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Der Alte von Granitz
Ernst Moritz Arndt


Nicht weit von der Aalbeck liegt ein kleiner Hof namens Granitz unter der großen waldigen Uferforst, welche auch die Granitz genannt wird. Auf diesem Höfchen lebte vor nicht langen Jahren ein Herr von Scheele. Dieser war in seinen späteren Tagen in Trübsinn gesunken und sah fast keinen Menschen mehr, da er früher ein sehr munterer und geselliger Mann und ein gewaltiger Jäger gewesen war. Diese Einsamkeit des alten Mannes, sagen die Leute, kam daher, dass ihm drei schöne Töchter, die man die drei schönen Blonden hieß, und die hier in des Waldes Einsamkeit unter Herden und Vögeln aufgewachsen waren, mit einem Male alle drei in einer Nacht davongegangen waren und nie wiedergekommen sind. Das hatte der alte Mann sich zu Gemüt gezogen und sich von der Welt und ihren lustigen Freuden abgewendet. Er hatte vielen Umgang mit den kleinen Schwarzen und war auch mancher Nacht außer dem Hause, und kein Mensch wusste, wo er gewesen war; wenn er aber um die Morgendämmerung heimkam, flüsterte er seiner Haushälterin zu: »Pst! Pst! Ich habe heint an hoher Tafel geschmaust.« Dieser alte Herr von Scheele pflegte seinen Freunden zu erzählen und bekräftigte es wohl mit einem tüchtigen husarischen und weidmännischen Fluche, in den Granitzer Tannen um die Aalbeck und an dem ganzen Ufer wimmele es von Unterirdischen. Auch hat er Leute, die er dort herum spazieren führte, oft eine Menge kleiner Spuren gezeigt, wie von den allerkleinsten Kindern, die da im Sande von ihren Füßchen einen Abdruck hinterlassen hätten, und ihnen plötzlich zugerufen: »Horch! Wie es da wieder wispert und flüstert!« Ein ander Mal, als er mit guten Freunden längs dem Meeresstrand gegangen, ist er wie in Bewunderung plötzlich still gestanden, hat auf das Meer gezeigt und gerufen: »Da sind sie meiner Seele wieder in voller Arbeit, und viele Tausende sind um ein paar versunkene Stückfässer Wein beschäftigt, die sie ans Ufer wälzen. Was wird das die Nacht ein lustiges Gelag werden!« Dann hat er ihnen erzählt, er könne sie sehen bei Tage und bei Nacht, und ihm tun sie nichts, ja sie seien seine besonderen Freunde, und einer habe sein Haus einmal von Feuersgefahr errettet, da er ihn nach Mitternacht aus tiefem Schlafe aufweckte und ihm einen Feuerbrand zeigte, der vom Herde gefallen und schon anderes Holz und Stroh, das auf der Flur lag, anzünden wollte. Man sehe beinahe alle Tage einige von ihnen am Ufer; bei hohen Stürmen aber, wo das Meer sehr tobe, seien sie fast alle da und lauern auf Bernstein und Schiffbrüche, und gewiss vergehe kein Schiff, von welchem sie nicht den besten Teil der Ladung bergen und unter der Erde in Sicherheit bringen. Und wie herrlich da unter den Sandbergen bei ihnen zu wohnen sei, und welche kristallene Paläste sie haben, davon habe auch kein Mensch eine Vorstellung, der nicht da gewesen sei.

Dieser alte Mann galt sonst für einen guten und freundlichen Mann, und kein Mensch hat ihm nachgesagt, dass er etwas tue, was einen Bund mit bösen Geistern verrate. Aber der Umgang mit den kleinen Schwarzen ist nicht immer so unschuldig. Davon gibt es auch eine Geschichte.