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Goldhaar
Es war einmal ein armer, armer Mann, der hatte einen Knaben und wusste nicht,
wie er ihn länger erhalten sollte; er führte ihn eines Tages in einen dichten
Wald, und als er mit dem Jungen das letzte Stückchen Brot gegessen hatte,
schlief dieser ein. Da stand der Vater auf und ging nach Hause, denn er dachte,
wenn der Kleine erwacht, wird er sich verirren und nicht nach Hause finden; und
so geschah es auch. Als der Knabe die Augen aufschlug und sah, dass sein Vater
fort war, machte er sich auf und wollte nach Hause, aber er geriet nur immer
tiefer in den Wald, und es wurde schon Abend; er ging und lief voll Angst hin
und her; endlich sah er ein kleines Häuschen; hier wollte er Nachtherberge
nehmen. Als er eintrat, saß an dem Tisch ein alter blinder Mann und aß Hühnersuppe.
Der Knabe war so hungrig, dass er zum Tisch ging, einen Löffel nahm und mit aß.
Der blinde Mann aber merkte es und fragte: "Wer isst von meiner Hühnersuppe?"
- "Ich bin's, lieber Großvater", rief der Knabe, "denn ich habe
gar großen Hunger!" Da freute sich der Alte und sprach: "Ich habe
lange auf dich gewartet, du sollst es gut haben bei mir"
Nach dem Essen machte er ihm ein weiches Bettchen, und der Knabe schlief so gut,
als wäre er im Himmel. Am folgenden Morgen, als er aufgestanden war, sagte der
Alte: "Nun sollst du meine Geißen hüten!" Dazu war der Knabe
willig und bereit, und als er abends nach Hause kam, aß er mit dem blinden Großvater
wieder Hühnersuppe, und die schmeckte sehr gut. Nun hütete er zwölf Jahre
lang, einen Tag wie den andern, die Geißen], und der Alte war mit dem Jungen
wohl zufrieden. Da gab er ihm eines Tages ein Schwert und sprach: "Damit
kannst du alles erhauen!"
Als er die Geißen] wieder auf die Weide trieb und sehr weit ziehen musste, denn
sie hatten ringsherum alles abgefressen, kam er in einen Wald, wo die Bäume und
Blätter von blinkendem Kupfer waren. Indem er darüber staunte, fuhr der
Kupferdrachen herbei und rief: "Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen
Geißen] meinen Wald verätzen?" und wollte ihn gleich verschlingen; aber
der Knabe nahm sein Schwert und hieb dem Drachen alle Häupter herunter. Darauf
ging er in das Schloss, und da war alles von Kupfer, aber nichts Lebendes zu
sehen und zu hören; an der Wand hing ein kupferner Zaum, den nahm er mit sich.
Abends trieb er die Geißen] heim, und sie gaben viel mehr Milch als vorher. Er
erzählte darauf dem Alten, wie er den Drachen erschlagen und sich einen
kupfernen Zaum aus dessen Schlosse gebracht habe. "Und das ist das Beste
aus dem Schlosse", sprach der Alte, "denn wenn du den Zaum schüttelst,
so erscheint gleich ein Heer Soldaten in kupferner Rüstung, so groß, als du es
wünschest!" Am andern Tag trieb er seine Geißen] noch weiter, und er kam
in einen Wald, da waren die Bäume und Blätter aus blankem Silber, und das glänzte
und glitzerte sehr. Indem er dastand und sich verwunderte, kam der Silberdrache
herbei und rief:
"Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen Geißen] meinen Wald verätzen?"
und wollte ihn sogleich verschlingen; aber der Knabe schwang sein Schwert und
hieb ihm alle Häupter ab. Nun ging er in das Schloss, und darin war alles von
blankem Silber; aber keine lebendige Seele war drinnen; an der Wand hing ein
silberner Zaum, den nahm er mit. Als er am Abend die Geißen] heim trieb, gaben
sie dreimal so viel Milch als am vorigen Abend, und er erzählte dem Alten
wieder, wie er den Silberdrachen erschlagen und sich den silbernen Zaum
mitgebracht habe. "Und das ist das Beste aus dem Schlosse", sprach der
Alte, "denn wenn du den Zaum schüttelst, so erscheint gleich ein Heer
Soldaten in silberner Rüstung, so groß als du es wünschest." Am dritten
Tage trieb er die Geißen] noch weiter und gelangte in einen Wald, wo die Bäume
und Blätter von purem Gold waren. Das war eine Herrlichkeit! Wie das glitzerte
und glänzte! Indem er das alles so ansah, kam nur einmal der Golddrache und
rief: "Heda, du Menschenkind, willst du mit deinen Geißen] meinen Wald verätzen?"
und wollte ihn verschlingen; aber der Knabe schwang sein Schwert und schlug dem
Drachen auf einmal alle Häupter ab. Dann ging er in das Schloss, und da war
alles von purem Gold und ach so schön, so schön! aber nichts Lebendiges sah
und hörte man; an der Wand hing ein goldner Zaum, den nahm er mit. Als er die Geißen]
am Abend heimtrieb und melkte, so gaben sie neunmal so viel Milch als am vorigen
Abend. Nun erzählte er dem Alten, wie er den Golddrachen getötet und den
goldnen Zaum aus dem Schlosse sich mitgebracht habe. "Und das ist das
Beste!" sprach der Alte, "denn wenn du den Zaum schüttelst, so
erscheint gleich ein ganzes Heer Soldaten in goldner Rüstung."
Am folgenden Tage sprach der Alte: "Gib mir zurück das Schwert; es hat
jetzt seinen Dienst getan und seine Kraft bewährt; mit den drei Zäumen kannst
du jetzt ausziehen und die jüngste und schönste von den Königstöchtern dir
erwerben!" Das war dem Knaben ganz recht, und er schickte sich zur Reise.
Bevor er aber abzog, führte ihn der Alte in einen dunklen Felsen; darin sprang
ein Brunnen hoch auf: "Noch muss ich dein Haupt waschen!" und benetzte
seine Haare mit der springenden Flut, und als der Junge hinaus in die Sonne
trat, so waren sie lauter Gold und glänzten, dass es eine Freude war.
"Jetzt kannst du ziehen; aber halte dein Haupt immerfort bedeckt, dass
niemand deine Haare sieht!"
Der Junge gelangte bald in die Königsstadt, versteckte seine drei Zäume unter
einem Baum und fragte am Hof, ob der König keinen Diener brauche. Nun fehlte
gerade ein Küchenjunge, und so wurde er als solcher in den Dienst genommen;
doch machte er die Bedingung, er solle seine Mütze nie abnehmen dürfen, denn
er habe einen bösen Grind. Er zeigte sich aber so geschickt, dass der Koch ihn
sehr lieb gewann und zu allerlei anstellte.
Der König hatte drei wunderschöne Töchter; von diesen war aber die jüngste
am allerschönsten. Da trug es sich zu, dass diese einmal erkrankte und im Bette
lag. Während der König und seine ältern Töchter in der Kirche waren,
schickte der Koch den Jungen mit Suppe zur kranken Königstochter. Da sah ihn
diese genau an, sprach mit ihm, und es wurde ihr auf einmal so wohl, als sei sie
gesund. Da nahte die Zeit, wo viele junge Grafen und Fürsten an den Hof kamen
und um die Königstöchter warben; um die jüngste aber drehten sich die
meisten, sie aber sah keinen mit geneigtem Blicke an. Ihre Schwestern reichten
ihre Hand bald zwei Fürsten, und da drängte und beschwor sie ihr Vater, sie
solle nun auch einen Fürsten nehmen, und als sie nicht mehr ausweichen konnte,
sagte sie;
"Den Küchenjungen will ich nehmen, aber nie und nimmer einen andern!"
Als das der König hörte, erschrak er so sehr, dass ihm eine Zeitlang die
Sprache verging; dann aber fing er in seinem Zorne so heftig an zu wüten, dass
er seine Tochter in Banden schlagen und in einen Turm sperren ließ. Nicht lange
darauf ward der König in einen Krieg verwickelt; die beiden Fürsten, seine
Eidame, mussten ihm auch helfen und mit in den Kampf ziehen. Der Küchenjunge
bat den Koch, er möge ihm erlauben, in die Nähe zu gehen, dass er sehe, wie es
im Kriege sei.
Der Koch gewährte ihm's, denn er hatte ihn sehr lieb. Nun ging der Knabe hin zu
der Stelle, wo die Zäume waren, nahm den kupfernen hervor und schüttelte ihn.
Da kamen eine Menge Krieger hervor, so viele als Blätter sind im Wald, und alle
glänzten in kupferner Rüstung, und vor dem Jungen stand gleich ein gesatteltes
Roß mit der Rüstung für ihn; die legte er schnell an, und im Hui ging es zur
Schlacht. Der König und seine Schwiegersöhne waren aber geschlagen worden und
wandten sich schon zur Flucht; da stellte der Junge den Kampf wieder her, und
bald war der Feind gänzlich besiegt. Nun aber eilte der Junge, noch ehe der König
ihm danken konnte, mit seiner Schar von dannen, kam zum Baum geritten, legte den
Zaum in seine Stelle, und das ganze Heer war sogleich verschwunden.
Als der König und seine Leute heimkehrten, so erzählten sie Wunder von dem
Heere, das ihnen in der höchsten Not zu Hilfe geeilt, und von dessen Führer,
und es war ihnen nur leid, dass er dann sogleich verschwunden wäre. Der König musste
bald wieder in einen Krieg. Da zog der Küchenjunge abermals hin, nachdem er dem
Koch gesagt hatte, er wolle aus der Ferne zusehen. Er ging aber zu der Stelle,
wo die Zäume lagen und holte jetzt den silbernen hervor und schüttelte ihn. Da
kamen Soldaten hervor, unzählige, der Erden schwer, und alle glänzten in
silberner Rüstung, und vor dem Jungen stand ein gesatteltes Pferd mit der Rüstung
für ihn; die legte er schnell an, und im Hui ging es zur Schlacht; der König
war jetzt schon geschlagen und floh; da kehrte der Junge ihn und die Fliehenden
um, fing den Kampf von neuem an, und der Feind wurde niedergeschmettert. Der König
wollte schnell zum jungen Heldenanführer hinanreiten, um ihm zu danken; allein
der war nach vollbrachter Tat mit seinen Scharen gleich fort; er ritt zu der
Stelle, wo die Zäume waren, legte den silbernen hin, und sogleich war das Heer
verschwunden. Als der König und seine Leute heimkehrten, erzählten sie
abermals Wunder von dem stattlichen Helden und seinen Scharen in silberner Rüstung,
und es war ihnen nur leid, dass sie ihm nicht nachgeeilt, um ihm zu danken und
ihn kennenzulernen.
Nach einiger Zeit erhob sich abermals ein Feind, und das war der gewaltigste von
allen; der König zog mit allen seinen Scharen ihm entgegen. Der Küchenjunge
bat sich vom Koch wieder aus, hinzugehen, damit er sehe, wie es im Kriege sei;
er kam aber zu der Stelle, wo die Zäume lagen, nahm jetzt den goldnen hervor,
schüttelte ihn, und alsbald drängten sich unzählige Soldaten hervor und
wimmelten wie Scharen von Heuschrecken, da wo sie sich niederlassen, und alle
erglänzten in der goldnen Rüstung, und vor dem Jungen stand ein gesatteltes Roß
mit der Rüstung für ihn; die legte er an und ließ jetzt auch sein goldnes
Haar unter dem Hut herabwallen, und im Hui ging es zur Schlacht. Schon war der König
aufs Haupt geschlagen und sein Heer zersprengt in alle Winde; da rückten die
Hilfsscharen ein, griffen den Feind an und vernichteten ihn ganz und gar. Der König
wollte seinem Retter danken, aber bis er sich recht umsah, war der auch schon
wieder mit all seinen Scharen fort. Daheim nun ließ er ein großes Siegesfest
veranstalten, weil nun alle seine Feinde besiegt lagen. Es waren aber so viele Gäste,
dass die Diener nicht hinreichten, ihnen aufzuwarten; da musste der Koch den Küchenjungen
auch anstellen. Der König dachte eben an seine liebste Tochter im Turm, und
sein Herz war in der Freude versöhnlich gestimmt; er ließ ihr sagen, wenn sie
sich jetzt entschließe, einen Fürsten oder Grafen zum Gemahl zu nehmen, so
wolle er sie wieder als sein liebes Kind aufnehmen; allein wie sehr auch die
Arme im Turm Not litt, schon ein Jahr hatte sie so einsam gelebt und nur Wasser
und Brot genossen, sie blieb dem treu, den sie in ihrem Herzen trug, und sprach:
"Nie und nimmer einen andern als den Küchenjungen!"
Da fuhr der König in großem Zorn auf, und gerade jetzt trat der Küchenjunge
mit einer Schüssel Wildbret zum König und hatte die Mütze auf. "Du
Unverschämter wagst es und dazu mit unentblößtem Haupte vor meinem Angesicht
zu erscheinen!" Damit erhob er seine Hand und schlug ihm die Mütze vom
Haupte, dass sie weithin in eine Ecke flog. Der Junge aber stand auf einmal da
in aller Herrlichkeit, und die Goldflocken fielen ihm um das Haupt, und er glänzte
wie die Sonne. Da erkannte der König gleich seinen Retter, fiel vor ihm nieder
und sprach: "Verzeihung!" Der Junge hob ihn auf, und nun wurde die jüngste
Königstochter mit Jubel aus dem dunkeln Turme in den Festsaal gebracht, und das
Siegesfest wurde auch zum Hochzeitsfest, und es war große Freude.
Nach der Hochzeit zog der Junge mit der schönen Königstochter in den goldnen
Wald und nahm Besitz vom goldnen Schloss; den kupfernen und silbernen Wald mit
dem kupfernen und silbernen Schlosse schenkte er seinen Schwägern. Den alten
blinden Mann aber suchte er vergebens, der war samt dem Häuschen verschwunden,
und er konnte sein Lebtag nichts mehr von ihm erfahren.
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