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Das Geldschwein
Hans Christian Andersen


In der Kinderstube lag eine Menge Spielzeug umher; ganz oben auf dem Schrank stand die Sparbüchse, die war aus Ton und hatte die Gestalt eines Schweines, das natürlich einen Spalt im Rücken hatte, und mit einem Messer war dieser Spalt so erweitert worden, dass auch Silbertaler hineingingen, und es waren auch schon außer vielen Schillingen zwei hineingegangen. Das Geldschwein war so vollgestopft, dass es nicht mehr klappern konnte, und das ist das Höchste, wozu es ein Geldschwein bringen kann. Da stand es nun oben auf dem Schrank und blickte auf alles in der Stube herab; es wusste wohl, dass es mit dem, was es im Magen hatte, das Ganze kaufen könnte, und das nennt man ein gutes Bewusstsein haben.

Daran dachten auch die andern Dinge, wenn sie es auch nicht aussprachen; es gab ja manches andere zu besprechen. Der Kommodenkasten war halb aufgezogen, und darin erhob sich eine große Puppe, die schon alt und am Hals genietet war; sie schaute heraus und sagte: „Jetzt wollen wir Menschen spielen, das ist doch immer etwas! „ Und nun geriet alles in Aufruhr, selbst die Bilder an der Wand drehten sich um und zeigten, dass sie auch eine Kehrseite hatten, und dagegen ließ sich nichts sagen.

Es war mitten in der Nacht, der Mond schien durch das Fenster und gab freie Beleuchtung. Nun sollte das Spiel beginnen, und alle wurden eingeladen, selbst der Kinderwagen, der doch zu dem gröberen Spielzeug zählte. „Jeder hat seinen besonderen Wert! „ sagte er, „wir können nicht alle von Adel sein! Einer muss Nutzen bringen, wie man sagt. „ Das Geldschwein war das einzige, das eine schriftliche Einladung bekam, es stand zu hoch, als dass man glauben konnte, es würde die mündliche Einladung hören, es gab auch keine Antwort, ob es käme, und es kam auch nicht; wenn es mit dabei sein solle, müsse es das Spiel vom Hause aus genießen, danach könnten sie sich richten, und das taten sie denn.

Das kleine Puppentheater wurde nun schnell so aufgestellt, dass das Geldschwein gerade hineinschauen konnte; sie wollten mit Theater anfangen, und nachher sollte es Teegesellschaft und Verstandesübung geben, und sie begannen gleich damit; das Schaukelpferd sprach von Training und Vollblut, der Kinderwagen von Eisenbahnen und Dampfkraft – das war doch alles etwas, was in ihr Fach gehörte und worüber sie sprechen konnten. Die Stubenuhr sprach von Politik – tik –tik! Sie wusste, was die Glocke geschlagen hatte, aber man sagte, sie ginge nicht richtig; der Rohrstock stand da und war stolz auf seine Messingzwinge und auf seinen silbernen Knopf, er war doch oben und unten beschlagen; auf dem Sofa lagen zwei gestickte Kissen, niedlich und dumm – und so konnte die Komödie beginnen.

Alle saßen da und schauten zu, und es wurde gebeten, man möge knallen, klatschen und lärmen, wenn man daran Vergnügen finde. Aber die Reitpeitsche sagte, sie knalle nie für die Alten, immer nur für die Unverlobten. „Ich knalle für alles“, sagte die Knallerbse. „Irgendwo muss man doch sein! „ meinte der Spucknapf. Das waren so die Gedanken, die jeder hegte, während er der Komödie zuschaute. Das Stück taugte nichts, aber es wurde gut gespielt; sämtliche Spieler kehrten die bemalte Seite nach außen, sie waren so gemacht, dass man sie nur von dieser Seite und nicht von der Kehrseite sehen durfte; und sie spielten alle ausgezeichnet, sogar vor der Rampe, der Draht war ein wenig zu lang, aber so konnte man sie besser sehen. Die genietete Puppe war so gerührt, dass sich der Niet löste, und das Geldschwein war auf seine Weise so gerührt, dass es beschloss, etwas für einen der Künstler zu tun und ihn in seinem Testament zu bedenken als denjenigen, der mit ihm zusammen in der Familiengruft beigesetzt werden sollte, wenn die Zeit gekommen war.

Es war ein solcher Genuss, dass man auf den Tee verzichtete und es bei der Verstandesübung bewenden ließ; das nannte man Menschen spielen, und darin lag durchaus keine Bosheit, denn sie spielten nur – und jeder dachte an sich und daran, was wohl das Geldschwein dächte, und das Geldschwein dachte am längsten, es dachte ja an Testament und Begräbnis und wann es wohl so weit wäre – immerhin viel eher, als man es erwartete. – Knack! Da fiel es vom Schrank herunter, fiel auf den Fußboden und zersprang in Scherben, und die Schillinge tanzten und hüpften, die kleinsten schnurrten, die großen rollten umher, besonders der eine Silbertaler wollte richtig in die Welt hinaus. Und das kam er auch, und das kamen sie alle, und die Scherben des Geldschweins kamen in das Kehrichtfass, aber auf dem Schrank stand am nächsten Tag wieder ein neues Geldschwein aus Ton; es hatte noch nicht einen Schilling in seinem Innern, weshalb es auch nicht klappern konnte, und hierin glich es dem anderen, das war immerhin ein Anfang – und mit dem wollen wir ein Ende machen.