuletzt die zartesten Äderchen aufgezehrt waren, brach auf einmal das Bild zusammen und leider grade an den Stellen die ganz bleiben, wenn der Mensch sich setzt, dagegen blieben die Gelenke, die sich hätten biegen sollen, steif. Der nicht lachen konnte, musste seine Augen wegwenden, das Mittelding zwischen Form und Klumpen war widerwärtig anzusehen. Der Mann mit der Lampe führte nunmehr den schönen aber immer noch starr vor sich hinblickenden Jüngling vom Altare herab, und grade auf den ehernen König los. Zu den Füßen des mächtigen Fürsten lag ein Schwert, in eherner Scheide. Der Jüngling gürtete sich.
Der Alte hatte während dieses Umgangs den Jüngling genau bemerkt. Nach umgegürtetem Schwert hob sich seine Brust, seine Arme regten sich und seine Füße traten fester auf; indem er den Szepter in die Hand nahm, schien sich die Kraft zu mildern und durch einen unaussprechlichen Reitz noch mächtiger zu werden; als aber der Eichenkranz seine Locken zierte, belebten sich seine Gesichtszüge, sein Auge glänzte von unaussprechlichem Geist und das erste Wort seines Mundes war Lilie.
Hierauf sagte der Alte lächelnd:
Über dieser Feierlichkeit, dem Glück, dem Entzücken hatte man nicht bemerkt, dass der Tag völlig angebrochen war, und nun fielen auf einmal durch die offene Pforte ganz unerwartete Gegenstände der Gesellschaft in die Augen. Ein großer mit Säulen umgebener Platz machte den Vorhof, an dessen Ende man eine lange und prächtige Brücke sah, die mit vielen Bogen über den Fluss hinüber reichte; sie war an beiden Seiten mit Säulengängen für die Wanderer bequem und prächtig eingerichtet, deren sich schon viele tausend eingefunden hatten, und emsig hin und wieder gingen. Der große Weg in der Mitte war von Herden und Maultieren, Reiter und Wagen belebt, die an beiden Seiten, ohne sich zu hindern, stromweise hin und her flossen, sie schienen sich alle über die Bequemlichkeit und Pracht zu verwundern, und der neue König mit seiner Gemahlin war über die Bewegung und das Leben dieses großen Volks so entzückt, als ihre wechselseitige Liebe sie glücklich machte.
Man wollte eben die Aufklärung dieses wunderbaren Geheimnisses von ihm verlangen, als vier schöne Mädchen zu der Pforte des Tempels herein traten. An der Harfe, dem Sonnenschirm und dem Feldstuhl erkannte man sogleich die Begleiterinnen Liliens, aber die vierte, schöner als die drei, war eine unbekannte, die scherzend schwesterlich mit ihnen durch den Tempel eilte und die silbernen Stufen hinanstieg.
Die verjüngte und verschönerte Alte, von deren Bildung keine Spur mehr übrig war, umfasste mit belebten jugendlichen Armen den Mann mit der Lampe, der ihre Liebkosungen mit Freundlichkeit aufnahm.
Die Königin bewillkommte ihre neue Freundin und stieg mit ihr und ihren übrigen Gespielinnen in den Altar hinab, indes der König in der Mitte der beiden Männer nach der Brücke hinsah und aufmerksam das Gewimmel des Volks betrachtete. Aber nicht lange dauerte seine Zufriedenheit, denn er sah einen Gegenstand, der ihm einen Augenblick Verdruss erregte. Der große Riese, der sich von seinem Morgenschlaf noch nicht erholt zu haben schien, taumelte über die Brücke her und verursachte daselbst große Unordnung. Er war, wie gewöhnlich, schlaftrunken aufgestanden und gedachte sich in der bekannten Bucht des Flusses zu baden, anstatt derselben fand er festes Land und tappte auf dem breiten Pflaster der Brücke hin. Ob er nun gleich zwischen Menschen und Vieh auf das ungeschickteste hineintrat, so war doch seine Gegenwart zwar von allen erstaunt, doch von niemand empfunden; als ihm aber die Sonne in die Augen schien und er die Hände aufhub sie auszuwischen, fuhr der Schatten seiner ungeheuren Fäuste hinter ihm, so kräftig und ungeschickt, unter der Menge hin und wieder, dass Menschen und Tiere in großen Massen zusammen stürzten, beschädigt wurden, und Gefahr liefen in den Fluss geschleudert zu werden. Der König, als er diese Untat erblickte, fuhr mit einer unwillkürlichen Bewegung nach dem Schwerte, doch besann er sich und blickte ruhig erst seinen Szepter, dann die Lampe und das Ruder seiner Gefährten an.
Indessen war der Riese immer näher gekommen, hatte für Verwunderung über das, was er mit offenen Augen sah, die Hände sinken lassen, tat keinen Schaden mehr, und trat gaffend in den Vorhof herein. Gerade ging er auf die Türe des Tempels zu, als er auf einmal in der Mitte des Hofes an dem Boden festgehalten wurde. Er stand als eine kolossale mächtige Bildsäule, von rötlich glänzendem Steine, da, und sein Schatten zeigte die Stunden, die in einem Kreis auf den Boden um ihn her, nicht in Zahlen, sondern in edlen und bedeutenden Bildern, eingelegt waren. Nicht wenig erfreut war der König, den Schatten des Ungeheuers in nützlicher Richtung zu sehen, nicht wenig verwundert war die Königin, die, als sie mit größter Herrlichkeit geschmückt aus dem Altare, mit ihren Jungfrauen, herauf stieg, das seltsame Bild erblickte, das die Aussicht aus dem Tempel nach der Brücke fast zudeckte. Indessen hatte sich das Volk dem Riesen nachgedrängt, da er stillstand, ihn umgeben und seine Verwandlung angestaunt, von da wandte sich die Menge nach dem Tempel, den sie erst jetzt gewahr zu werden schien und drängte sich nach der Türe. In diesem Augenblick schwebte der Habicht mit dem Spiegel hoch über dem Dom, fing das Licht der Sonne auf und warf es über die auf dem Altar stehende Gruppe. Der König, die Königin und ihre Begleiter erschienen in dem dämmernden Gewölbe des Tempels, von einem himmlischen Glanze erleuchtet und alles Volk fiel auf sein Angesicht. Als die Menge sich wieder erholt hatte und aufstand, war der König mit den Seinigen in den Altar hinabgestiegen, um durch verborgene Hallen nach seinem Palast zu gehen, und das Volk zerstreute sich in dem Tempel, seine Neugierde zu befriedigen. Es betrachtete die drei aufrecht stehenden Könige mit Staunen und Ehrfurcht, aber es war desto begieriger zu wissen, was unter dem Teppiche in der vierten Nische für ein Klumpen verborgen sein möchte, denn, wer es auch mochte gewesen sein, wohlmeinende Bescheidenheit hatte eine prächtige Decke über den zusammen gesunkenen König hingebreitet, die kein Auge zu durchdringen vermag und keine Hand wegzuheben wagen darf. Das Volk hätte kein Ende seines Schauens und seiner Bewunderung gefunden, und die zudringende Menge hätte sich in dem Tempel selbst erdrückt, wäre ihre Aufmerksamkeit nicht wieder, auf den großen Platz gelenkt worden. Unvermutet fielen Goldstücke, wie aus der Luft, klingend auf die marmornen Platten, die nächsten Wanderer stürzten darüber her, um sich ihrer zu bemächtigen, einzeln wiederholte sich dies Wunder, und zwar bald hier und bald da. Man begreift wohl, dass die abziehenden Irrlichter sich hier nochmals eine Lust machten und das Gold aus den Gliedern des zusammengesunkenen Königs auf eine lustige Weise vergeudeten. Begierig lief das Volk noch eine Zeitlang hin und wieder, drängte und zerriss sich, auch noch da keine Goldstücke mehr herabfielen. Endlich verlief es sich allmählich, zog seine Straße und bis auf den heutigen Tag wimmelt die Brücke von Wanderern, und der Tempel ist der besuchteste auf der ganzen Erde. |
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Dieses Märchen wurde mir von Sophie (sophie.ronceret@worldonline.fr ) zur Verfügung gestellt. |