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Der Glasbrunnen


In einem Schlosse wohnte eine Jungfrau, die war so schön, dass man keine schönere auf der Welt finden konnte. Die Jungfrau hatte aber ein gar stolzes Herz. Alle Freier, die auf das Schloss kamen, wies sie spöttisch ab, und wenn es auch die reichsten Grafensöhne waren.

Eines Tages kam ein Jüngling, der gefiel der Jungfrau über alle Maßen. Ihr stolzes Herz wollte es aber nicht eingestehen. Sie ließ ihn Geschenke über Geschenke bringen, eines prächtiger als das andere, sagte aber jedes Mal nein, so oft er sie bat, seine Braut zu werden.

An einem Abend saßen die beiden beisammen im Wald nahe einer Quelle, die tief aus dem massigen Felsen heraussprudelte. Da sagte die Jungfrau zu dem Jüngling:

,,Ich weiß, du kannst mir keinen Fürstenthron zum Brautschatz geben, ich will aber deine Braut sein, wenn du mir an die Stelle des Dornengebusches, das die Quelle verdeckt, ein Wasserbecken von Edelsteinen setzt, die so rein sind wie Glas und so klar wie das Wasser, das darin fließt."

Die Mutter des Jünglings war aber eine Fee. Und als er ihr noch am gleichen Tage erzählte, was die Jungfrau auf dem Schlosse von ihm verlange, da machte sie über Nacht ein Brunnenbecken in Blau und Gelb und Rot, das alle Blumen an Farbenglanz überstrahlte. Den anderen Morgen sagte die Jungfrau zu dem Jüngling:

,,Etwas hast du getan, es ist aber noch nicht alles, was ich von dir verlange. Zu dem Brunnenbecken gehört ein Garten, den musst du mir noch an die Stelle des Waldes setzen, sonst kann ich deine Braut nicht sein !"

Das sagte der Jüngling wieder seiner Mutter. Und als am Abend die Jungfrau an dem Brunnen saß, da sprosste es rings um sie her veilchenblau und rosenrot auf, und in einem Augenblicke war der ganze Wald ein Garten. Der Boden war mit Millionen Blumen übersät, und in den Büschen hüpften und sangen die Vögel, dass es eine Freude war.

Der Jungfrau lachte bei dem Anblick das Herz, und als nun der Jüngling hinzutrat, wäre sie ihm beinahe um den Hals gefallen und seine Braut geworden. Aber auf einmal fielen ihre Augen auf das Schloss, das sich nun gar alt und seltsam ausnahm neben dem prächtigen Garten mit dem funkelnden Glasbrunnen. Da sagte sie:

,,Der Garten gefällt mir, es ist aber noch nicht alles, was ich von dir verlange. Du musst mir an die Stelle des alten Schlosses eines von Rubin und Perlen setzen, sonst kann ich deine Braut nicht sein!"

Und der Jüngling ging wieder zu seiner Mutter. Aber da wurde die Fee von Zorn erfüllt, und im Nu war der schöne Garten verschwunden und das alte Waldgestrüpp wucherte wieder fort Nur der schimmernde Glasbrunnen blieb, und daran saß nun jeden Abend die Jungfrau und wartete mit Sehnsucht auf den Jüngling Der aber kam nicht wieder. Und wenn sie nicht gestorben ist, so sitzt sie heute noch und wartet.